„Kein Markt sollte so wichtig sein, dass er unersetzbar ist“ –Deutsche Unternehmen suchen nach neuen Partnern
US-Präsident Donald Trump hat die Strafzölle für andere Länder ausgesetzt. Ein Firmenchef aus dem Metallrecycling fordert nun Reformen von der EU – und mehr Freihandelsabkommen.
Hamburg – Am Ende hat US-Präsident Donald Trump doch eingelenkt und die Strafzölle auf US-Importe am Mittwoch (9. April) ausgesetzt: Zwischenzeitlichen war es zu einem fatalen Börsencrash und Ausverkäufen am Markt für US-Staatsanleihen gekommen – Ökonomen und Verbände hatten sogar vor einer Rezession in den USA (und der Welt) gewarnt. Die nun beschlossene 90-tägige Aussetzung der Zölle scheint auch für die deutsche Wirtschaft ein Worst-Case-Szenario abgewendet zu haben – zumindest vorerst.
Deutsche Aluminum- und Stahlexporte im Fokus der US-Regierung – Trumps Zölle „problematisch“
Im Fokus der Maßnahmen des US-Präsidenten standen unter anderem auch Aluminium- und Stahlimporte – und damit auch das Geschäft des weltweit tätigen Recyclingunternehmens European Metal Recycling (EMR). Murat Bayram, Geschäftsführer von EMR Deutschland und Leiter Metallrecycling Europa, hat die kurze Unsicherheit der Branche rund um die Einfuhrzölle unmittelbar miterlebt. EMR ist an über 150 Standorten aktiv, mehr als 60 davon in den USA. Für Bayram waren die Einfuhrzölle problematisch, und spielten doch nur eine untergeordnete Rolle – denn ändern ließen sich solche staatlichen Schritte ohnehin nicht. Im Interview richtet er stattdessen einen deutlichen Appell an die EU und fordert grundlegende Reformen.
Unternehmer zu US-Strafzöllen: „Entfalten ihre Wirkung entlang der gesamten Wertschöpfungskette“
Herr Bayram, trotz der nun verkündeten Zollpause – wie bewerten Sie als Geschäftsführer von EMR die Strafzölle, die Donald Trump zuletzt gegen die EU verhängt hat?
Für uns als global tätiger Recycler sind solche Zölle hoch problematisch – und das gilt nicht nur für diejenigen aus den USA. Jeder Eingriff in den freien Handel erschwert unsere Arbeit. Wir bereiten metallische Rohstoffe auf, sortieren sie und führen sie wieder dem Wirtschaftskreislauf zu. Wenn dieser Fluss durch Handelshemmnisse gestört wird, wie etwa durch Strafzölle, dann entstehen Rückstaus. Diese Zölle wirken wie neue Dämme, die wir mühsam umgehen müssen – zu Lasten der Effizienz, der Wirtschaftlichkeit und am Ende auch der Verbraucher.
Haben Sie mit diesem Schritt gerechnet – oder kam er für Sie überraschend?
In gewisser Weise haben wir mit der Einführung neuer Zölle gerechnet – es war ja absehbar, dass sich die Handelsbeziehungen erneut verschärfen könnten. Wir hatten dennoch gehofft, dass es vorab noch zu einer Einigung kommt, gerade weil recycelte Rohstoffe eine andere Rolle spielen als Primärmaterialien. In unserer Branche geht es um Nachhaltigkeit, nicht um klassischen Industrieprotektionismus. Dass nun auch Sekundärrohstoffe in diesen Konflikt hineingezogen werden, ist enttäuschend – zumal sich sowohl der europäische Verband EuRIC als auch die deutschen Verbände BGA und VDM sowie der amerikanische Verband ReMA stets für die Bedeutung offener Märkte für die Metallrecyclingwirtschaft ausgesprochen haben.
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Welche konkreten Auswirkungen hätten diese Zölle auf Ihr operatives Geschäft gehabt – etwa im transatlantischen Handel mit Aluminium oder Stahlschrotten?
Die Zölle entfalten natürlich ihre Wirkung entlang der gesamten Wertschöpfungskette – ein Beispiel: Wenn durch die zollbedingten Preisaufschläge etwa weniger deutsche Autoteile oder Fahrzeuge in die USA exportiert werden und die Nachfrage wegen des Preisanstieges abfällt, sinkt auch das Produktionsvolumen der Firmen – und damit der Bedarf an Rohstoffen wie Aluminium oder Stahl. Unsere Schmelzwerke drosseln daraufhin ihre Aufträge, sodass auch unsere recycelten Rohstoffe weniger nachgefragt werden. Neue Absatzmärkte lassen sich nicht von heute auf morgen erschließen. Jede Maschine ist auf bestimmte Qualitäten programmiert – ein Wechsel kostet Zeit und erfordert Investitionen.
EMR ist auch in den USA stark präsent – mit über 60 Standorten. Wie wirkt sich ein derartiger Handelskonflikt auf die Zusammenarbeit innerhalb des Konzerns aus?
Wir sind weltweit eng vernetzt und analysieren laufend die Entwicklungen – das gilt für unseren Konzernverbund, aber auch für die Branche insgesamt. Laut VDM sind auch die Sorgen bei unseren US-amerikanischen Kolleginnen und Kollegen aktuell groß: 2024 haben die USA rund 40.000 Tonnen Aluminiumschrott in die EU exportiert – im Gegenzug gelangten nur etwa 10.000 Tonnen aus Europa in die USA. Sollte die EU nun mit Gegenzöllen reagieren, würde das die US-Wirtschaft in diesem Bereich empfindlich treffen – diese Szenarien gelten auch für viele andere Branchen.
Strategie gegen Protektionismus: Diversifizierung, Handelsabkommen und Bürokratieabbau
Wie könnten die Ausfälle am US-Markt durch andere Weltregionen ersetzt werden?
Ich glaube nicht an das Entweder-oder-Prinzip. Kein Markt sollte so wichtig sein, dass er unersetzbar ist – aber auch keiner so unwichtig, dass man ihn leicht aufgeben kann. Wir sind als Unternehmen sehr stark diversifiziert. Natürlich sprechen wir mit Partnern in Asien, der Türkei oder Indien. Aber neue Marktbeziehungen entstehen nicht per Doppelklick. Dafür braucht es Vertrauen und Zeit und auch die passenden wirtschaftspolitischen Voraussetzungen – besonders in unserer Branche, wo die Abnehmer langfristig planen.
Was wäre aus Ihrer Sicht die richtige Antwort auf die Strafzölle der US-Seite gewesen – und worauf sollte Europa künftig setzen?
Es bringt wenig, sich über Dinge aufzuregen, die man nicht beeinflussen kann. Wir konzentrieren uns auf das, was wir steuern können: gute Partnerschaften, belastbare Lieferketten, flexible Strategien. Zudem setzen wir auf Dialog – mit unseren Kunden, innerhalb der Branche und auch mit der Politik. Auf diesen Konsens sollte sich auch die internationale Politik besinnen. Protektionismus mit Protektionismus zu beantworten, wäre der größte Fehler. Das schadet am Ende beiden Seiten. Stattdessen braucht es mehr Freihandelsabkommen, gezielte Partnerschaften auf Staatsebene mit Ländern wie Indien oder der Türkei – und vor allem einen echten Bürokratieabbau. Wenn es einen Wind der Veränderung gibt, sollte Europa Windmühlen bauen, nicht Mauern. Denn ohne offene Märkte funktioniert die Wirtschaft nicht – insbesondere die Kreislaufwirtschaft. (Interview: Mark Simon Wolf)