Deals statt Prinzipien: So funktioniert Trumps Venezuela-Strategie

Im Hinterhof der USA wachsen die Spannungen. Donald Trump droht dem Regime von Nicolás Maduro in Venezuela mit einer Militärintervention. Zu Sanktionen und wirtschaftlichem Druck ist seit Monaten eine massive Drohkulisse durch starke See- und Luftstreitkräfte vor den Küsten des südamerikanischen Landes gekommen.

Maduro, der dank getürkter Wahlergebnisse seit zwölf Jahren an der Macht ist, hat laut "New York Times" seine Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Er wechselt regelmäßig das Bett und das Mobiltelefon und tauscht seine Bodyguards teilweise gegen kubanische Agenten aus. Denn die USA haben ein Kopfgeld auf den sozialistischen Diktator ausgesetzt und es unlängst auf 50 Millionen Dollar verdoppelt – zweifellos in der Hoffnung, dass dies Mitarbeiter in Maduros engster Umgebung die Seiten wechseln lässt.

Für den Präsidenten zählen keine Prinzipien

Doch wer Trumps Politik kennt, weiß: Hinter der martialischen Rhetorik steckt selten eine ideologische Agenda. Für den Präsidenten zählen keine Prinzipien, keine langfristigen normativen Ziele – entscheidend ist allein, ob sich ein Deal machen lässt, der politisch verwertbar ist. Ende November telefonierte er gar mit Maduro, angeblich, um ein mögliches Treffen zu besprechen. Die Rede ist auch von einem Regimewechsel in Caracas durch Maduros Ausreise nach Russland oder in ein anderes exilwilliges Land seiner Wahl. 

Venezuela bleibt also trotz und neben anderen internationalen Spannungen und Krisenherden im Zentrum amerikanischer Interessen. Aber eine Militäraktion mit Truppen auf dem Boden will Trump vermeiden, weil er im Wahlkampf versprochen hat, im Gegensatz zu nahezu allen anderen US-Präsidenten keine Soldaten ins Ausland zu schicken, sondern sie im Gegenteil heimzuholen.

Militärschläge etwa gegen militärische oder politische Infrastruktur durch Drohnen, Raketen oder Kampfflugzeuge wären denkbar – doch der Effekt bliebe aus der Perspektive von Trump überschaubar. Welche Deals sind also denkbar?

1. Bekämpfung des Drogenschmuggels

Caracas wird von Washington des "Drogenterrorismus" durch das "Cartel de los Soles" (Sonnenkartell) beschuldigt. Seit September werden Speed-Boote mit angeblichen Drogenschmugglern vom US-Militär angegriffen.

Allerdings sagen Experten, dass aus Südamerika auf dem Seeweg hauptsächlich Kokain für den europäischen Markt geschmuggelt wird, während die in den USA tödlichste Droge überhaupt, Fentanyl, fast ausschließlich über Land aus Mexiko ins Land gebracht werde.

Mindestens 83 Menschen an Bord derartiger Boote wurden durch bislang 21 bestätigte US-Militärschläge getötet; weil bei dem allerersten derartigen Einsatz zwei Überlebende einer ersten Attacke durch einen angeordneten zweiten Angriff auf das Wrack gezielt getötet worden sein sollen, muss "Kriegsminister" Pete Hegseth aktuell dem Kongress Rede und Antwort stehen. Darauf hatten diesmal Trumps sonst weitgehend handzahmen Republikaner ebenso gedrungen wie die oppositionellen Demokraten.

Wie könnte ein Deal an dieser Stelle aussehen? Maduro bestätigt öffentlich, dass aus Venezuela Drogen geschmuggelt werden und dass es sich laut Ermittlungen seiner Regierung bei den Besatzungen der angegriffenen Speed-Booten tatsächlich um Kriminelle gehandelt habe. Er kündigt die Bekämpfung derartiger Schmuggeloperationen an. Als "Wiedergutmachung" für den Schaden, den eingeschmuggelte Drogen in den USA tatsächlich oder angeblich verursacht haben, verkündet er eine Bevorzugung der USA beim Ölhandel – siehe nächster Punkt.

2. Energie statt Ideologie

Wirtschaftlich ist Venezuela schwer angeschlagen, politisch ist die Diktatur von Nicolás Maduro isoliert, aber nach wie vor bildet es ein Schwergewicht im globalen Ölmarkt. Die Ölvorräte Venezuelas übertreffen die von Saudi-Arabien, Iran, Irak oder Kanada. Für Trump, der Benzinpreise als politisches Thermometer begreift, ist das Land damit kein Gegner aus Prinzip, sondern ein potenzieller Verhandlungspartner. Denkbar ist eine Einigung auf dieser Grundlage.

Ein mögliches Abkommen ließe sich entlang klarer Linien skizzieren: begrenzte Sanktionserleichterungen für den Energiesektor sowie Nichtangriffsgarantien der USA im Austausch für höhere, stabilere und für die USA zugängliche Ölfördermengen – mithin eine Privilegierung Amerikas am Markt. Trump müsste keine politische Anerkennung Maduros liefern, keine demokratische Öffnung einfordern, keine moralischen Bekenntnisse ablegen – nur ein Geschäft abschließen, das er zu Hause verkaufen kann.

Für Caracas wiederum wären kontrollierte Exporte überlebenswichtig. Devisen, Technologietransfer, ein zumindest teilweise erneuerter Zugang zu internationalen Finanzströmen: All das könnte Maduro nutzen, um sein wirtschaftlich erschöpftes System zu stabilisieren – auch wenn die Wirkung begrenzt bleiben wird in einem Land mit einer verstaatlichten Ölindustrie, die zu Ineffizienz und Korruption damit einlädt.

Aber dass ideologische Differenzen zwischen Washington und Caracas weiterhin bestehen blieben, wäre für Trump kaum von Bedeutung. Entscheidend ist der Nutzen – und der könnte in diesem Fall beidseitig sein. 

3. Migration als politisches Druckmittel 

Kaum ein Thema polarisiert die US-Innenpolitik so stark wie Migration, und auf diesem Gebiet hat Trump weiterhin seine höchsten Zustimmungswerte. Die Zahl venezolanischer Migranten in die USA ist infolge der sozialistischen Verelendung unter Maduro und seinem Vorgänger Hugo Chavez seit Jahren massiv gestiegen – von 33.000 Zuwanderern 1980 auf 770.000 im Jahr 2023. Für Trump ist das ein willkommenes Argument, um Härte zu demonstrieren. Doch auch hier zeigt sich die Logik seiner Präsidentschaft: Hinter der Härte steckt weniger Überzeugung als Kalkül.

Ein Deal mit Maduro über Rücknahmeabkommen oder über Maßnahmen, die den Exilstrom venezolanischer Migranten verringern, könnte für Trump ein innenpolitischer Gewinn sein. Allein die Reduzierung von Sanktionen könnte neue Jobs in Venezuela schaffen und Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive bieten. Rückführungen, bilaterale Koordination, vielleicht sogar eine begrenzte finanzielle oder technische Unterstützung könnten Teil eines solchen Pakets sein.

Maduro wiederum könnte im Gegenzug diplomatische Anerkennung erwarten – nicht im vollen Umfang, aber doch in Form offizieller Kanäle, die ihm internationale Legitimation verschaffen. Dass Trump dafür Kritik aus dem eigenen politischen Lager in Kauf nehmen müsste, wäre für ihn kein Hindernis. Entscheidend ist, ob er den Deal im eigenen politischen Interesse nutzen kann. Und Migration ist in dieser Hinsicht ein außerordentlich wertvoller Hebel.

4. Politische Zugeständnisse gegen Garantien – zumindest auf dem Papier

Dass Trump autoritären Führern offen gegenübertritt, hat er bereits in seiner ersten Amtszeit und wiederholt am Beispiel Putin demonstriert. Ihm geht es nicht darum, politische Systeme zu verändern, Demokratien und westliche Werte zu fördern oder Menschenrechte zu schützen. Stattdessen betrachtet er Machtverhältnisse nüchtern – und mögliche Austauschbeziehungen ebenso.

In diesem Sinne wäre ein politischer Deal mit Maduro denkbar, der dem Regime begrenzte Zugeständnisse abverlangt, etwa eine kontrollierte Öffnung des politischen Systems oder transparente Wahlprozesse. Im Gegenzug könnte die US-Regierung Garantien für die Sicherheit zentraler Akteure des Regimes geben – informell oder formal, direkt oder über Partner vermittelt.

Ein solcher Deal wäre hochsensibel, innenpolitisch riskant und außenpolitisch umstritten. Aber Trump hat mehrfach gezeigt, dass er bereit ist, diplomatische Tabus zu brechen, wenn er darin einen möglichen persönlichen oder politischen Nutzen erkennt. Er nennt so etwas bekanntlich "The Art of the Deal", die Kunst des Abschlusses – und das gilt für ihn in der Politik ebenso wie in seinem früheren Leben auf dem Immobilienmarkt.

Pragmatismus ohne Kompass

Trump folgt in seiner Außenpolitik keinem moralischen Kompass, er hat weder eine ideologische Linie noch klare Prinzipien. Er reagiert auf Situationen, er bewertet Macht- und Marktlogiken, und er sucht nach Gelegenheiten, die sich in politische Erfolge umwandeln lassen.

Für Venezuela bedeutet das zweierlei: Einerseits hat das Land unter Trump eine deutlich härtere Gangart zu erwarten, weil Druck für ihn ein Verhandlungsinstrument ist – Militäraktionen eingeschlossen. Andererseits eröffnet genau dieser Druck neue Türöffner für Deals – solange diese für die USA und vor allem Trump selbst vorteilhaft sind. So könnte Venezuela von einem Gegner zum Geschäftspartner werden – nicht aus Überzeugung, sondern aus Kalkül. Der Deal ist alles.

Dieser Beitrag erschien in Zusammenarbeit mit "The European".

  • LMV

    Bildquelle: LMV

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