Fanfaren zum Abschied: Nach fast 100 Jahren schließt legendärer Laden in Oberbayern

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Der Spielmanns- und Fanfarenzug zog vor den Laden „nah&gut“ und spielte mehrere Abschiedsständchen. © Ralf Scharnitzky

Die Familie Gretschmann gibt ihr Geschäft aus wirtschaftlichen Gründen auf. Ein Schreibwaren- und Blumenladen wird die Räume übernehmen.

Mit Pauken und Trompeten wurde in Huglfing eine Institution geschlossen: der Einkaufsladen „nah&gut“ in der St.-Johann-Straße. Seit fast 100 Jahren gab es das Geschäft, die vergangenen 40 Jahre haben Andreas und Gabriele Gretschmann den kleinen Supermarkt in dritter Generation geführt. Ende November war Schluss – und die Huglfinger verabschiedeten die „Gretschis“ gebührend.

Blumen und ein Geschenk der Gemeinde bekamen Andreas und Gabriele Gretschmann von Bürgermeister Markus Huber (l.) und seinem Vize Richard Listle.
Blumen und ein Geschenk der Gemeinde bekamen Andreas und Gabriele Gretschmann von Bürgermeister Markus Huber (l.) und seinem Vize Richard Listle. © Ralf Scharnitzky

Während drinnen im Laden noch einige Stammkunden einkauften, nahmen andere im Geschäft bei einem kleinen Umtrunk bereits Abschied. Auf zwei Schaufenster-Scheiben stand geschrieben: „Eine Legende verlässt das Gelände. Gretschi mir wern di vermissn.“ Schon früh um 6 Uhr konnten Handwerker dort bereits Brotzeit kaufen und der Laden war stets Treffpunkt für einen Ratsch, Jahrzehntelang war der Laden auch Anlaufpunkt beim jährlichen Neujahrsanspielen.

Etwa 100 Meter entfernt machte sich die „Überraschung“, so Andreas Gretschmann später, bereit: Einige Honoratioren wie Bürgermeister Markus Huber und sein Vize Richard Listle trafen sich, um gemeinsam mit dem Spielmanns- und Fanfarenzug Huglfing vor das Haus ziehen, in dem mehrere Generationen mit Lebensmitteln versorgt worden sind. Die beiden Ladenbesitzer standen gerührt in der Tür und lauschten den Abschiedsständchen.

Zwei Tage nach der kleinen Abschiedsfeier räumt Gretschmann den Laden aus. Nun muss renoviert werden für den Nachmieter. Für die „Gretschis“ hat sich der Laden nicht mehr gerechnet: „Wenn es nurmehr Nullrunden sind, muss man die Reißleine ziehen.“ Auch die zunehmende Bürokratie und die Digitalisierung im Verkauf und im Büro seien ihm zu viel geworden: „Man hat nicht mehr so viel Spaß“, erzählt er.

Sein Großvater hatte den Laden 1932 eröffnet, später hat ihn sein Vater weitergeführt, der Sohn hat ihn 2008 übernommen. Gearbeitet hat der 59-Jährige aber bereits nach seiner Ausbildung in Augsburg zum Einzelhandelskaufmann und Verkaufsmetzger in Augsburg im Markt. Damals, vor 40 Jahren, „hab ich noch ins Geschäft einsteigen müssen. Das macht man heute ja nicht mehr so“, erinnert er sich.

Seine beiden Kinder haben andere Berufe, und auch wirtschaftlich würde sich ein Weiterbetrieb nicht mehr lohnen: „Seit es den großen Edeka-Markt im Dorf gibt, kamen vor allem nurmehr die Stammkunden von früher.“ Die neu Zugezogenen und die jüngere Generation hätten keinen Bezug mehr zu seinem Geschäft. „Wenn unsere älteren Stammkunden verstorben sind, dann haben wir das schon gemerkt“, so der 59-Jährige.

„Wir werden diesen Laden und die ,Gretschis‘ sehr vermissen“, meinte Bürgermeister Huber bei der kleinen Abschiedsfeier, zu der Ladenbesitzer Gretschmann die Musiker mit den Worten eingeladen hatte: „Kimmts einfach eini, oder kaufts auch was.“

Nachmieter ist bereits gefunden

Jetzt wird renoviert und umgebaut. Im Sommer kommt ein Nachmieter, der mit seinem Geschäft derzeit etwas außerhalb des kleinen Zentrums untergebracht ist. „Glücklicherweise wird der Schreibwaren- und Blumenladen der Familie Eschke in diese Räumlichkeiten umziehen, sodass unser Dorfkern weiterhin lebendig bleibt“, meinte Huber erleichtert im Gespräch.

Von Ralf Scharnitzky