„Nicht machbar, nicht bezahlbar“: Debatte über Ortsumfahrung von Dorfen
Der Stadtrat Dorfen stimmt gegen eine neue Untersuchung einer Ortsumfahrung. Damit wird ein Wunsch aus der Bürgerversammlung nicht erfüllt.
Dorfen – Eine große Umfahrung von Dorfen wird es auf absehbare Zeit nicht geben – vielleicht auch nie. Diese Einschätzungen dominierten die Stadtratsdebatte am Mittwoch. Und die Kommune wird vorerst auch keine weiteren Schritte in diese Richtung unternehmen. Einen entsprechenden Antrag aus der Bürgerversammlung lehnte der Stadtrat ab.
Im Oktober war eine Mehrheit der Anwesenden im Jakobmayer-Saal einem Antrag von Ewald Kosmann gefolgt. Er hatte beantragt, dass sich der Stadtrat mit einer Umfahrung zwischen Scheideck und St. Wolfgang befassen und gegebenenfalls einen Bürgerentscheid einleiten solle. Auch forderte Kosmann, Möglichkeiten zur Verlagerung der Staatsstraße 2086 zu prüfen. Beides fiel am Mittwoch nach langer Diskussion durch: der B15-Antrag mit 9:15 Stimmen, der zur St2086 sogar einstimmig. „Ein Hohn“, schimpfte Kosmann.
Bürgerentscheid als Ausweg?
Eine Gruppe von Demonstranten dürfte das anders sehen. Etwa ein Dutzend von ihnen zog pünktlich zu dem Tagesordnungspunkt mit einem Transparent in den Sitzungssaal ein. „Keine Ortsumfahrung Dorfen West“, hatten die Oberdorfener auf ein Laken gepinselt. Ihre Namen wollten sie für den Artikel nicht verraten.
„Eine Demonstration mit Transparent hat hier nichts zu suchen“, kritisierte Josef Wagenlechner (TEG). Er fühle sich dadurch in seiner Arbeit beeinträchtigt. Bürgermeister Heinz Grundner (CSU) sah das gelassener. Laut Gemeindeordnung sei das Plakat nur zu entfernen, wenn die Sitzung gestört werde. „Ich erwarte nicht, dass es hier zu Tumulten kommt“, sagte er. Und los ging’s mit einer Debatte, die ganz in Dorfener Manier auch deftig wurde.
Von den 1960ern bis in die 90er Jahre habe eine Trasse für eine Ortsumfahrung im Flächennutzungsplan gestanden, berichtete zunächst Bauamtsleiter Franz Wandinger. Einen neuen Anlauf gab es 2009 mit einer Machbarkeitsstudie, die vier Trassen untersuchte – jeweils zwei im Osten und Westen. Die größte Entlastungswirkung hätte demnach die Vari㈠ante „West nah“ gehabt.
Aktuell blickt man bei diesen Überlegungen nach Osten. Vor ein paar Wochen hat der Stadtrat beschlossen, dass der Bypass über Mehlmühle genauer untersucht wird.
Astronomische Kosten und ökologische Probleme nannte Andreas Hartl (GAL) als Probleme einer Westumfahrung. Auf jeden Fall würde er eigene kommunale Planungen zurückstellen, „bis Klarheit über die B15neu besteht“. Denn über dieses Bundesstraßenprojekt wird in Berlin entschieden.
Grundner gestand ein, „dass eine Westtrasse äußerst schwer denkbar ist“. Und Martin Heilmeier (LDW) fand es gar „unverantwortlich, wenn man meint, dass man eine Umgehungsstraße quer durch das Isental baut“. Dann würden „die Dorfener an einem Autobahnkreuz leben, dass nur noch Lärm verursacht“. Nur ein Bahnübergang ohne Schranke und der Bypass im Osten würden seiner Meinung nach eine Entlastung bringen. „Alles andere sind Luftschlösser.“ Ein große Umfahrung im Westen ist laut Heilmeier „nicht machbar, nicht bezahlbar, nicht durchsetzbar“.
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Weit weniger Verkehr als vorhergesagt
„Überhaupt keine Realisierungsmöglichkeiten“ erkannte Vize-Bürgermeister Ludwig Rudolf (CSU) für eine große Ortsumfahrung wegen hoher Planungs- und Baukosten, naturschutzrechtlicher Probleme und des Widerstands aus der Bevölkerung. Das sei höchstens eine „Beschäftigungstherapie für die Verwaltung“.
Fraktionskollegin Barbara Lanzinger widersprach. Die Verkehrssituation auf der B15 sei nicht tragbar, Dorfen brauche dringend eine Entlastung. Das unterstrich Christian Holbl (TEG) angesichts immer neuer Siedlungen. „Bis jetzt wird alles auf die B15 gelenkt. Irgendwann werden wir eine Parallelstraße brauchen.“
Michael Oberhofer (CSU) plädierte für einen Bürgerentscheid. Nur mit einem eindeutigen Votum könne man die immer wiederkehrenden Debatten beenden. Das sah wiederum Sabine Berger (CSU) ganz anders: „Wenn wir als Stadträte nicht das Rückgrat haben, etwas zu entscheiden, dann fragen wir den Bürger.“ An den Voraussetzungen habe sich ja nichts geändert. Michaela Meister (SPD) pflichtete bei und spielte den Ball in die Bürgerschaft. Anstatt auf ein Ratsbegehren zu hoffen, könne ja aus der Bevölkerung eine Initiative kommen.
Gar als „Sakrileg“ bezeichnete Gerald Forstmaier (GAL) eine Umfahrung im Westen. Dort sei auch das wichtigste Naherholungsgebiet der Dorfener. Der Umwelt- und Hochwasserreferent verglich auch die Zahlen der Verkehrszählungen 2009 und 2024. Damals seien auf der B15 auf Höhe der Verbrauchermärkte 15 500 Kfz am Tag gezählt worden, heute 16 000. Die Prognose von 2009 lag höher: 21 000. Der Anteil des Schwerlastverkehrs sei gleichzeitig von zehn Prozent auf acht Prozent gesunken.
Für die effektivste Umfahrung „West nah“ sei 2009 eine Entlastungswirkung von 7000 Fahrzeugen berechnet worden, so Forstmaier. Die gleiche Größenordnung gelte heute für die neuen Überlegungen für den Bypass im Osten.
Rudolf plädierte noch für einen Beschluss, dass erst die Bypass-Untersuchungen abgewartet werden, bevor die Westumfahrung wieder in den Fokus rückt. Wagenlechner hätte gern ein Statement im Beschluss gehabt, „dass die Stadt Dorfen nicht generell gegen eine Entlastungsmöglichkeit ist“. Ulli Frank-Mayer (GAL) meinte dagegen: „Eigentlich bräuchten wir den Beschlussvorschlag der Verwaltung nur abzulehnen.“ So geschah es dann auch.
Namentliche Abstimmung
Mit 9:15 Stimmen lehnte der Stadtrat ab, die Verwaltung mit weiteren Prüfungen für eine Ortsumfahrung zu beauftragen. Für eine Untersuchung votierten Heinz Grundner, Barbara Lanzinger, Michael Oberhofer, Hans Baumgartner und Anton Stimmer (CSU), Josef Wagenlechner und Christian Holbl (TEG), Johann Winkler (EWG) und Josef Jung (ÜWG). SPD, GAL, LDW, GEM und AfD votierten geschlossen dagegen. Dem schlossen sich Ludwig Rudolf und Sabine Berger (CSU) sowie Dominik Gerbl und Walter Zwirglmaier (ÜWG) an. Martin Greimel (CSU) war nicht da.