Lenggrieserin entwickelt KI für Sägewerk: Innovation „Sawbox“ sorgt für Furore

  • Andreas Steppan
    VonAndreas Steppan
    schließen

Mit dem neuartigen Ein-Mann-Sägewerk „Sawbox“ ist eine Vision der Software-Entwicklerin Amanda Reiter aus Lenggries Wirklichkeit geworden. Die Erfindung sorgt in Fachkreisen für Furore.

Lenggries - Sägewerke arbeiten im Prinzip seit Jahrzehnten unverändert. Aktuell aber sorgt eine Innovation für großes Aufsehen in der Branche: das neuartige Sägewerk „Sawbox“ nimmt nur den Bruchteil der Fläche eines traditionellen Sägewerks ein, wird dabei komplett mit Künstlicher Intelligenz gesteuert und benötigt im Betrieb lediglich einen einzigen Mitarbeiter. Gebaut hat die „Sawbox“ der Holzbauunternehmer Leonhard Unterrainer aus Ainet in Osttirol. Die Software dafür stammt aus dem Isarwinkel, genauer gesagt von der Lenggrieserin Amanda Reiter.

Revolutionäres Sägewerkskonzept

„Dass meine Ideen jetzt materielle Gestalt annehmen, das ist schon abenteuerlich“, sagt die 57-jährige Software-Entwicklerin. „Ich kann mich gar nicht daran sattsehen.“ Im Prinzip gebe es die Software schon seit zehn Jahren, berichtet sie. „Bisher gab es aber keine Maschine, die es umsetzt.“ Das änderte sich, als der österreichische Unternehmer Unterrainer auf sie aufmerksam wurde und sie kontaktierte. Unterrainer hatte zuvor ein revolutionäres Sägewerkskonzept erdacht  –  zunächst einmal aus der Not heraus, weil er für seine Holzhäuser auf dem Markt keine Holzlieferanten mehr fand und die bestehenden Sägewerke ausgelastet waren. Der Tiroler wollte daraufhin sein eigenes Sägewerk errichten  – das allerdings völlig neu gedacht.

Ein-Mann-Sägewerk auf kleinem Raum: Die „Sawbox“ sorgt in Fachkreisen für Furore.

In Amanda Reiter fand er die geeignete Partnerin für das Projekt. Sie hatte die benötigte Schnittbild-Optimierungssoftware für Sägewerke praktisch fertig in der Schublade, musste sie nach eigenen Angaben nur mehr an Unterrainers Erfindung anpassen. „Dafür habe ich drei Monate gebraucht.“

Das Programm dreht und wendet den Baum, und am Ende ist das Ergebnis wesentlich besser als bei einem traditionellen Sägewerk.

Was ist nun die „Sawbox“? Es handelt sich um eine Anlage, die im Vergleich zu einem traditionellen Sägewerk deutlich kleiner ist. „400 Quadratmeter Grundfläche genügen“, erklärt Amanda Reiter. Althergebrachte Sägewerke hingegen würden in ihrer kleinsten Variante 10.000 bis 20.000 Quadratmeter in Anspruch nehmen. Viel Platz bräuchten dort allein schon die Lagerplätze. Auch die Sägehallen mit den herkömmlichen Maschinen seien groß. „Meine war 100 Meter lang“, sagt Amanda Reiter. Die Lenggrieserin spricht aus Erfahrung. Sie erbte einst die von ihrem Großvater 1930 gegründete, mittlerweile stillgelegte Reiter-Säge.

400 Quadratmeter Fläche genügen

Große Lagerflächen fallen bei der „Sawbox“ weg. Denn die angelieferten Baumstämme gehen unsortiert direkt zur Verarbeitung in die Maschine. Das Besondere: Die Anlage entrindet und scannt die Baumstämme, spannt sie ein, profiliert sie. Eine Bandsäge filetiert das Holz, und Kreissägen spalten sie in einem Arbeitsschritt. Die „Sawbox übernimmt den gesamten Sägewerkprozess mit Leisten legen, manipulieren und abstapeln.

Unternehmer Leonhard Unterrainer aus Tirol verwirklichte seine innovative Sägebox mit Software aus Lenggries.

Und vor allem: Der Computer berechnet und entscheidet selbstständig, wie aus dem Baum der beste Ertrag herauszuholen ist. „Das Programm dreht und wendet den Baum, und am Ende ist das Ergebnis wesentlich besser als bei einem traditionellen Sägewerk“, erklärt die Software-Entwicklerin. Sprich: Was herauskommt, ist mehr Holz und weniger Verschnitt. 70 bis 80 Prozent Ausbeute verspricht die „Sawbox“, wo herkömmliche Sägewerke bei 50 Prozent an ihre Grenzen stoßen.

Amanda Reiter spricht von einem „Denkfehler“ in der traditionellen Arbeitsweise. Als sie selbst in den 1980er-Jahren die Holzverarbeitungsmechanik erlernte, sei ihr beigebracht worden, dass ein Baumstamm – vereinfacht dargestellt – im Querschnitt ein Kreis sei. Und dass sich die beste Ausbeute aus einem Kreis erzielen lasse, indem man ein Quadrat herausschneide. Ihre Software dagegen erfasse die Baumstämme, die ja auch durchaus sehr verschiedene Formen haben könnten, als Vielecke. „Damit wird die Ausbeute wesentlich höher.“

Mini-Sägewerk „Sawbox“ tritt Siegeszug an

Wie Reiter weiter erklärt, fließen in die Entscheidung der Software auch Daten zu den jeweils aktuellen Markt- und Rohstoffpreisen ein. Geschnitten wird der Baum dann so, dass sich damit möglichst viel Ertrag erzielen lässt. „Es geht nicht nur darum, möglichst viele Bretter zu machen“, so die Spezialistin. Was nach Entscheidung des Computers am Ende an Brettern, Dielen und Kanthölzern herauskommt, das sei „eventuell ganz anders als erwartet“.

Vernichtet die „Sawbox“ Arbeitsplätze? Immerhin kommt sie mit nur einem Mitarbeiter aus, wo in traditionellen Sägewerken 10 bis 15 Personen beschäftigt sind. „Ja, bestimmte Arbeitsplätze fallen weg“, räumt Amanda Reiter ein. Doch seien das Jobs, die kaum noch jemand machen wolle, vor allem das Stapeln von Kantholz, Bohlen, Dielen und Brettern. „Ein Kantholz kann bis zu 100 Kilo wiegen. Diese Arbeit ist gefährlich und schlecht fürs Kreuz, dazu ist es im Sägewerk unheimlich laut.“ Aus Amanda Reiters Sicht „hat es keine Zukunft, so zu produzieren“. Es entstünden stattdessen andere, qualifizierte Arbeitsplätze. Auch sei die „Sawbox“ deutlich emmissionsärmer  –  so ganz ohne Rundholzplatz und Sortieranlage im Freien, auf denen es mächtig poltert. „Ohne Veränderung gibt es Stillstand“, ist die Lenggrieserin überzeugt.

(Unser Bad-Tölz-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.)

Von Osttirol aus soll das Ein-Mann-Sägewerk seinen Siegeszug antreten. Produktion und Vertrieb hat ein führender Holzmaschinenbauer übernommen, die Firma Springer. „Es gibt viele Interessenten, die auf das Thema aufspringen“, berichtet Amanda Reiter. „Derzeit gibt es Vertragsgespräche für über 75 Anlagen weltweit. Gerade habe ich die Software ins Englische und Französische übersetzt.“ (ast)