Geflüchtete als Sündenbock: Große Einigkeit im „Bluespunkt“
Die Dorfener Grünen laden zum „Faktencheck Migration“. Diskussionsteilnehmer und Zuhörer sind sich einig: Geflüchtete Menschen werden zum Problem erklärt, wo sie doch auf dem Arbeitsmarkt so dringend gebraucht werden.
Oberdorfen – Dienstagabend, 19 Uhr: Zwei Polizisten kommen in den „Bluespunkt“ in Oberdorfen. „Wir wollen nur schauen, ob alles in Ordnung ist“, sagen die beiden Ordnungshüter. Man wisse ja nie – wenn etwas wäre, sollten sich die Veranstalter doch bitte bei der Polizeiinspektion Dorfen melden. Ärger gab es allerdings nicht, auch wenn das Thema brisant war. Beim „Faktencheck Migration, Flucht und Integration“ herrschte Harmonie. Die Fachleute, die auf Einladung der Dorfener Grünen diskutierten, waren sich einig. Und auch von den 50 Zuhörern kam kein Widerspruch.
Große Bedeutung für den Arbeitsmarkt
„Was immer schiefläuft in Politik und Gesellschaft: Es ist populär, Geflüchtete und die angeblich fehlgeleitete Migrationspolitik dafür verantwortlich zu machen“, erklärte Winfried Eckardt, Vorstandsmitglied der Grünen in Dorfen. Überforderte Sozialsysteme, steigende Kriminalität, Wirtschaftskrise, klamme Kassen in Bund, Ländern und Kommunen laste man der „Ampel-Regierung“ an, die zudem auch für das Erstarken der AfD verantwortlich sein solle, zählte der Moderator auf.
Die geplanten Gegenmaßnahmen seien drastisch, meinte Eckardt: „Durchsetzung von Abschiebungen auch in Länder, in denen Geflüchtete massiven Bedrohungen ausgesetzt sind, bis hin zu Forderungen nach genereller Aussetzung oder Abschaffung des Grundrechts auf Asyl.“
Zudem werde allerorts vergessen, wie wichtig die Rolle der Geflüchteten künftig auf dem Arbeitsmarkt sei, sagte Gülseren Demirel, Sprecherin für Integration der Grünen-Fraktion im Bayerischen Landtag. „Wer kommt hinterher, wenn die Boomer in Rente gehen?“, fragte auch Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat.

Gerade in Pflege, Verwaltung und Industrie werde es in den kommenden Jahren an Arbeitskräften fehlen. „Es wird einfach nur Rassismus kolportiert, statt einer sinnvollen Ausländerpolitik.“ Viele Sozialverbände sowie die IHK und die Handwerkskammer hätten nicht den Mut, sich gegen die Politik zu stellen, monierte er. „Aber die Bahn, Ikea und weitere große Betriebe haben sich jetzt zusammengeschlossen und machen Lobby-Arbeit für Migranten.“
Wer denn schon Kontakt mit Flüchtlingen hatte, unterbrach Eckhardt nun. Knapp die Hälfte der Besucher hob die Hand. „Wir brauchen sie, die kritische und offensive Öffentlichkeit“, freute sich Franz Leutner, Vorsitzender der Flüchtlingshilfe Dorfen, über den großen Zuspruch. „Was die Politik nicht leistet, muss die Zivilgesellschaft auffangen.“
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Die Flüchtlingshilfe habe allerdings ein Nachwuchsproblem: „Der Boom von 2015 ist vorbei – wir sind deutlich weniger und deutlich grauer geworden“, berichtete Leutner. Die Flüchtlingshelfer können in den Unterkünften nicht mehr so präsent sein und weniger aufsuchende Hilfe leisten.
Unterkunft in Meindl-Areal gebaut
Nach wie vor suche die Flüchtlingshilfe Dorfen nach Wohnungen für ihre Schützlinge: „Ende der Woche haben wir ein Gespräch mit Robert Decker sowie dem Landratsamt“, erzählte er. Der Bauträger habe auf dem Meindl-Areal eine Flüchtlingsunterkunft für Familien gebaut: „Das macht Hoffnung.“
Wir sind deutlich weniger und deutlich grauer geworden.
Jetzt stand Grünen-Stadträtin Ulli Frank-Mayer auf: „Klar gibt es noch Luft nach oben – aber in Dorfen läuft es gut“, so die Lokalpolitikerin. Die Unterstützung von Geflüchteten sei auch Konsens in Verwaltung und Stadtrat. Neben der Flüchtlingshilfe würden sich auch das Dorfener Zentrum für Familie und Integration (DZIF) und die Nachbarschaftshilfe, Träger der Tafel in Dorfen, für Geflüchtete einsetzen.
Gerade das DZIF habe große Bedeutung, lobte Frank-Mayer auch die Kinderbetreuung, wenn die Mütter in den Sprachkursen seien. Ganz wichtig, kommentierte Dünnwald, denn bis auf wenige Länder, beispielsweise Syrien, der Jemen oder auch Afghanistan, hätten gerade die Frauen eine schlechte Bildung. „Und Sprache ist der Schlüssel zur Integration“, fügte Demirel an.
Was die Landtagsabgeordnete indes ärgert: „Es sind die vielen Ehrenamtlichen, die hier die Aufgaben der Staatsregierung übernehmen – in Bayern gibt es kein Integrationskonzept.“ Und Dünnwald ergänzte: „Von den vielen Debatten profitieren doch nur die Rechten“, forderte er zu einem Konsens unter den demokratischen Parteien auf.