Bauernverband geht wegen Bio-Diesel auf die Barrikaden: Betrug liegt „offen auf dem Tisch“
Der Bauernverband warnt vor falschem Biodiesel aus China. Die Behörden wissen Bescheid. Angeblich bleiben sie jedoch untätig.
Berlin – Getrieben von Vorgaben aus Brüssel, greift die Bundesregierung zu massiver Förderung, um die Treibhausgasemissionen auf deutschen Straßen zu verringern. Eine der Lösungen dafür ist sogenannter Biodiesel, der mindestens zum Teil aus pflanzlichen Ölen bestehen. Dabei greifen die großen Mineralölkonzerne gern auf Importe zurück. Die Art der Förderung aber bereitet Betrug den Weg.
Tricksereien bei chinesischem Biodiesel vermutet – Behörden bleiben tatenlos
Im aktuellen Fall hatte sich der Deutsche Bauernverband wegen mutmaßlich betrügerischer Geschäfte bei Biodiesel-Importen aus China beschwert. „Wir erleben, wie der deutsche Markt mit angeblich fortschrittlichem Biodiesel auf Basis von Altfetten aus China überschwemmt wird, der aber offensichtlich aus umetikettiertem Palmöl stammt“, erklärte Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Verbands, gegenüber der Augsburger Allgemeinen.
Die so importierten Kraftstoffe seien nur schwer kontrollierbar, der genaue Schaden kaum zu beziffern. „Doch man kann für die deutschen Landwirte von einem mehrstelligen Millionenbetrag ausgehen“, sagte Krüsken. Außerdem schade diese Entwicklung dem Image der Klimapolitik und dem Vertrauen in die Zertifizierung in Drittländern. Mineralölkonzerne hätten einen großen Anreiz, die Importkraftstoffe einzukaufen, weil sie diese „mehrfach“ in ihrer CO₂-Bilanz anrechnen lassen können. Das Zertifikate-System für im Ausland erzeugten Biokraftstoff lade so lange zu Missbrauch ein, bis eine rigorose Kontrolle darüber, ob die Lieferanten die notwendigen Standards einhalten, etabliert sei.
Seit „mehr als anderthalb Jahren“ liege der mögliche Betrug „offen auf dem Tisch“, aber das Bundesumweltministerium sehe keinen Handlungsbedarf, so der Vorwurf des Bauernverbands.
Palmöl im Biodiesel – erheblicher Anstieg bei der Lieferung
Die Betrugsvorwürfe stehen tatsächlich schon seit längerer Zeit im Raum. Bereits im Sommer 2023 berichtete die Zeit darüber, wie „riesige Mengen an Palmöl“ aus Indonesien und Malaysia auf die chinesische Insel Hainan geliefert und dort einfach umdeklariert werden. Danach gelangen sie per Schiff nach Europa – und gelten plötzlich als klimafreundlicher Biodiesel. Für die Palmölherstellung holzen Unternehmen im südlichen Asien gewaltige Mengen an Bäumen ab.
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Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wie massiv China sich an den EU-Fördergeldern bedient. Laut dem Branchendienst Quantum Commodity Intelligence gelangten in der ersten Jahreshälfte 2022 rund 12.000 Tonnen Biodiesel von China nach Europa. 2023 kam es dann zu einem massiven Anstieg: Im Januar des Jahres waren es plötzlich 260.000 Tonnen. Zwischen Januar und April 2023 kamen insgesamt mehr als 830.000 Tonnen aus China nach Europa. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum hatte das einen Anstieg um 83 Prozent bedeutet.
Wegen massiven Einfuhren aus China – Europäische Hersteller von Biodiesel leiden unter Preisdruck
Das wiederum hatte – ähnlich wie es in der Solarindustrie geschehen ist – in Europa die Biodiesel-Preise abstürzen lassen. Einige europäische Hersteller hatten die Produktion drosseln oder einstellen müssen. „Wir haben über mehrere Monate Warenströme in Südostasien und China analysiert. Unser Ergebnis ist, dass mit chinesischer Ware in großem Stil betrogen wird“, zitierte die Zeit Claus Sauter, den Gründer der Verbio AG, einem großen Biodieselproduzenten aus Deutschland.
Sowohl das Umweltministerium als auch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sind längst informiert. Außerdem ging beim internationalen Zertifizierungssystem, das die chinesischen Importe als nachhaltig gelabelt hatte, eine Warnung ein. Sowohl die EU-Kommission als auch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung sind an der Sache dran. Verzwickt dabei ist jedoch, dass es für den „Betrug“ durch chinesische Firmen bis dato keine hieb- und stichfesten Beweise gibt. Wenn der Biodiesel erst einmal gemischt ist, ist der Nachweis schwierig, aus welchen Rohstoffen der Diesel besteht.
BMVU reagiert auf „gefälschten“ Biodiesel aus China – und verweist an die EU
Auf Anfrage von IPPEN.Media teilte ein Sprecher des BMUV mit, dass das Ministerium die mutmaßlichen Betrugsfälle „sehr genau“ beobachte. Das Phänomen sei nicht nur ein deutsches Problem, sondern eines, das den gesamten EU-Binnenmarkt beeinflusse. „Insofern ist hier eine Lösung auf EU-Ebene anzustreben“, erklärte der Sprecher. Speziell zu dem falsch deklarierten Biodiesel aus chinesischer Produktion lägen jedoch noch keine Bestätigungen der Verdachtsfälle vor.
Allerdings weist das Ministerium die Vorwürfe von sich, die Bundesregierung würde keinen dringenden Handlungsbedarf sehen. „Die zuständige Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Betrugsvorwürfe die Bundesministerien für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hierüber in Kenntnis gesetzt, woraufhin die BLE angewiesen wurde, die nationalen Strafverfolgungsbehörden einzuschalten (Staatsanwaltschaft Bonn) und die EU-Kommission umfassend über den Sachverhalt zu informieren.“
Der größte Hebel „für etwaige juristische Konsequenzen“ läge innerhalb des EU-Binnenmarkts bei der EU-Kommission. Diese habe ein Antidumpingverfahren verkündet – was das BMUV unterstützt. „Um dem Inverkehrbringen von ‚gefälschten‘ Biokraftstoffen vorzubeugen, gilt es, das System der Nachhaltigkeitsnachweise zu überprüfen und ggf. zu verbessern. Denn das aktuelle Problem möglicher falsch deklarierter Biokraftstoffe besteht im gesamten EU-Binnenmarkt und nicht allein in Deutschland.“
So fördert die EU Biodiesel – Verkehrsminister schließt sich an
Die Europäische Union fördert die Nutzung erneuerbarer Energien, was auch Biokraftstoffe einschließt, massiv. Speziell bei den Biokraftstoffen aus Abfällen und Reststoffen unterstützt die EU außerdem die Forschung und Demonstrationsanlagen finanziell. Das große Ziel dahinter: Der Verkehr innerhalb Europas soll weniger Schadstoffe ausstoßen. Mineralölkonzerne nehmen die Förderung gern an, auch, um ihre gesetzlichen Verpflichtungen bei der Emissionseinsparung zu erfüllen. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) steht ebenfalls hinter Biokraftstoffen, was aktuell eine ganz eigene Debatte um zu einseitige Aussagen bezüglich des grünen Diesels HVO100 losgetreten hatte.
Wie der Europäische Rechnungshof berichtete, belief sich die EU-Förderung für den Forschungsbereich zwischen 2014 und 2020 auf rund 370 Millionen Euro. Biokraftstoffe aus Abfällen und Reststoffen stehen bei der Forschungsförderung im Vordergrund. Was die Zertifizierung für Mineralölunternehmen besonders attraktiv macht: Sie können bestimmte Arten von Biokraftstoffen bei EU-Zielvorgaben doppelt einrechnen lassen. Wie genau das funktioniert, legt die Kommission allerdings nicht transparent offen – ebenso wenig, wie sich die Multiplikatoren auf den Anteil erneuerbarer Energien im Verkehr auswirken.
Erst vor ein paar Wochen waren schon einmal Betrugsvorwürfe in Richtung China aufgekommen. Angeblich hatten sich deutsche Mineralölkonzerne einen Beitrag auf ihre CO₂-Bilanzen anrechnen lassen, der auf Projekte in China zurückging – die gar nicht existierten.