FOCUS-online-Interview - Söder fordert harten Asylkurs: „Wer böse ist, hat sein Bleiberecht verwirkt“

FOCUS online: Herr Söder, wir haben Sie selten so erschüttert gesehen wie letzten Donnerstag am Tatort in München. Was waren Ihre Gedanken, als Sie auf das Schlachtfeld in der Seidlstraße blickten?

Markus Söder: Es zerreißt einem das Herz. Eine Mutter und eine kleine Tochter haben in München ihr Leben verloren und viele Menschen wurden schwer verletzt.

Dafür gibt es keine Worte und keine Rechtfertigung. Es tut einfach nur weh und ist so sinnlos. Deshalb werden wir uns auch nie an solche schrecklichen Verbrechen gewöhnen und solche Morde hinnehmen. Im Gegenteil: Es reicht einfach. Wir wollen, dass sich grundlegend etwas ändert. Deutschland muss wieder sicherer werden.

Markus Söder war zu Gast im FOCUSonline Exklusiv-Interview
Markus Söder war zu Gast im FOCUSonline Exklusiv-Interview FOCUSonline

„Wir brauchen endlich einen echten Richtungswechsel in der Migrationspolitik"

Sie haben am Wochenende gefordert, dass sofort ein Abschiebe-Abkommen mit den Taliban verhandelt werden muss. Wie sehen dafür die nächsten Schritte aus?

Söder: Wir brauchen endlich einen echten Richtungswechsel in der Migrationspolitik – und zwar jetzt und nicht irgendwann. SPD und vor allem die Grünen haben sich dazu bislang leider verweigert. Die Bundesaußenministerin muss umgehend Gespräche mit den Taliban aufnehmen. In anderen Ländern wie Österreich geht das auch – warum nicht bei uns?

Deutschland braucht einen Afghanistan-Sofortplan. Ausreisepflichtige Afghanen müssen rasch raus aus dem Land und der Neuzugang über Visavergaben muss gestoppt werden. Allein in Bayern befinden sich fast 2000 ausreisepflichtige Afghanen, knapp 200 davon sind schwere Straftäter. Das kann nicht so bleiben.

Statt endlosen Debatten stehen wir als Union für Entschlossenheit: Wir werden Sicherheit, Recht und Ordnung in einer neuen Bundesregierung an erste Stelle setzen und die illegale Migration beenden.

Was folgt daraus?

Söder: Unsere Kommunen brauchen endlich Entlastung. Die Migration muss begrenzt und Straftäter konsequent abgeschoben werden. Ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger wünscht sich eine härtere Linie beim Thema Migration – übrigens auch viele Wähler von SPD und Grünen. Es ist schade, dass Grüne und SPD im Bundestag nicht die Kraft für nötige Veränderungen gefunden haben.

Die Todesopfer von München sind eine in Algerien geborene Frau und ihr Kind. In Villach stoppte ein Syrer seinen mordenden islamistischen Landsmann. In Aschaffenburg starb ein kleiner Junge aus Marokko. Wie schaffen wir es, dass sich nicht eine zu starke Vereinfachung über die Gewaltbereitschaft von Einwanderern breit macht?

Söder: Das Böse ist keine Frage von Herkunft oder Religion. Aber wer böse ist, muss mit aller Härte bestraft werden und hat sein Bleiberecht verwirkt. Übrigens sagen auch viele Menschen mit Migrationshintergrund, dass sich etwas ändern muss.

„Wir bekämpfen die AfD mit aller Entschlossenheit“

Die Migrationsfrage dominiert den Wahlkampf. Wir sprechen hier in München in der Staatskanzlei. Vor gut einer Woche waren in dieser Stadt 250.000 Menschen auf der Straße - besorgt um die Demokratie und eine mögliche Annäherung der Union an die AfD. Was rufen Sie diesen Menschen zu?

Söder: Ich habe großen Respekt vor dem klaren Bekenntnis gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus. Dafür stehen auch die CSU und ich ganz persönlich. Die AfD ist in weiten Teilen eine rechtsextreme Partei und greift unsere Demokratie massiv an. Sie ist der Systemfeind. Deshalb wird es auch keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD geben.

Es braucht aber eine Unterscheidung: Während ein prominentes Mitglied dieser Partei sogar gerichtsfest als Nazi bezeichnet werden darf, sind viele Wähler der AfD nicht rechtsextrem. Sie wollen ein Zeichen des Protests setzen – und deshalb können wir sie mit der richtigen Politik zurückgewinnen.

Viele waren aber auch auf der Straße, weil sie nicht einverstanden sind mit dem Kurs der Union. Weil sie sagen, der Schulterschluss mit der AfD im Bundestag ging zu weit. Was sagen Sie diesen Leuten?

Söder: Es gibt keinen Schulterschluss. Im Gegenteil: Wir bekämpfen die AfD mit aller Entschlossenheit. Die Umfragewerte der AfD haben sich unter drei Jahren Ampel-Regierung verdoppelt und Bundesländer im Osten Deutschlands standen am Rande der Unregierbarkeit. Dafür trägt die Ampel die Mitverantwortung, weil sie am Willen der meisten Menschen vorbeiregiert hat. Deshalb gehören die Grünen auch nicht in die nächste Bundesregierung, sondern auf die Oppositionsbank.

Nach den Morden von Aschaffenburg haben die Grünen sogar auf einem Parteitag die Ausweitung der Migration beschlossen. Das ist definitiv der falsche Ansatz, um die AfD zu schwächen und die Demokratie zu stabilisieren.

„Politik funktioniert oft nicht kurzfristig, sondern in langen Linien“

Ich möchte einen historischen Vergleich ziehen. Gehen wir mal zurück ins Jahr 1982. Damals gab es Massenkundgebungen gegen die Wiederaufrüstung. Im Bonner Hofgarten versammelten sich damals 400.000. Und es gibt eine Szene, die ist verbürgt: Helmut Kohl flog damals im Helikopter über diese Menschenmassen und fragte sich: Wer hat jetzt letzten Endes Recht? Die oder ich? Haben Sie auch diese stillen Momente des In-sich-Gehens, in denen sie sich fragen, wer letzten Endes Recht hat?

Söder: Wir reflektieren unsere Politik jeden Tag und stellen uns jeder Kritik. Zu Ihrem Vergleich: Wir müssen heute genau wie Helmut Kohl damals in langfristigen Zusammenhängen denken. Der NATO-Doppelbeschluss trug zum späteren Zerbrechen der Sowjetunion bei und machte den Weg zur deutschen Einheit frei.

Politik funktioniert oft nicht kurzfristig, sondern in langen Linien. In der Sache haben wir eine klare Haltung und das ist gut so. Wir sind überzeugt, dass die Begrenzung der Migration der richtige und notwendige Weg ist. Alles andere würde nur die Extremen weiter stärken und unser Land destabilisieren.

„Jede Stimme für die AfD ist auch eine verschenkte Stimme“

Kann es nicht sogar sein, dass Sie am Ende mit den Grünen müssen. In einer Insa-Umfrage kam die Union jüngst auf 30 Prozent, die SPD auf 15,5 und die Grünen auf 13. Damit wäre nur Kenia möglich – also Schwarz-Rot-Grün…

Söder: Wir wollen als Union möglichst stark werden, um genau so ein Szenario zu verhindern. Nur mit einer starken Union wird die Richtungsänderung möglich, die unser Land braucht. Jede Stimme für die AfD ist deshalb auch eine verschenkte Stimme. Deshalb: Mit beiden Stimmen CDU oder CSU wählen! Wir wollen neues Vertrauen, neue Stabilität und eine neue Stärke für unser Land aufbauen, auch wirtschaftlich. Unser Land steckt in einer tiefen Rezession, die Arbeitslosigkeit steigt und die Deindustrialisierung greift um sich. Das werden wir ändern.

Alle starren momentan nach rechts und man guckt wenig nach links. Jetzt mal angenommen, das wird nichts in der Mitte. Haben Sie denn nicht die Sorge, dass sich auch ein Linksbündnis formieren könnte? Dass man in einem dritten Wahlkampf dann dastünde mit einem Kanzler, den wir schon kennen, und linken Koalitionspartnern.

Söder: In Österreich ist zu beobachten, was das bedeuten würde. Eine Regierung aus Rot, Grün und Dunkelrot? Das wäre der wirtschaftliche Ausverkauf und würde der AfD noch mehr Aufschwung geben.

Die Linke mag vielleicht auf TikTok ganz lustig wirken, aber sie steht für unkontrollierte Zuwanderung und die Zerstörung der gesamten mittelständischen und wirtschaftlichen Strukturen.

„Deutschland braucht auch eine Hightech-Agenda“

Kurz und prägnant Was machen Sie sofort, wenn Sie mit der Union in der Regierung sind, damit sich die Wirtschaft erholt?

Söder: Es braucht vier Dinge zum Ankurbeln der Wirtschaft. Erstens: Leistung muss sich wieder lohnen. Deshalb wollen wir die Unternehmenssteuern, die Mehrwertsteuer in der Gastro und die Erbschaftsteuer deutlich senken und das Bürgergeld abschaffen.

Zweitens: Die Energiepreise müssen runter. Dazu gehört die Senkung der Stromsteuer, die Einführung eines günstigen Industriestrompreises und die Renaissance der Kernkraft.

Drittens: Die Bürokratie muss massiv abgebaut werden. Das Lieferkettengesetz und das Verbandsklagerecht müssen weg und aus dem Green Deal der EU muss ein Economic Deal werden.

Viertens: Innovation, Innovation, Innovation! Hier ist Bayern Vorbild. Wir tätigen mehr Investitionen in Luft- und Raumfahrt, KI und Super Tech als ganze Länder wie zum Beispiel Italien. Immer mehr Global Player siedeln sich bewusst bei uns im Freistaat an und schaffen Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Deutschland braucht auch so eine Hightech-Agenda, ansonsten sehen wir auf Dauer nur die Rücklichter der USA und Chinas.

„Einfach überall mehr Geld auszugeben, löst die Probleme nicht“

Wie wollen Sie all das finanzieren? Haben Sie einen Business-Plan für Deutschland, der das zeigt?

Söder: Wir werden das Steuer- und Abgabensystem über die nächsten Jahre neu organisieren. Außerdem werden wir bei den Ausgaben für Migration, Heizgesetz und Bürgergeld kürzen. Allein diese drei Bereiche kosten derzeit etwa 130 Milliarden Euro pro Jahr. Da werden wir kräftig rangehen.

Der Ökonom Michael Hüther sagt, an der Aufweichung der Schuldenbremse führe dennoch kein Weg vorbei. Unter welchen Umständen würden Sie da doch die Tür aufmachen?                                                                                                                              

Söder: Der Bund darf – anders als die Länder – schon jetzt pro Jahr 50 Milliarden Euro Schulden machen. Wer die Finanzarchitektur in Deutschland verändern will, muss mit uns erst über den Länderfinanzausgleich reden. Bayern zahlt jährlich fast zehn Milliarden Euro an andere Länder, das kann nicht sein. Und wir müssen ehrlich fragen, auf welche Bereiche wir uns als Staat fokussieren. Einfach überall mehr Geld auszugeben, löst die Probleme nicht.

„Sicherheit ist der Preis für Freiheit“

Wir bitten um einen kurzen Ausblick am Ende. Nehmen wir an, es gibt eine Regierung, die von CDU und CSU geführt wird. Sie versprechen, dass das Land aus dem Quark kommt. Wo stehen wir in genau einem Jahr bei den zentralen Themen?

Söder: Wir werden illegale Migration durch Grenzkontrollen und Zurückweisungen an der Grenze eindämmen und Straftäter schneller und konsequenter ausweisen. Dazu gehören auch Rückführungsabkommen mit Ländern wie Syrien und Afghanistan.

Wir werden die Bundeswehr massiv stärken, denn angesichts der Distanzierung der USA braucht es einen neuen Sound in Europa. Europa muss sich emanzipieren und mehr für die eigene Sicherheit tun – denn Sicherheit ist der Preis für Freiheit. Und wir werden in Deutschland einen neuen wirtschaftlichen Schub erleben mit Wachstum statt Rezession.

Wo steht dann die Wachstumsrate der deutschen Wirtschaft?

Söder: Zunächst müssen wir die Prognosen der aktuellen Regierung noch einmal kritisch prüfen, um den tatsächlichen Zustand zu ermitteln. Womöglich stehen wir derzeit noch etwas schlechter da als bislang kommuniziert. Wir werden alles tun, damit es wieder aufwärts geht.

Markus Söder beim FOCUS-online-Interview
Markus Söder beim FOCUS-online-Interview FOCUS online /Kirsch