90. Geburtstag einer Löwen-Legende
Ältere Fußballfans kennen seinen Namen noch: Günter Rahm war früher ein bekannter Fußballer bei den Münchner Löwen. Heute lebt er in Peiting und hat jetzt seinen 90. Geburtstag gefeiert.
Peiting – Es ist kaum zu glauben, aber im Briefkasten der Familie Rahm in Peiting landen praktisch jeden Monat Autogrammkarten mit der Bitte um Signatur. Oft sind es ganz junge Fußballfans, die irgendwie die Adresse herausgefunden haben. Das wäre an sich nichts Ungewöhnliches für einen ehemaligen Spieler der Münchner Löwen. Wenn Günter Rahm, an den die Kärtchen gerichtet sind, nicht 90 Jahre alt wäre und seine Karriere vor 60 Jahren endete.
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In dieser Woche hat der frühere Spitzenfußballer seinen runden Geburtstag gefeiert. Es gab mehrere Kuchen, zubereitet von Tochter und Enkelin, einen Überraschungsbesuch von Peitings Bürgermeister Peter Ostenrieder und eine Reise durch ein Leben, wie man es kein zweites Mal mitbekommen wird.
Vom Kriegsflüchtling zum Fußball-Profi
Günter Rahm war Kriegsflüchtling, B-Nationalspieler der DDR, Erstligaspieler für 1860, Leiter des Agfa-Werkes in Peiting und ist einer dieser Menschen, bei denen sich jeder fragt, wie das alles überhaupt in ein einziges Leben hinein passt.

Wer an der hölzernen Haustür im Peitinger Süden klingelt, wird persönlich empfangen von Günter Rahm und seiner Frau Gisela, die sich kennen, seit sie 24 Jahre alt sind. Er suchte damals eine Wohnung und kannte ihren Bruder aus dem Sportklub. Man traf sich bei einem Krug kalten Tee im Keller, und am nächsten Tag stand er wieder vor der Türe, weil „ihm der Tee so gut geschmeckt hat“, scherzt seine Frau heute.
Solche „Schoten“ ihrer gemeinsamen Geschichte stehen in der großen Biografie des Paares. Ihre Töchter Sabine und Ulrike haben vor Jahren eine Autorin beauftragt, die die Lebenslinien der beiden niederschreiben sollte. Was heraus kam, ist weit mehr als ein Band Familiengeschichte. „Wir waren selbst berührt und bewegt, weil viele Sachen gar nicht zur Sprache gekommen sind“, sagt Ulrike Sauter, die jüngere Tochter.
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Gekickt wurde immer barfuß
Sobald Günter Rahm das Buch mit den vielen Seiten durchblättert, landet sein Finger auf den Bildern aus der Kindheit. Aufgewachsen ist er an der Oder bei Liegnitz in Schlesien, mit fünf Brüdern und einem fußballverrücktem Vater, der als Schneidermeister seinen Kindern die ersten Dressen schneiderte. Die Lederbälle schnürten sie selbst, gekickt wurde immerzu barfuß.

Auch wenn sich über manch Erinnerung von früher ein Nebel gelegt hat, kann Günter Rahm noch von der Flucht erzählen im Januar 1945. Als sie ihren zehn Monate alten Bruder auf dem Schlitten zogen und die Mutter ihnen gestattete, kurz vor dem Aufbruch alle Vorräte aus der Speisekammer zu essen. Ihre neue Heimat hieß Apolda, Thüringen, bald darauf DDR, und wenig überraschend ging es auch dort wieder schnell um Fußball.
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Gefürchtet war sein linker Fuß. Mit 14 Jahren trainierte er schon bei der ältesten Jugend, wechselte bald zu Motor Jena, stieg in die erste Liga auf, wurde Vize-Meister und bestritt ein Länderspiel für die B-Nationalmannschaft. 1958 setzte er sich nach West-Deutschland ab, fing bei den 60ern an – weil die Bayern ihn nicht zum Probetraining einluden.
Pele war „technisch unglaublich“
Über seine Fußballzeit hat man viel geschrieben. Im Internet – etwa auf dem Blog „Giasing International“ – erzählt Günter Rahm en Detail seine Geschichte. Heute spricht er gerne über Uwe Seeler, mit dem er sich im Grünwalder Stadion duellierte. Oder über Pele, den Größten seiner Generation, der mit dem FC Santos zweimal in München antrat. „Der war sehr angenehm im Umgang.“ Im Spiel erlaubte sich der Weltstar ein Späßchen, hob den Ball im hohen Bogen über Günter Rahm und nahm ihn auf der anderen Seite wieder an. „Technisch unglaublich“, schwärmt der torgefährliche Außen.
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Der Fußball hat Rahm stets begleitet. Auch nach Peiting, wo er nach der aktiven Zeit das Agfa-Werk übernahm. Regelmäßig veranstaltete er im Ort Benefizspiele mit seinem Promiklub „FC Schmiere“. Berühmtheiten wie Oscarpreisträger Maximilian Schell, Weltmeister-Schütze Helmut Rahn, Skiass Christian Neureuther und insbesondere Kabarettist Dieter Hildebrandt zählten zu seinen Freunden.
Mit Hildebrandt und seiner Frau verabredeten sich die Rahms regelmäßig in Waldperlach. Heute spazieren sie am liebsten einfach von zuhause los. Der Blick reicht bis in die Berge. Wie sie den Ort zum ersten Mal besuchten, bei schönem Wetter in den 1960ern, sagte Gisela Rahm: „Ach, hier würde es mir auch gefallen.“ Ein Dreivierteljahr später bot Agfa ihrem Mann den Posten in Peiting an.
Einziger Wunsch ist Gesundheit
Ihre Töchter hießen im Ort immer nur „die Mädel vom Rahm“. Man kannte und schätzte ihren Vater. Seine ältere Tochter Sabine durfte gar in der Schulmannschaft mit den Buben kicken als einziges Mädchen. Weil sie offensichtlich das Talent des Vaters einverleibt bekommen hatte – und im ersten Spiel gleich zwei Tore schoss.
Heute leben die Töchter (vier Enkel, ein Urenkel) in München. Zum großen Tag von Günter Rahm kamen sie nach Peiting. Früher hat er seine Geburtstage groß gefeiert. Zum 40er kamen 40, zum 50er dann 50 Gäste. „Dann haben wir reduziert“, scherzt Günter Rahm. Einen einzigen Wunsch hat er zum 90.: Gesundheit. „Auch für die Familie.“
Und auch am Ehrentag signierte er wieder Autogrammkarten, die ihn im blauen Sechzig-Dress zeigen. Einmal Blauer, immer blauer. So besingen es die Fans.