Enthüllung nach Nawalnys Tod: Putin-Regime drangsalierte Hundertausende Russen

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Laut einer neuen Studie ist die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit in Russland gravierend. Auch bei Protesten zum Tod Nawalnys werden hunderte Menschen festgenommen.

Moskau – Nicht überraschend, dennoch schockierend. Wladimir Putins Regime schränkt die Presse- und Meinungsfreiheit so stark ein wie noch nie. Aktuelle Zahlen einer Studie belegen das. Von 2018 bis 2023 wurden 116.000 Menschen „aufgrund repressiver Straf- und Verwaltungsvorwürfen“ verfolgt und verurteilt, wie es in der Studie heißt.

Erschreckende Realität ist: Im Ausmaß der Strafverfolgung Oppositioneller kann nur noch Stalin Putin das Wasser reichen. Selbst Nikita Chruschtschow oder Leonid Breschnew in der Sowjetunion kamen nicht auf Putins Zahlen, berichtet die Exil-Zeitung Meduza mit Sitz in Lettland.

Journalisten sind in Russland besonders eingeschränkt – Putin macht sich Corona-Regelungen zu Nutze

Im weltweiten Ranking der Organisation „Reporter ohne Grenzen“, die jedes Land nach ihrer Pressefreiheit einstuft, ist Russland auf Platz 164, einen Platz vor der Türkei. Nordkorea hat den letzten Platz inne. Daher scheint die aktuelle Studie auch nicht überraschend. Trotzdem unterstreicht sie, wie extrem schlecht es um die Presse- und Meinungsfreiheit in Russland steht.

Polizeibeamte halten eine Frau fest, die Blumen für den verstorbenen russischen Oppositionellen Nawalny an einer Gedenkstätte für die Opfer politischer Repression niederlegt hat. Nawalny starb am Freitag im Alter von 47 Jahren nach Angaben der Justiz in einer sibirischen Strafkolonie.
Polizeibeamte halten eine Frau fest, die Blumen für den verstorbenen russischen Oppositionellen Nawalny an einer Gedenkstätte für die Opfer politischer Repression niederlegt hat. Nawalny starb am Freitag im Alter von 47 Jahren nach Angaben der Justiz in einer sibirischen Strafkolonie. © dpa

Die meisten Verfahren wurden gegen Journalisten eingeleitet, auch wenn die Dunkelziffer wahrscheinlich nochmal höher sein dürfte. Selbst Covid kam für Putins Regime gelegen. Während in der restlichen Welt mittlerweile alle Covid-Regelungen aufgehoben wurden, sind viele der Covid-Beschränkungen in Russland noch in Kraft, berichtet Meduza. Massenproteste dürfen unter diesen Beschränkungen gar nicht organisiert werden.

Von April 2022 bis Dezember 2023 erhielten laut Studie 159.000 Menschen Strafen, weil sie gegen die „Gewährleistung des sanitären und epidemiologischen Wohlergehens der Bevölkerung“ verstießen. Das, was manche Menschen in Deutschland befürchteten, ist in Russland Realität. Putin nutze die Regelungen, die zur Bewältigung der Pandemie gedacht waren als Waffe, um jeglichen Protest zu unterbinden.

Seit Ukraine-Krieg: Putins neue Gesetze, um Protest zu unterdrücken

Auch ist festzustellen, dass seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs eine Reihe Gesetze erlassen wurden, um die Presse- und Meinungsfreiheit weiter einzuschränken. Beispielsweise wurden innerhalb der zwei Jahre Ukraine-Krieg über 60 Verfahren eingeleitet, um gegen Personen vorzugehen, die Propaganda verbreitet hätten. Ebenso gab es Anklagen gegen Demonstranten aufgrund „nationalsozialistischer“ und „extremistischer“ Symbole.

Einer Analyse der New York Times zufolge, können Russen bereits für das Tragen der Farben blau und gelb (ukrainische Staatsfarben) strafbar gemacht werden. Selbst private Chatnachrichten können im Gericht als Beweis erbracht werden, dass man „Propaganda“ und falsche Informationen über den Krieg mit der Ukraine verbreitet.

Verhaftungen bei Kundgebungen für Nawalny.
Die russische Polizei nahm Hunderte fest, die öffentlich um Nawalny trauerten. © IMAGO/Andrei Bok / SOPA Images

Hunderte festgenommen bei Trauerversammlungen für Nawalny

Die Repression und der Umgang mit Journalisten und Demonstranten wurde erst neulich wieder offensichtlich. Nach dem Tod Alexej Nawalnys bekundeten tausende Russen ihre Anteilnahme an alten sowjetischen Denkmälern im ganzen Land. Sie legten Blumen nieder als Zeichen der Trauer. Dieses friedliche Symbol der Hoffnung und der Wertschätzung Nawalnys gegenüber wurde vielerorts durch die Polizei unterbrochen. Mehrere hundert Protestierende wurden abgeführt und verhaftet.

Bitte vergesst nicht, dass es immer noch gute Menschen in diesem Land gibt

Nach Einsatz gegen das russische Regime: Nawalny starb in Straflager

Alexej Nawalny wurde 47 Jahre alt. Er fühlte sich vergangenen Freitag (16. Februar) bei einem Gefängnisspaziergang unwohl und brach, laut Angaben der russischen Behörden, zusammen. Der russische Oppositionelle setzte sich viele Jahre gegen Putin ein. Bereits im Jahr 2020 überlebte der Kremlkritiker nur knapp einen Giftanschlag. Nachdem er sich in Deutschland erholt hatte, kehrte er nach Russland zurück, woraufhin er am Flughafen prompt verhaftet wurde. Jetzt musste er für seinen Kampf gegen die das Moskauer Regime mit dem Leben bezahlen.

Putins Repressionsapparat macht keinen Halt – selbst Priester können verhaftet werden

Die New York Times berichtet von mindestens 400 Personen, die am Wochenende nach Nawalnys Tod festgenommen wurden. Selbst ein Priester, Vater Grigory Michnow-Waitenko konnte Putins Repression nicht entgehen. Als er einen Gedenkgottesdienst für Nawalny abhalten wollte, wurde der Geistliche verhaftet. Andrej, ein Schüler, teilte der New York Times vor Ort mit, dass „eines Tages, was wir hier sehen, in Geschichtsbüchern stehen wird.“ Er fügte hinzu: „Bitte vergesst nicht, dass es immer noch gute Menschen in diesem Land gibt.“ Putins Methoden, Protest zu unterdrücken, machen es schwer, für Russen den Status quo offen infrage zu stellen.

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