Frauenverbot auf dem Thron: „Japan wird sich für eine Kaiserin öffnen müssen“
Japans Kaiser wird am Sonntag 65. Wer wird ihm eines Tages nachfolgen? Sein einziges Kind nicht, denn Frauen dürften nicht auf den Thron. Doch das könnte sich bald ändern.
Der Kaiserpalast im Herzen von Tokio ist eine Oase der Stille inmitten des Trubels der japanischen Hauptstadt. Doch nur zweimal im Jahr ist es allen Japanern gestattet, auch die inneren Bereiche der kaiserlichen Gärten zu betreten. Einmal zu Beginn des Neuen Jahres und dann wieder am 23. Februar, dem Geburtstag von Japans Kaiser Naruhito. An diesem Sonntag wird der Tenno, wie der Kaiser in Japan genannt wird, 65. Zum sechsten Mal, seit er 2019 den Chrysanthementhron bestiegen hat, wird Naruhito sich auf dem Palastbalkon zeigen und die Glückwünsche seines Volks in Empfang nehmen. An seiner Seite: seine Frau, Kaiserin Masako, und Prinzessin Aiko, die gemeinsame Tochter.
Nach allem, was man in japanischen Medien liest, ist der japanische Kaiser bei guter Gesundheit; seine Eltern, der emeritierte Tenno Akihito und die emeritierte Kaiserin Michiko, haben beide mehr als 90 Lebensjahre hinter sich, ein Zeichen für gute Gene. Und doch debattiert Japan schon seit Jahren darüber, wer Naruhito eines Tages nachfolgen wird. Denn obwohl die 23-jährige Prinzessin Aiko das einzige Kind des Kaiserpaares ist und überdies äußerst beliebt im Volk: Sie wird wohl nie auf dem Chrysanthementhron Platz nehmen. Und das nur, weil sie eine Frau ist.
Thronfolger für Japans Kaiserhaus steht fest: „Das Thema war abgeräumt“
Japans Kaiserhaus blickt auf mehr als 2600 Jahre Geschichte zurück, im Jahr 660 vor Christus soll der legendäre Kaiser Jimmu die Linie begründet haben, als direkter Abkömmling der Sonnengöttin Amaterasu. So zumindest will es die Legende. „Immer wieder gab es seitdem auch weibliche Tennos“, sagt Gabriele Vogt, Professorin für Japanologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Erst seit Ende des 19. Jahrhunderts verbietet ein Gesetz die weibliche Thronfolge. Als gottgleich und unfehlbar gilt der Tenno heute zwar nicht mehr – ein Mann aber muss er noch immer sein.
Vor ein paar Jahren sah es so aus, als könnte bald Schluss sein mit der männlichen Dominanz auf dem japanischen Thron. Im Dezember 2001, nach acht Jahren Ehe, hatte Masako Tochter Aiko zur Welt gebracht. Weil auf Aiko kein Sohn folgte, erwog die japanische Regierung, die weibliche Thronfolge zuzulassen.
Dann aber bekamen Naruhitos jüngerer Bruder Fumihito und dessen Ehefrau Kiko einen Sohn, Hisahito, heute 18 Jahre alt. Seitdem gilt die männliche Thronfolge als gerettet – und von einer möglichen Kaiserin Aiko war keine Rede mehr. „Das Thema war abgeräumt“, sagt Japan-Expertin Vogt. Vor allem in der rechtskonservativen Regierungspartei LDP, die seit 1955 fast ununterbrochen den japanischen Premierminister stellt, seien viele froh gewesen, dass sich das Thema quasi von selbst erledigt hatte.
Für die meisten Japaner wäre eine Kaiserin kein Problem
Dabei können sich Umfragen zufolge die allermeisten Japaner eine Frau auf dem Chrysanthementhron durchaus vorstellen. Und auch international gibt es Kritik daran, dass die japanischen Gesetze Frauen von der Thronfolge ausschließen. So forderte im vergangenen Oktober das UN-Komitee zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen, die „Gleichheit von Frauen und Männern in der Thronfolge“ zu gewährleisten. Aus Protest gegen dieses Plädoyer für eine Kaiserin stellte Tokio vor wenigen Wochen die Finanzierung des Komitees ein.
Nicht nur in Sachen Kaiserthron ist Japan nicht unbedingt ein Wegbereiter für die Gleichberechtigung von Frauen. Der „Global Gender Gap Report“ des Weltwirtschaftsforums, der Geschlechterungleichheit misst, führt Japan bei der politischen Partizipation von Frauen auf einem sehr schlechten 113. Platz. Auch im Wirtschaftsleben herrscht in Japan eine große Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, der „Gender Gap Report“ listet das Land bei der wirtschaftlichen Teilhabe und Chancengleichheit auf Platz 120.
„Das liegt vor allem daran, dass es für Frauen in Japan extrem schwierig ist, Arbeit und Privatleben zu vereinbaren“, sagt Gabriele Vogt. „Die Care-Arbeit liegt fast ausschließlich bei den Frauen“, Kita-Plätze gebe es viel zu wenige. „Die Folge ist: In der Politik und in der Wirtschaft findet man in Spitzenämtern quasi keine Frauen.“ So gab es in Japan noch nie eine Regierungschefin, auch die Langzeit-Regierungspartei LDP wurde bislang nur von Männern angeführt. Gleichzeitig ist die Geburtenrate in Japan extrem niedrig, im Schnitt bringt eine Frau nur 1,2 Kinder zur Welt. Auch das Kaiserhaus schrumpft.
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„Irgendwann wird sich Japan für eine Kaiserin öffnen müssen“
Shigeru Ishiba, seit Oktober neuer Premierminister und für LDP-Verhältnisse geradezu progressiv, war eigentlich angetreten, um die Rolle der Frau in Japan zu stärken. Im Wahlkampf hatte sich Ishiba etwa dafür starkgemacht, dass Frauen nach einer Heirat künftig ihren Familiennamen behalten dürfen, statt den des Mannes annehmen zu müssen. Doch das Vorzeigeprojekt verlief schnell im Sande, zu stark sind in der Partei die erzkonservativen Kräfte. Auch eine erneute Debatte über eine Frau auf dem Kaiserthron scheint vor diesem Hintergrund derzeit nur schwer denkbar.
Japan-Expertin Vogt glaubt dennoch, dass das Land früher oder später wieder an einem Punkt ankommen wird, wo eine solche Diskussion unausweichlich ist. Dann nämlich, wenn Hisahito, der jetzt 18-jährige Kronprinz, keinen Sohn zeugen sollte. „Irgendwann wird sich Japan für eine Kaiserin öffnen müssen“, sagt Vogt. Nur so habe das Kaiserhaus langfristig eine Zukunft.