Rutte soll neuer Nato-Chef werden: Der Mann, der Trump bezirzt

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Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (r.) und sein möglicher Nachfolger Mark Rutte. (Archivbild) © Pool Sebastien Pirlet/dpa

In stürmischen Zeiten sucht die Nato einen neuen Generalsekretär – der große Favorit heißt Mark Rutte. Der „Trump-Flüsterer“ kommt aber nicht überall gut an.

München – Einer musste dieser ganzen Schwere ja etwas entgegensetzen und dieser eine war Mark Rutte. „Wir sollten mit dem Jammern, Nörgeln und Heulen über Trump aufhören“, sagte der Niederländer mit einer Ruhe, die selten war bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Wer US-Präsident werde, meinte er dann noch, das sei Sache der Amerikaner. Man müsse mit jedem arbeiten, der am Ende auf der Tanzfläche stehe.

Trump, das sei noch mal erwähnt, hatte zuvor gedroht, im Falle eines Wahlsiegs all jene Nato-Staaten der Willkür Russlands auszuliefern, die zu wenig für Verteidigung ausgeben. In München regierten Sorge und Entsetzen, Ruttes Coolness stach heraus. Sie war eine Botschaft an alle: Fürchtet euch nicht, ich zwinge selbst einen Bulldozer wie Trump zum Tanzen.

Mark Rutte als Stoltenberg-Nachfolger? Niederländer Favorit als Nato-Chef

Drei Wochen ist das her – der niederländische Ministerpräsident gilt aber schon viel länger als Top-Kandidat für die Nachfolge Jens Stoltenbergs als Nato-Generalsekretär. Die Zeichen verdichten sich immer mehr: Wenige Tage nach der Siko erklärten Washington, London und Berlin ihre Unterstützung für den 57-Jährigen. Kein Zufall, dass das zeitgleich passierte.

Klar ist: Rutte will den Job – auch wenn er dieser tage nicht zu den angenehmsten gehört. Der Nato-Chef muss nicht nur gegenüber Putin standhaft bleiben, sondern das Bündnis nach der US-Wahl im Herbst womöglich auch gegen Sprengkräfte im Inneren verteidigen, die Zeitbombe Trump. Der Niederländer steht zumindest im Ruf, das im Kreuz zu haben.

Das liegt vor allem an einer Episode von 2018. Damals trafen sich die Nato-Partner in Brüssel und erlebten einen US-Präsidenten, der wütend mit der Abkehr seines Landes drohte, sollten die anderen ihre Militärausgaben nicht erhöhen. Merkel, Macron, alle redeten auf Trump ein. Am Ende soll es Rutte gewesen sein, der die Situation rettete. Nicht nur versicherte er dem US-Republikaner, dass die Ausgaben längst stiegen – er schmeichelte ihm auch mit der Behauptung, es sei dessen Verdienst. Trump sagte später: „I like this guy!“ – ich mag den Typen.

Nato sucht neuen Generalsekretär: Nicht jedes Mitglied steht hinter „Trump-Flüsterer“ Rutte

Seither trägt der Liberal-Konservative den Spitznamen „Trump-Flüsterer“, was anerkennend gemeint ist und weit netter klingt als das in den Niederlanden geläufige „Teflon-Mark“, der Mann, an dem alles abprallt. Die Eigenschaft, auch mit schwierigen Charakteren zu können, ist ein Pfund bei der Bewerbung um den Nato-Posten. Ein anderes ist die Unterstützung durch US-Präsident Joe Biden, der kürzlich ausrichten ließ, er halte den Niederländer für eine natürliche Führungspersönlichkeit, die dem Bündnis guttun würde. Das war der Segen aus Washington. Ohne ihn wird niemand Nato-Chef.

Schon im April, spätestens aber im Juli soll der Neue feststehen. Ob das wirklich Rutte sein wird, ist aber nicht restlos sicher. Denn unter den 32 Mitgliedern braucht es Einstimmigkeit – und vor allem im Osten Europas ist man mit der Wahl nicht restlos glücklich. Ungarn tanzt mal wieder aus der Reihe und hat angekündigt, Rutte nicht zu unterstützen. Auch bei den Nato-Partnern, die an Russland grenzen, herrscht Skepsis.

Unglaubwürdig: Estlands Regierungschefin mit Vorwürfen gegen Rutte

Estlands Regierungschefin Kaja Kallas klagte kürzlich darüber, dass sich einige wenige Länder die Top-Jobs in EU und Nato aufteilten. Rutte wäre der vierte Nato-Generalsekretär aus den Niederlanden, sagte sie „Politico“. „Da stellt sich die Frage, ob es Länder erster und zweiter Klasse in der Nato gibt.“ Auch erinnerte Kallas daran, dass Rutte in seinen 13 Jahren als Regierungschef nie das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreicht habe. Dass er jetzt einer der Lautesten beim Thema Verteidigung ist, wirkt auf viele unglaubwürdig.

Aus Kallas’ Worten spricht aber auch enttäuschte Hoffnung. Die Estin wäre selbst gerne Nato-Chefin geworden, gilt aber wegen ihrer klar anti-russischen Haltung als kaum tragbar. Irgendwann, heißt es, wird man auch wieder mit Moskau reden müssen. Rutte wiederum wird Esten, Letten und andere davon überzeugen müssen, dass er nicht zu sanft mit dem Kreml umgeht.

Noch ist er geschäftsführend als Premier im Amt, weil sich nach den Neuwahlen in Den Haag die Bildung einer neuen Regierung zieht. Aber dass Stoltenberg als Nato-Chef aufhört, gilt als fix, und Rutte ist der Mann, mit dem man rechnen muss. Konkurrenzlos ist er allerdings nicht: Rumäniens Präsident Klaus Iohannis hat erklärt, ebenfalls antreten zu wollen. (Marcus Mäckler)

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