Verbot wäre ein demokratischer Offenbarungseid: Schwarz-Rot muss die Rechtsextremen kleinregieren
Der Verfassungsschutz stuft die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ ein. Ein Verbotsverfahren wäre trotzdem ein Fehler. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.
„Gesichert rechtsextremistisch“: Die Einstufung der AfD als Partei mit verfassungswidriger Agenda kommt nicht überraschend. Doch ist der Zeitpunkt heikel, zu dem das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Entscheidung öffentlich macht. In vier Tagen ist Kanzlerwahl, gerade hat die AfD die Union in Umfragen erstmals als stärkste politische Kraft überholt.
Es wird der „Alternative für Deutschland“ nicht schwerfallen, daraus einen Angriff der „Systemparteien“ auf die rechte Konkurrenz zu konstruieren, mit dem Ziel, schwarz-rote Abweichler im Bundestag zu disziplinieren und Friedrich Merz sicher ans Kanzler-Ziel zu bringen.
AfD als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft: Genügend Gründe zur Neubewertung durch den Verfassungsschutz
Die Gefahr besteht, dass der Schuss nach hinten losgeht und die AfD sich wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung widmen kann: sich in ihrem Opfermythos zu suhlen. In der Sache freilich bewegen sich die Verfassungsschützer auf festem Boden: Wer Deutsche mit ausländischen Wurzeln zu Bürger zweiter Klasse degradiert, ihnen gar mit Deportation droht, wer einen ethnischen Volksbegriff vertritt, verstößt gegen die zentrale Garantie des deutschen Grundgesetzes: die Wahrung der Menschenwürde. Hundertfach dokumentiert sind ebenso die engen Verbindungen prominenter Parteimitglieder zu rechtsextremistischen Akteuren und Gruppierungen.
Folgt nach der Neubewertung der AfD durch den Verfassungsschutz jetzt das Parteiverbot?
Nur: Was folgt nun daraus? Das Parteienverbot, das Linke, Grüne und SPD unbeirrt verfolgen, bleibt ein riskantes Unterfangen. Zwar bietet der „Gesichert rechtsextrem“-Stempel neue Möglichkeiten der Observation und des Einschleusens von Spitzeln in die AfD; doch scheiterte das NPD-Verbotsverfahren einst just daran. So könnte es wieder kommen, wenn Richter zu dem Urteil gelangen, dass der Staat mit einem Übermaß an V-Leuten selbst zu viel Einfluss auf das Handeln der Partei nimmt. Und dann? Selbst im Erfolgsfall bliebe die Frage: Was wäre das für eine Demokratie, die ein Viertel der Wählerstimmen für ungültig erklärt? Schon der Versuch käme einem Offenbarungseid nahe.
Ein Verbotsverfahren gegen die AfD wäre ein riskantes und demokratisch fragwürdiges Unterfangen
Der richtige Weg, demokratisch unangreifbar mit der AfD fertigzuwerden, ist, die Probleme zu lösen, die Menschen dazu bringen, ihre Wahlstimme den Rechtsextremen zu schenken. Das ist die historische Verantwortung, vor der CDU, CSU und SPD stehen, wenn die neue Regierung nächste Woche ihre Arbeit aufnimmt. Auf dem Spiel steht die beste Staatsform, die es je auf deutschem Boden gab. (geo)