Vom Kriegsende bis zum ersten Kaugummi: Beim Klassentreffen kommen die Erinnerungen hoch

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Motor und Organisator des 1939er-Klassentreffens Helmut Wittmann (5.v.l. mittl. Reihe) mit den jung gebliebenen Schülerinnen und Schüler von damals. Links außen Alfred Kästl, der viel Geschichtliches von Schongau beitragen konnte. © Hans-Helmut Herold

Vor 66 Jahren haben sich die Schüler des Jahrgangs 1939, die kurz nach Kriegsende in der alten Schongauer Knabenschule eingeschult wurden, das erste Mal nach Schulzeitende wieder getroffen. Seit dieser Zeit kommen sie alle fünf Jahre zusammen, um gemeinsam in alten Erinnerungen zu schwelgen.

Schongau – Wenn ein Motor nicht mehr rund läuft oder gar Aussetzer hat, wird selbst das teuerste Auto zur Nebensache. Ein Motor, der seit Jahren immer noch voll auf Touren in Sachen Klassentreffen ist, ist Helmut Wittmann. Seit sich die „Rasselbande von damals“ nach der Schulzeit in alle Richtungen verstreute, setzt es alles daran, alle seine Mitschüler von damals für ein paar gesellige Stunden unter einen Hut zu bringen.

Die Freude, sich nach langer Zeit wieder zu sehen, ist jetzt wieder groß gewesen. Gemeinsam sitzen die Schülerinnen und Schüler von damals an einer langen Tafel in der Gaststätte der MöbelCentrale. Zusammen haben sie damals die Schulzeit gemeistert, zusammen haben sie sich an diesem Tag für ein Essen entschieden: Es gibt Wiener Schnitzel mit Pommes und Salat. Nur bei den Getränken herrscht bunte Vielfalt. Und wer hätte gedacht, dass eine der Schülerinnen von damals sich als erste heute ein Schnäpschen genehmigt?

Das löst die Zunge, lockert die Stimmung. So haben an diesem Tag die Anekdoten Hochkonjunktur. Vor allem beim Durchblättern der vielen Fotoalben, die Wittmann mit netten Randbemerkungen gewürzt hat, werden immer wieder Erinnerungen wach.

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Da witzelt man über die große Trennung von Mädchen und Buben, die um Gottes Willen nicht miteinander die Schulbank drücken durften. Während die Mädchen ihren Unterricht in der Karmeliterstraße, dem heutigen Altenheim der Heiliggeist-Stiftung, besuchten, drückten die Buben weit entfernt in der Bahnhofstraße im heutigen Kindergarten „Regenbogen“, ihre Schulbänke.

Von wegen Tuchfühlung, Augenkontakt oder so, Fehlanzeige. Nur auf dem Schulweg konnte es passieren, dass man seinen heimlichen Schwarm von der Ferne aus erblicken konnte.

Durch den Zuzug von aus ihrer Heimat Vertriebenen und evakuierten Familien, stiegen natürlich die Klassenstärken. „Wir waren über 40 Buben in der Klasse. Trotzdem war für uns alle Platz, und wir lernten etwas“, erinnert sich Wittmann an diese Zeit. Durch dieses nahe „Zusammenrücken“ wurde der Grundstein für viele Freundschaften gelegt.

Lustig zu lesen etwa ist die Einladungskarte zum ersten Klassentreffen im Oktober 1958. „Wir hatten uns den Gasthof ,Haaf‘‘ ausgewählt. Später unter dem Namen ,Eulenspiegel‘ für die Jugend ein beliebter Treffpunkt“, erinnert sich Wittmann. In großen Lettern ist auf der Karte „Klassentreffen mit Ausrufezeichen und Tanz“ zu lesen. Nebenbei ganz klein darunter vermerkt, dass auch Damenbegleitung erwünscht ist. Spätfolgen der Trennung von damals?

1963, also fünf Jahre später, liest sich dann die Einladungskarte schon etwas „familiärer“. Kann es sein, dass es bei manchen der ehemaligen Schülerinnen und Schüler in der Zwischenzeit gefunkt hat? Da ist nicht nur Damenbegleitung erwünscht, da geht die Einladung direkt auch an die Frauen und Bräute. Wittmann womöglich als Kuppler?

Während 1978 noch das fünfte Treffen alleine unter der Regie der „Buben“ ablief, war schon ein Jahr später beim sechsten Treffen die Mischung perfekt. Und das bis zum heutigen Tag.

Auch dunkle Erinnerungen

Doch es waren bei dem Treffen nicht nur lustige Episoden zu hören. Man drehte auch die Zeit zurück und „wachte“ zum Kriegsende auf. Alfred Kästl (85) erinnert sich zum Beispiel immer noch an den Einmarsch der Amerikaner in Schongau. Vor allem an die Sprengung der Lechbrücke und die schnelle Reparatur der daneben liegenden Eisenbahnbrücke, die teilweise zerstört war. „Da wurden Baumstämme unter Schwellen und Geleise gelegt, damit der Verkehr wieder einigermaßen über das Provisorium laufen konnte“, so Kästl.

Auch die Schäden um Peiting hat Kästl nicht vergessen: „Auf dem Schlossberg hatte sich noch die SS verschanzt und sich zur Wehr gesetzt“, erinnert er sich. Deshalb wurde dort gekämpft und viel Schaden angerichtet. Vom ersten Kaugummi, den er von einem amerikanischen Soldaten bekommen hat, schwärmt Kästl dagegen heute noch.

Dass diese lustige Gemeinschaft ihren Humor nicht verloren hat, wurde beim abschließenden Gruppenfoto deutlich. Um alle gemeinsam auf das Bild zu bringen, hat sich ein Teil der Männer auf den Boden gehockt. Nach dem Motto: „Egal wie wir wieder hochkommen, Hauptsache, wir sind mit auf dem Klassenfoto.“

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