Exklusiver Atom-Deal mit Tschechien? Experte zerreißt Söders Pläne für Bayern

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CSU-Chef Markus Söder plant einen exklusiven Atomstrom-Deal mit Tschechien – doch ein Experte bezweifelt, ob das rechtlich überhaupt haltbar ist.

München/Prag – Vor rund 13 Jahren ebnete Deutschland den Weg zum Atomausstieg. Es war die Union-FDP-Koalition unter Angela Merkel (CDU), die im Juni 2011 den endgültigen Beschluss fasste. Doch einer der ersten Ausstiegs-Pioniere in den Reihen der Konservativen war ein anderer: Markus Söder, damals noch bayrischer Umweltminister. Heute bereue er diesen Vorstoß zwar nicht, so beteuert er es. Und dennoch hat sich seine Position fundamental geändert: So plant Bayerns Ministerpräsident nun, am Donnerstag (12. Dezember) während seiner Osteuropa-Tour einen exklusiven Vertrag mit dem tschechischen Regierungschef Petr Fiala auszuhandeln. Dieser soll Bayern eine privilegierte Lieferung von Atomstrom zusichern – ein Söder’scher Sonderweg, den er als essenziell für die Energieversorgung des Freistaats darstellt.

Experte kritisiert Söders Plan als „weder technisch noch marktlich noch rechtlich“ umsetzbar

Felix Matthes, Forschungskoordinator Energie- und Klimapolitik am Öko-Institut, hält dagegen wenig von Söders Vorschlägen. „Es geht nicht: weder technisch noch marktlich noch rechtlich“, erklärt der Energieexperte gegenüber der Deutschen Presseagentur und verweist dabei auf die Regelungen des EU-Strommarktes. Diese ließen einen exklusiven An- und Verkauf nicht zu. Tatsächlich dürfte ein Exklusivvertrag, abseits der Richtlinien, schwierig sein: Der europäische Strommarkt funktioniert wie eine Art Basar, auf dem Anbieter und Nachfrager von Strom zusammenkommen. Je nach Bedarf oder Verfügbarkeit in- und exportieren die EU-Länder den Strom untereinander – dieser Mechanismus hält den Preis stabil. Außerdem soll dadurch verhindert werden, dass die Länder jederzeit günstigen Strom zur Verfügung haben, wenn die eigene Produktion gerade brachliegt.

Ministerpräsident Markus Söder
Markus Söder will mit Tschechien einen Exklusivvertrag für Atomstrom aushandeln. © Felix Hörhager/dpa

Strompreise werden am EU-Markt gehandelt – und nicht in politischen Hinterzimmern

So importierte Deutschland 2023 in den Sommermonaten günstigen Atomstrom aus Frankreich, versorgt das Nachbarland aber seinerseits regelmäßig im Winter. Auch zuletzt im Winter 2022/23, als ein Großteil der französischen Atomkraftwerke wegen Wartungsarbeiten und Störungen stillstanden. Neben Frankreich (2,1 TWh) bezog Deutschland in der Vergangenheit den Großteil seines importierten Atomstroms von Tschechien – was mit 2,7 TWh rund 0,5 Prozent der deutschen Stromerzeugung entspricht. Diese Praxis am EU-weiten Strommarkt hebt auch Matthes hervor: „Preise und Mengen werden letztlich an der Strombörse ausgehandelt. Auch die grenzüberschreitenden Leitungskapazitäten werden konsequent marktlich bewirtschaftet.“

Söder sieht seinen Vorstoß dagegen eher als Maßnahme für mehr Sicherheit der bayrischen Energieversorgung: „Wir wollen eine mögliche Nutzung von tschechischer Kernkraft für unseren Strommarkt ausloten, um eine bessere Versorgung zu gewährleisten und das Netz zu stabilisieren – etwa in Form einer privilegierten Stromabnahme“, hatte er vor der Reise angekündigt.

Experte: „Söder’schen Markteingriffs-Fantasien“ wären ohnehin nicht legal

Dieses Vorgehen kritisiert Matthes deutlich, immerhin seien Stromlieferungen kein Ergebnis „irgendwelcher politischer Absprachen“. Diese „Söder’schen Markteingriffs-Fantasien“ würden die europäischen Institutionen ohnehin umgehend verbieten. Bereits im November hatte Söder immer wieder vor Versorgungsengpässen in Deutschland gewarnt – und etwa die Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerks Isar 2 (KKI2) bei Landshut gefordert. Energie-Experten hatten deutliche Kritik an diesem Vorstoß geäußert. Energieökonomin Claudia Kemfert betitelte eine Rückkehr zur Atomenergie gegenüber IPPEN.MEDIA gar als „energiewirtschaftlichen Wahnsinn“.

Söder sieht hingegen den Ausstieg im Nachhinein als „fundamentalen Fehler“, heute seien die Zeiten schließlich anders als 2011. Diesen Fehltritt will er nun mithilfe der tschechischen Atominfrastruktur auffangen.

Bayern blockiert „Südlink“ – und bezieht Strom aus dem Norden über Polen und Tschechien

Bayerns Vorstoß für einen Atomstrom-Deal ist vermutlich auch eine Konsequenz aus der verzögerten Stromtrasse Südlink. Die bayrische Landesregierung hatte die Verbindung zwischen Nord- und Süddeutschland jahrelang blockiert, obwohl diese künftig für stabilere Stromtransporte sorgen dürfte. Der Bau begann somit erst im September 2023 – sieben Jahre später als geplant. In der Zwischenzeit musste Windstrom aus dem Norden über Umwege durch Polen und Tschechien nach Bayern fließen. Dabei stiegen nicht nur die Netzentgelte, sondern auch die Belastung der Nachbarländer: Polen und Tschechien reagierten mit sogenannten Phasenschiebern, die den Stromdurchfluss begrenzen können.

„Wenn wir Südlink schon hätten, hätte Polen weniger Probleme mit deutschem Transitstrom“, erklärt Bruno Burger, Senior Scientist am Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (ISE), gegenüber dem Handelsblatt.

Grüne sehen „Irrfahrt in die energiepolitische Vergangenheit“ – Söder die Zukunft

Tschechien plant dagegen bereits seit Längerem den Neubau sogenannter SMR (Small Modular Reactors) – zu Deutsch: Mini-Atomkraftwerke – sowie größerer Kraftwerke nahe der Städte Temelín und Dukovany. Starten sollen die Bauarbeiten allerdings erst 2029 – wodurch die Alternative durch Südlink ohnehin früher verfügbar sein könnte. Zudem dürfte der Preis für die Energie aus Wind, Solar und Co. am Strommarkt deutlich günstiger sein, da Erneuerbare Energien dort ein Vorzugsrecht gegenüber fossilen Energieträgern genießen.

Politisch ließen die ersten Reaktionen nicht lange auf sich warten: Die Landtagsfraktion der Grünen in Bayern bezeichnete Söders Vorstoß als „Fiasko“. Demnach sei speziell das AKW Temelin aufgrund gravierender Zwischenfälle kein sicherer Energieträger. Der bayrische Ministerpräsident sei mit seinen Plänen auf einer „Irrfahrt in die energiepolitische Vergangenheit“.

Söder sieht das erwartungsgemäß anders und versicherte optimistisch: „Das wird, glaube ich, sehr konkret werden. Und das, denke ich, tut uns gut, weil bezahlbare und klimafreundliche Energie – das ist die Zukunft.“ (mit Material von dpa)

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