„Advent will aufrütteln“: Tipps von Pfarrer Schießler für ein Weihnachten ohne Stress

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„Wirklich die wichtigste Zeit des Jahres“: Pfarrer Rainer Maria Schießler bringt mit Werdenfelser Musikanten um Elisabeth Rehm die „Heilige Nacht“ nach Weilheim © Veranstalter

Der bekannte Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler kommt zu einer besonderen Weihnachtslesung nach Weilheim. Warum er solche Auftritte so liebt, verrät er in unserem Interview.

Weilheim – Er ist bekannt als Kirchenmann mit unkonventionellen Ansichten, die er auch in Büchern, Talkshows und zahlreichen Interviews kundtut. Und er pflegt als Stadtpfarrer von St. Maximilian und von Heilig-Geist am Viktualienmarkt mitten in München einen ganz eigenen Stil, lässt zum Beispiel an Heiligabend mal einen DJ auflegen und schenkt Sekt aus – schließlich wird der Geburtstag Jesu gefeiert. In der Weilheimer Stadthalle gastiert Pfarrer Rainer Maria Schießler am 10. Dezember mit einer Aufführung von Ludwig Thomas Weihnachtslegende „Heilige Nacht“, begleitet vom „Werdenfelser Dreigsang“ um die bekannte Volksmusik-Moderatorin Elisabeth Rehm und Rupert Biegel samt Familienmusik mit alpenländischen Liedern, Jodlern und Weisen. Im Interview verrät Pfarrer Schießler (65), warum er diese Auftritte so liebt und was für ihn das Geschenk von Weihnachten ist.

Warum die „Heilige Nacht“ von Ludwig Thoma? Was mögen Sie an dieser Weihnachtsgeschichte?

Es sind für viele Zuhörer gerade die letzten Zeilen, die das wesentliche Anliegen, die Absicht der Heiligen Nacht bei Thoma wiedergeben: „Und fragt’s enk, ob dös nix bedeut’, daß’s Christkind bloß Arme g’sehg’n hamm.“ Hier ist „arm“ nicht materiell gemeint. Josef hätte auf der Flucht nie an ein Wirtshaus geklopft, hätte er nicht bezahlen können. Arm bei Thoma heißt vielmehr: ausgestoßen zu sein, Vorurteilen ausgesetzt zu sein, keinen Wert in der Gesellschaft zu haben – diese Armut ist gemeint. Sie aber wird in dem Stück überwunden von sehr einfachen und bewundernswerten, ganz unterschiedlichen Menschen. Da ist das heilige Paar Maria und Josef, der Handwerksbursch, die Hirten und der Zimmerwirt. Mein ganz persönlicher Höhepunkt ist die Szene, in der Josef zutiefst erschüttert ist, völlig aufgelöst weint, weil sie beim Verwandten Josias abgewiesen werden. Da tröstet ihn Maria. Das ist die intimste Szene zwischen den beiden. Da könnt‘ ich beim Vortragen mitweinen. Denn das ist der weihnachtlichste Moment! Weihnachten heißt, den Mensch trösten, in seinem Leid, seiner Not, seinem Abgewiesensein. Auf Menschen zugehen, um sie in den Arm zu nehmen. Das ist für mich der Kern: Warum kommt Gott in diese Welt? Um mir in meiner Not ganz nah zu sein!

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In diesen Wochen wird diese Geschichte ja vielerorts gelesen, auch viele bekannte Schauspieler treten damit auf. Was ist das Besondere an Ihrer Aufführung?

Von Anfang an lese ich nicht einfach vor. Vielleicht vergleiche ich es mit einem Musiker, einem Pianisten am Klavier. Der wird auch sagen, dass er nicht nur Noten von einem Blatt spielt. Er interpretiert ein Stück und bei ihm klingt dann ein Werk von Händel oder Beethoven eben anders als beim Kollegen. Ich möchte interpretieren, ich bereite die Menschen darauf vor in der Begrüßung, ich schicke sie am Ende mit der einen oder anderen Erkenntnis nach Hause in ihre Weihnacht und ich spiele die einzelnen Charaktere, die Verzweiflung des Josef, die Aufmunterung und das Vertrauen der Maria, die liebevolle Hingabe der Hirten. Da gehe ich an manchen Stellen wirklich ganz aus mir heraus und ich liebe diese Momente sehr.

Dabei hätten Sie auch ohne solche Gastspiele wahrscheinlich genügend Termine im Advent, oder?

Man hat immer so viel Zeit, wie man sich nimmt, haben wir zum Berufseinstieg erfahren. Ja, du musst dich richtig organisieren, deine Arbeit einteilen und planen, heute erledigen, was möglich ist, und nicht auf morgen verschieben, rechtzeitig mit den Vorbereitungen auf Weihnachten anfangen und nicht alles auf den letzten Drücker tun. Dann klappt das, und ich genieße die abendlichen Stunden bei den Menschen in ganz Bayern! Für mich ist das eher erhebend als noch mehr Mühlwerk, das mich erdrücken könnte. Ganz im Gegenteil, es ist meine ganz persönliche und intensivste Vorbereitung auf das Weihnachtsfest geworden.

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Was ist Ihnen persönlich im Advent besonders wichtig? Gestalten Sie diese Zeit anders als andere Wochen?

Der Advent ist für mich wirklich die wichtigste Zeit des Jahres. Da kommt einer auf mich zu, was ja Advent übersetzt heißt, und ich darf ihn bald empfangen. Es gilt etliches dafür zu tun. Nur herumsitzen ist nicht, aber genießen, das muss sein. Ich freue mich doch auf sein Kommen zu mir. Kann man mir diese Freude ansehen? Genau das will ich aber! Advent will mich aufrütteln, pushen und anstoßen, in Bewegung bringen, mich bereit machen für echte und gute Begegnungen, mir helfen, wirklich den Menschen im anderen neu zu entdecken! Das unterscheidet diese Tage vom restlichen Jahr. Am Ende steht das große Finale, eine echte göttliche Überraschung: Wir finden ein Kind, uns selbst, den Menschen halt.

Und was wäre Ihr Rat für Menschen, denen die Zeit im Advent davonläuft?

Da läuft nichts davon! Die Gefahr ist viel mehr, dass man etwas vertreibt, verjagt. Am Ende steht man vielleicht mit vielen Dingen da, weiß aber nichts damit anzufangen. Geschenke ohne Ende, aber warum schenken wir eigentlich? Festtagsbraten, aber warum feiern wir eigentlich? Verwandtenbesuche ohne Ende, aber warum gerade jetzt? Wenn ich aber um all diese Warum weiß, macht alles noch viel mehr Sinn, darf ganz einfach daherkommen, wie ein kleines Kind eben, darf mein Herz berühren. Geschenke müs㈠sen nicht mehr großmächtig sein, das Essen darf einfach sein und ist trotzdem lecker, und die Begegnungen sind keine Stressmomente, sondern werden zu Herzensangelegenheiten. Das will ich den Menschen unermüdlich nahebringen.

Karten

für die Lesung „Heilige Nacht“ mit Pfarrer Schießler am Mittwoch, 10. Dezember, 20 Uhr, in der Stadthalle Weilheim gibt es online unter www.zuenftick.de, unter Telefon 089/54 81 81 81 sowie vor Ort in der Gärtnerei Ferchl in Weilheim.