„Müssen zu unseren Werten stehen“: Das soll die neue SPD bieten
Die SPD muss und will sich nach dem Debakel bei der Bundestagswahl neu aufstellen. Wir fragten im Landkreis Miesbach, wie sich überzeugte Sozialdemokraten ihre neue SPD wünschen.
Was ist aus der einst so starken, stolzen SPD geworden? Im Zuge der Großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (2005-2009, 2013-2018, 2018-2021) und der gescheiterten Ampelkoalition unter Kanzler Olaf Scholz (2021-2024) verlor die Volkspartei nachhaltig an Zuspruch und Relevanz. Parteichef Lars Klingbeil hat nun eine Neuausrichtung angekündigt: inhaltlich, personell und organisatorisch. Doch wie soll eine neue SPD aussehen?
Die Ergebnisse sind schockierend: 9,07 Prozent im Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen/Miesbach, gar nur 8,76 Prozent im Landkreis Miesbach. Bundesweit 16,4 Prozent. Für Stadt- und Kreisrat Paul Fertl aus Miesbach ist das keine Überraschung: „Die Umfrageergebnisse haben uns ja vorgewarnt. Die Klatsche haben wir gekriegt für die Politik in der Ampel.“ Aber nicht nur. Generell sei „eine Zersplitterung der Parteienlandschaft“ zu beobachten. „Und 28 Prozent für die Union sind auch nicht gerade grandios.“
„Kämpferischer auftreten“
Eine neue SPD sollte laut Fertl ihre sozialen Grundlagen deutlicher machen. „Das zeigen ja die Wahlprogramme, wer für wen Politik macht.“ Das Soziale sei die Lücke. Auch sollte die SPD ihr Programm mit mehr Nachdruck vertreten und vor allem „kämpferischer auftreten: sich klarer auf das Soziale konzentrieren und neue Gesichter bringen.“
Die eigene Arbeit besser ins Licht rücken hält auch Christine Negele für wichtig. Für die Sprecherin der SPD-Kreistagsfraktion aus Tegernsee, wie Fertl eine lang gediente Genossin in der Kreispolitik, sei nicht alles in der Ampel eine Katastrophe gewesen. „Die Erfolge wurden klein berichtet, die Misserfolge groß. Am Ende ist das aber schlecht für die Demokratie.“ Sie sei „fassungslos angesichts der massiven Verluste“. Ihr Fazit aus dem Wahlkampf: „Es ist nicht sinnvoll, über jedes Stöckchen zu springen.“ Vielmehr müsse man den eigenen Themen vertrauen.
„Parteipolitik nicht nur im Willy-Brandt-Haus“
Geht es nach Kreisvorsitzendem Bruno Peetroons, der für seine Partei bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union Augenhöhe anmahnt, sollte die SPD mehr auf ihre Basis hören. Eine Erfahrung, die der Holzkirchner 2023 als Landtagskandidat gemacht hat. „Wichtig ist die kommunale Ebene, die Arbeit vor Ort. Deshalb wünscht er sich unten stärkere Strukturen und einen größeren Anteil beim Geld. „Parteipolitik darf nicht nur im Willy-Brandt-Haus entstehen.“
Auch sei ihm die SPD zu akademisch. „Langfristig müssen wir wieder die Partei der Arbeitnehmer werden.“ Und der Wahlkampf dürfe nicht mehr so altbacken sein. „So erreicht man keine Menschen mehr. Wir müssen Online neu denken.“ Und politisch auf der Kommunalebene überzeugen: Mit mehr SPD-Bürgermeistern wäre die SPD-Politik sichtbarer. Das fördere langfristig den Erfolg der Partei.
„Müssen zu unseren Werten stehen“
Und es sei eine „ehrliche Kommunikation“ nötig: „Bei einer Diskussion mit Landwirten habe ich auch schon mal gesagt: Ich weiß nicht, ob ich für Sie der Richtige bin.“ Denn nur dem Wählerwillen hinterherzulaufen werde langfristig nur der AfD helfen, „aber nicht uns. Wir müssen zu unseren Werten stehen.“
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„Liegengelassene Probleme endlich lösen“
Eine ehrliche Wertediskussion hält auch Negele für überfällig. Denn zentral gehe es darum, die Probleme zu lösen, die die Leute wirklich belasten. „Wir brauchen zum Beispiel endlich bezahlbaren Wohnraum. Wenn wir das nicht schaffen, wird die AfD stärker.“ Eine wirkliche Rentenreform fehle ebenfalls. „Da hat man sich in den vergangenen Jahren auch nicht rangetraut.“ Das müsse aber offen und ehrlich diskutiert und gelöst werden.
Es braucht eine breite Diskussion in der Gesellschaft, findet Negele, „und die SPD muss die Themen setzen“. Denn inhaltlich sei ihre Partei „schon da, wo ich sie haben möchte“. Zuletzt sei die SPD aber „drei Jahre lang der Moderator zwischen FDP und Grünen gewesen. Solange Geld im Topf war, waren beide befriedet. Aber die SPD ist unsichtbar geworden.“ Und zuvor habe unter Kanzlerin Angela Merkel das soziale Denken der CDU der SPD geschadet. Und eines funktioniere definitiv nicht: „Von Wahl zu Wahl denken und dabei die strittigen Themen nicht anfassen.“ Stattdessen brauche es Problemlösungen. „Letztlich ist die Gesellschaft wichtiger als die Partei.“