Neue Studie - An unsere Kindheit können wir uns kaum erinnern - jetzt finden Forscher heraus, warum
Die meisten Menschen haben keinerlei Erinnerungen an ihre ersten zwei bis drei Lebensjahre. Auch danach ist vieles nur noch verschwommen. Fachleute sprechen dabei von infantiler Amnesie, also einem Erinnerungsverlust in der frühen Kindheit.
Lange Zeit glaubten Forscher, dass das Gehirn in diesem Alter einfach noch nicht reif genug sei, um Erlebnisse dauerhaft abzuspeichern.
Erinnerungen aus unserer Kindheit bleiben verschwommen
Doch diese Erklärung reicht offenbar nicht aus. Laut dem Standard können schon sechs Monate alte Babys erste Erfahrungen abspeichern. Sie erinnern sich zwar nicht bewusst, aber ihr Verhalten zeigt, dass Eindrücke im Gedächtnis geblieben sind.
Das legt nahe, dass unser Gehirn früh beginnt, Informationen zu speichern, nur gelingt es uns später oft nicht, sie abzurufen.
Erzählen von Erlebnissen festigt Erinnerungen im Gehirn
Wie gut man sich an seine frühe Kindheit erinnern kann, hängt auch vom sozialen Umfeld ab. In Kulturen mit starker Erzähltradition wie bei den Māori in Neuseeland erinnern sich Menschen laut dem Standard oft schon ab einem Alter von zweieinhalb Jahren. In westlichen Ländern liegt diese Grenze eher bei dreieinhalb Jahren, in China sogar bei vier Jahren.
Fachleute vermuten, dass das Erzählen von Erlebnissen dabei hilft, Erinnerungen im Gehirn zu festigen. Auch das Sprechenlernen scheint eine wichtige Rolle zu spielen. Wenn Kinder ihre Erfahrungen in Worte fassen, verankern sie diese womöglich besser.
Foto-Test mit Babys überrascht Forschende
En Forschungsteam der Yale University entwickelte nun eine Methode, mit der sich Erinnerungen bei Babys erfassen lassen, ganz ohne Sprache. Die Wissenschaftler zeigten Babys Bilder von unbekannten Gesichtern und Gegenständen.
Später bekamen die Kinder das bereits gezeigte Bild noch einmal, zusammen mit einem neuen. Wenn ein Baby das vertraute Bild länger anschaute, werteten die Forscher das als Zeichen dafür, dass es sich daran erinnerte.
Gleichzeitig untersuchten sie mit einer speziellen Hirn-Scan-Methode, wie aktiv bestimmte Bereiche im Gehirn dabei waren. Im Fokus stand der sogenannte Hippocampus, ein Teil des Gehirns, der für das Speichern von Erinnerungen zuständig ist. Dabei stellten sie fest, dass besonders bei Babys ab zwölf Monaten der Hippocampus deutlich aktiv war.
Abrufen von Erinnerungen ist das Problem
Die stärkste Aktivität zeigte sich im hinteren Teil des Hippocampus. Das ist genau die Region, die bei Erwachsenen für sogenannte episodische Erinnerungen zuständig ist, also für persönliche Erlebnisse, an die man sich bewusst erinnern kann.
Das spricht dafür, dass auch Babys solche Erinnerungen abspeichern können, selbst wenn sie später nicht mehr abrufbar sind.
„Wenn Babys etwas schon einmal gesehen haben, gehen wir davon aus, dass sie es sich genauer ansehen, wenn sie es wieder erkennen“, erklärte Studienleiter Nick Turk-Browne laut dem Standard. Er vermutet, dass das Problem eher beim Abrufen als beim Speichern liegt.
Studie erntet auch Kritik
Die Idee lautet: Erinnerungen aus der frühen Kindheit bleiben im Gehirn vorhanden, doch es fehlt ein zuverlässiger Weg, sie wieder ins Bewusstsein zu holen. Das könnte erklären, warum wir Erlebnisse aus dieser Zeit später vergessen.
Tierstudien zeigen, dass Erinnerungen manchmal durch gezielte Reize im Gehirn wieder aktiviert werden können. Sie waren also nie ganz verschwunden.
Allerdings gibt es auch Kritik an der neuen Studie. Pamela Banta Lavenex von der FernUni Schweiz lobt zwar die Methodik, warnt aber davor, daraus zu schließen, dass Babys wirklich echte Erinnerungen bilden.
Auch Flavio Donato von der Universität Basel merkt an, dass in der Studie nur kurzfristiges Erinnern untersucht wurde. Was langfristig mit diesen Erinnerungen geschieht, sei weiter unklar.
Neue Untersuchungen nach dem ersten Lebensjahr nötig
Laut Donato wäre es spannend zu untersuchen, was sich im Gehirn ab dem ersten Lebensjahr verändert. Offenbar entstehen dann neue Verbindungen, die es dem Gedächtnis ermöglichen, dauerhaft zu funktionieren.
Die Studie wirft viele neue Fragen auf, aber lenkt den Blick auch auf ein Thema, das lange als Rätsel galt: Warum wir unsere Kindheit vergessen.
Bild: © Pexels
Von Malena Enders
Das Original zu diesem Beitrag "Niemand erinnert sich an seine ersten Lebensjahre – Forscher wollen wissen, warum" stammt von Smart Up News.