Experte warnt vor Verschärfung der Baukrise – und rechnet mit weiteren Pleiten

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Der Chef von Deutschlands größtem Immobilienkonzern Vonovia warnt vor Insolvenzen, explodierenden Mieten und einer Zweiklassengesellschaft am Wohnungsmarkt.

Bochum – Die Baubranche hat ein schwieriges Jahr hinter sich und sieht auch 2024 keinen Lichtblick. Während die Auftragseingänge drastisch gesunken sind, bleiben die Baupreise extrem hoch, der Immobilienmarkt stagniert. Deutschland steckt in der größten Baukrise seit 50 Jahren, die sich weiter verschärfen wird, warnt der Chef von Deutschlands größtem Immobilienkonzern Vonovia.

Rolf Buch, Vorstandschef des DAX-Konzerns, rechnet mit einer Welle von Insolvenzen in der Baubranche. „Wir werden in den kommenden Monaten und eventuell im nächsten Jahr noch Pleiten sehen“, äußerte er gegenüber IPPEN.MEDIA.

Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender des Wohnungsbaukonzerns Vonovia, warnt vor Insolvenzen in der Baubranche, weiter steigenden Mieten und einer Zweiklassengesellschaft am Wohnungsmarkt.
Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender des Wohnungsbaukonzerns Vonovia, warnt vor Insolvenzen in der Baubranche, weiter steigenden Mieten und einer Zweiklassengesellschaft am Wohnungsmarkt. © Bernd Thissen/dpa

Immobilienkrise spitzt sich zu: „Werden viele Pleiten sehen“

Noch vor kurzem erlebte die Branche eine beispiellose Boomphase. Obwohl die Bautätigkeit hinter den politischen Erwartungen zurückblieb, war der Trend positiv. Doch seit einiger Zeit hat die Branche einen drastischen Einbruch erlitten; ein Ende der Krise ist nicht absehbar: „Der Markt ist in ziemlicher Unordnung – und zusätzlich vergrößert sich das Problem, da bald auch Handwerker am Bau fehlen“, erklärt Rolf Buch, Vorstandschef des Dax-Konzerns Vonovia.

Zwar verlangsame sich der Preisverfall am Immobilienmarkt und bleibe auf einem stabilen Niveau, „doch Deutschland hat die Krise noch nicht überwunden“, so Buch. Für den Wohnungskonzern Vonovia selbst, der im vergangenen Jahr Milliardenverluste schrieb, ist Buch optimistisch: „Wir haben die Auswirkungen der Krise bereits sehr früh gespürt und unsere Werte bereits korrigiert. Aber viele andere Unternehmen fangen jetzt erst an mit der Wertkorrektur.“

„Gesellschaftlicher Sprengstoff“: Durch steigende Mieten droht Zwei-Klassen-Gesellschaft

Die Folgen der Immobilienkrise, nämlich dass nicht mehr viel neu gebaut wird, seien spürbar. Darum werde sich auch die Wohnungskrise in den nächsten zwei Jahren weiter zuspitzen, prophezeit Buch: „Die steigenden Wohnkosten stellen gesellschaftlichen Sprengstoff dar“. Große Nachfrage und die immer größere Angebotslücke würden in einigen Jahren dazu führen, dass sich Mieter bestimmte Lagen in besonders teuren Großstädten wie München nicht mehr leisten könnten: „Es droht eine Zweiklassengesellschaft am Wohnungsmarkt und in deren Folge eine gesellschaftliche Spaltung in Deutschland“.

„Starke Schultern müssten mehr tragen als schwache“: Vonovia-Chef fordert Reform der Mietpreisbremse

Die Mietpreisbremse sie nur bedingt tauglich als Lösung, die sich sonst eine Wohnung nicht leisten können. Er fordert eine Mietrechtreform: „Starke Schultern müssten mehr tragen als schwache“, fordert Buch. Es gebe keinen Grund, warum jemand mit einem hohen Einkommen von der Mietpreisbremse profitiere. „Wir müssen über die Mietpreisbremse sprechen, weil sie sozial blind ist.“

Die steigenden Wohnkosten stellen gesellschaftlichen Sprengstoff dar... Es droht eine Zweiklassengesellschaft am Wohnungsmarkt und in deren Folge eine gesellschaftliche Spaltung in Deutschland.

Ende des Immobilienpreisverfalls in Sicht: „Vorabend eines Aufschwungs“

Um den eingebrochenen Wohnungsbau wieder anzukurbeln – und den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum in den Griff zu bekommen, müssten Bauvorgaben gesenkt oder das pauschal angewendete Mietrecht sozialer gestaltet werden.

Immerhin sei Deutschland aber am „Vorabend eines Aufschwungs“, so der Immobilienkonzern-Chef: „Am deutschen Markt für Wohnimmobilien ist ein Ende des Preisverfalls in Sicht“. Die Werte für Wohnimmobilien könnten zwar noch geringfügig fallen, jedoch „bei vielen Investoren ist die Sorge verflogen, dass dies die Bilanzen der Wohnungsunternehmen noch in Gefahr bringen kann.“

Was ihm jedoch nicht einleuchte: „Warum können wir heute nicht mehr so bauen wie noch vor zehn Jahren?“ – und gibt zu bedenken: Es brauche dafür vor allem niedrigere Baustandards und weniger Auflagen. Buch weiter: „Daher macht uns der aktuelle Regierungsentwurf zum Gebäudetyp E zuversichtlich, dass endlich etwas passiert“. Zudem bräuchte es aber auch schnellere Prozesse, „der digitale Bauantrag muss in ganz Deutschland eingeführt werden“.

„Wir würden lieber heute als morgen wieder neu bauen. Aber bei den aktuell hohen Baukosten würde die Miete anschließend bei 20 Euro liegen“. Das könnten viele Menschen nicht bezahlen. „Damit wir bezahlbare Wohnungen anbieten können, muss das Bauen wieder günstiger werden“. Zuletzt stoppte Vonovia sogar Bauvorhaben wegen zu hoher Kosten.

Die Standardisierung, das modulare Bauen mit einem hohen Vorfertigungsgrad der Bauteile, mache das Bauen einfacher und günstiger: „Deshalb bemühen wir uns um das serielle Bauen.“ Obendrein gebe es Pilotprojekte mit digitalen Bauanträgen „Wir könnten 80 Prozent Zeit sparen, wenn es weniger Bürokratie gäbe. Was aktuell ein Jahr braucht, ginge dann in knapp zweieinhalb Monaten“.

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