Landwirtschaft verbindet: Anna-Maria Stürzer (22) und Franz Leitner (23) berichten über Alltag und Herausforderungen als Jungbauern
Anna-Maria Stürzer (22) und Franz Leitner (23) haben sich während ihrer Ausbildung kennen und lieben gelernt. Beide arbeiten auf den elterlichen Betrieben mit und wollen diese einmal übernehmen. In der heutigen Zeit gar nicht mehr so selbstverständlich.
Sie teilen ihren Beruf, ihre Lebensaufgabe und ihre Leidenschaft: Anna-Maria Stürzer (22) und Franz Leitner (23) haben sich während ihrer Ausbildung zum Landwirt kennen und lieben gelernt. Beide arbeiten auf den elterlichen Betrieben in Höhenkirchen und Unterföhring mit und wollen diese einmal übernehmen. „Es ist ein riesengroßer Vorteil, dass wir beide das Gleiche machen. Wir unterstützen uns gegenseitig und haben Verständnis, dass die Arbeit nach 17 Uhr eben nicht vorbei ist“, sagt Anna-Maria. „Aber wir haben beide auch einen Dickschädel“, fügt die 22-Jährige hinzu und lacht. Fünf Jahre, fast so lange wie beiden schon zusammen sind, haben sie überlegt und diskutiert, wie ihre Zukunft aussehen soll – und eine Lösung gefunden, mit der alle glücklich sind.
Schon als kleiner Bub im Holz geholfen
Ihr Vater und seine Mutter, Kreisobmann Anton Stürzer und stellvertretende Kreisbäuerin Claudia Leitner, kennen sich schon eine ganze Weile, doch die Kinder haben erst in der Berufsschule in München voneinander gehört. Für Franz stand schon seit Kindertagen fest, dass er den Hof mit 85 Hektar in Unterföhring einmal von seinem Vater Johann übernehmen möchte. „Meine beiden Brüder haben kein Interesse an der Landwirtschaft, sie arbeiten in anderen Berufen, aber mir hat es schon immer Spaß gemacht“, sagt er. Schon als kleiner Bub war er mit im Holz oder hat im Ort Rasen gemäht. „Mein Vater und ich kommen gut miteinander klar, das ist das A und O, man arbeitet ja täglich zusammen.“ Umso stolzer sind seine Eltern, dass Franz den Hof übernehmen möchte. Denn der Name Leitner und die Landwirtschaft gehört in Unterföhring seit Jahrhunderten zusammen. „Wichtig ist, dass man es mit Leidenschaft macht. Oft kommt es vor, dass man bei schönstem Wetter auf dem Traktor sitzt und nicht am See liegt.“ Leitner stört das aber nicht. „Ich habe dafür eine Klimaanlage im Bulldog“, sagt er und grinst.
Es ist ein ständiges Auf und Ab in der Landwirtschaft.
Anna-Marias Weg verlief anders. „Früher wollte ich Grundschullehrerin oder Ärztin werden. Ich bin nach der Ganztagesschule ins Fußballtraining und nicht auf den Schlepper“, sagt sie. Ihre Eltern haben sie und ihre zwei Schwestern nie gedrängt, auf dem Hof mit 110 Hektar mitzuarbeiten oder ihn gar zu übernehmen. „Erst durch ein Praktikum in der neunten Klasse auf einem Hof in Straßlach habe ich gemerkt, wie viel Spaß mir die Landwirtschaft macht. Sie ist so vielseitig und man arbeitet jeden Tag in der Natur“, sagt die Höhenkirchnerin. „Da habe ich mir gesagt: Genau das will ich machen.“
Hofsterben ist ein Thema: Immer weniger Höfe im Landkreis
Dass die Kinder das Erbe fortführen und auch als Bauern auf den elterlichen Betrieben arbeiten, wie Franz und Anna-Maria, ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Es gebe immer weniger Landwirte in der Region, es waren einmal 2000, heute sind es noch 500, sagte jüngst Johannes Bußjäger, Vorsitzender der „Keferloher Freunde“. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen ist der Beruf immer mehr Risiken ausgesetzt. „Es ist ein ständiges Auf und Ab in der Landwirtschaft“, sagt Anna-Maria. Sie selbst musste es vor ein paar Wochen miterleben, wie machtlos man gegenüber Wetterereignissen sein kann. Ein Hagelsturm machte die gesamte Ernte zunichte (wir berichteten). Monatelange Arbeit und Herzblut wurden innerhalb weniger Stunden zerstört. „Die klimatischen Verhältnisse haben sich geändert, keine Ernte ist mehr sicher, das war vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten noch anders.“ Es gibt zwar Versicherungen und Anna-Maria versucht mit dem Anbau verschiedener Kulturen den möglichen Schaden zu minimieren, doch eine Planungssicherheit gibt es nicht.
Ein weiterer Grund für viele Landwirte und ihre Kinder, den Beruf nicht weiter auszuführen, ist die gestiegene Bürokratie. „Ich bin 30 bis 50 Prozent der Zeit am Schreibtisch“, sagt die 22-Jährige. „Aber ich habe mich für die Landwirtschaft entschieden, um draußen zu sein und Flächen zu bewirtschaften. Das sorgt für viel Frust bei den Bauern.“ Vor allem vielen Nebenerwerbslandwirten, die noch einen anderen Job haben, sei der Aufwand zu groß. „Das Höfesterben ist leider ein großes Thema. Ich kenne einige, die nicht weitermachen wollen“, sagt Franz.
Öffentlichkeitsarbeit für mehr Verständnis in der Gesellschaft
Auch das Bild des Landwirts in der Gesellschaft trage dazu bei, dass sich immer weniger junge Erwachsene für den Beruf entscheiden. „Wir werden oft als Umweltverschmutzer dargestellt. Dabei liegt gerade uns die Umwelt und das Klima besonders am Herzen, es sind die Grundlagen unserer Arbeit“, sagt Anna-Maria. Ihr Freund ist oft mit dem Bulldog am Feringasee unterwegs. „Man weiß nie, wie die Leute reagieren. Manche zeigen Verständnis, andere beschimpfen dich. Es gibt Wochen, da bekomme ich täglich den Mittelfinger gezeigt.“ Die Höhenkirchnerin versucht die Nähe zwischen Bauern und Bürgern wieder herzustellen, indem sie Öffentlichkeitsarbeit betreibt. „Ich stelle Feldtafeln auf, nehme Kinder auf dem Schlepper mit oder führe Gespräche, wenn sich jemand interessiert. Die Leute haben einfach wenig Kontakt zur Landwirtschaft, deshalb haben sie oft auch kein Verständnis.“ Auch auf ihrem Instagram-Account „landwirtschaft_mit_anna“ klärt sie ihre schon mehr als 50 000 Follower über Themen der Landwirtschaft auf.
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Es gibt Wochen, da bekomme ich täglich den Mittelfinger gezeigt.
Auch wenn der Beruf immer mehr Herausforderungen bereithält, die beiden haben es nie bereut, sich dafür entschieden zu haben. „Wenn ich morgens um fünf Uhr auf dem Mähdrescher sitze und die Ruhe und Natur genieße, bin ich glücklich“, sagt Franz.
Masterplan für gemeinsame Zukunft
Doch wie haben sich die beiden jungen Landwirte entschieden, wie soll die Zukunft aussehen? „Wir wollen beide Höfe weiterführen, fester Wohnsitz soll aber in Höhenkirchen sein. Dafür nehme ich den Namen Leitner, wenn wir heiraten, an“, erklärt Anna-Maria den Masterplan. „Wenn wir mal zwei Kinder bekommen, kann ja jeder wieder einen Hof übernehmen“, ergänzt Franz und lacht.
Anna-Maria Stürzer kocht im BR
Bei der BR-Landfrauenküche besuchen sich sieben Landfrauen gegenseitig auf ihren Höfen. Für sie bedeutet der Hof㈠rundgang, einen Einblick in andere Betriebe zu bekommen. Was funktioniert dort und warum? Kann man sich für den eigenen Hof etwas abschauen? Während sich sechs Landfrauen im Stall und auf den Feldern umsehen, steht die siebte schon in der Küche. Beim Drei-Gänge-Menü werden Zutaten vom eigenen Hof verwendet und alte Familienrezepte werden neu interpretiert. Anna-Maria Stürzer aus Höhenkirchen ist in der zweiten Folge am Freitag, 7. Oktober, zu sehen. Außerdem ist die Sendung in der ARD-Mediathek abrufbar.