Der wichtigste Sieg seines Lebens: Sane Sadibou darf in Deutschland bleiben

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Sane, der Dauerläufer: Beim Firmenlauf der VR-Bank startete Sane Sadibou für die Stadt Dachau. © Privat

Vor zwei Jahren drohte dem Senegalesen Sane Sadibou die Abschiebung. Der damals 43-Jährige war verzweifelt, doch eine Welle der Unterstützung setzte sich für ihn ein. Jetzt hat sie mit der Zustimmung des Innenministers ein glückliches Ende gefunden.

Ohne Sport, sagt Sane Sadibou, wäre er „kaputt im Kopf“. Jeden Tag geht er laufen, nach der Arbeit, vor der Arbeit oder an freien Tagen. Sonst hätte er es nicht ausgehalten.

Seit 2015 ist Sane Sadibou in Deutschland. Ein Jahr später, 2016, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seinen Asylantrag ab. Der Senegal, Sane Sadibous Herkunftsland, ist nach Argumentation der Berliner Ministerialen ein sicheres Herkunftsland. Er wurde offiziell zur Ausreise verpflichtet.

Doch Sane Sadibou blieb in Deutschland. Er lebte erst in der Dachauer Asylunterkunft an der Lilienstraße, später in Hebertshausen, hangelte sich von Duldung zu Duldung und arbeitete nebenbei bei der Dachauer Stadtgärtnerei. 25 Stunden pro Woche war er auf dem Waldfriedhof im Einsatz, für einen Monatslohn von 80 Euro. Was andere fast schon als sittenwidriges Arbeitsverhältnis bezeichnen würden, machte Sane Sadibou dennoch Spaß. Er war draußen, hatte Beschäftigung. Von seinen Mitbewohnern in der Unterkunft, die „Frauen und Alkohol und schwarzfahren machen“, wollte er sich nämlich fernhalten.

Sane, der Friedhofsgärtner: bei der Grabpflege von Ehrengräbern mit seinem Kollegen Martin Niedermaier.
Sane, der Friedhofsgärtner: bei der Grabpflege von Ehrengräbern mit seinem Kollegen Martin Niedermaier. © Norbert Habschied

Im Jahr 2022 war dann aber das Ende der juristischen Fahnenstange erreicht. Trotz des Einsatzes von Oberbürgermeister Florian Hartmann, der Briefe an die Regierung von Oberbayern schrieb, in denen er den Fleiß und den Einsatz des heute 45-Jährigen lobte, trotz der Unterstützung seiner Betreuer Peter Barth, Christine Kuhn, Beate und Peter Heller sowie einer Anwältin, rückte die Abschiebung näher. „Ich konnte nicht mehr schlafen, nicht mehr essen“, erzählt Sane Sadibou. Andere wären vielleicht abgetaucht, er aber stellte sich darauf ein, bald in Abschiebehaft zu landen.

Viel Engagement und die Öffentlichkeit führen zum Erfolg

Peter Barth, sein langjähriger Begleiter und Sprecher der Asylhelferkreise im Landkreis, wollte allerdings nicht aufgeben. Er ging an die Öffentlichkeit, die Heimatzeitung berichtete. Und dies zeigte Wirkung! Bei Sane Sadibous Betreuerin Christine Kuhn meldete sich eine Frau, die wusste, wie man im Senegal an Papiere kommt – bis zu diesem Zeitpunkt hatte Sane Sadibou nämlich keinen Pass.

Und auch der oberbayerische Politiker Stephan Mayer, Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Sport und Ehrenamt, hörte von dem Fall. In einem Brief an den Regierungspräsidenten Konrad Schober schrieb er: „Der Fall von Sane Sadibou zeigt, wie Integration in Bayern gelingen könnte. Dabei gilt es, diejenigen, die integrationswillig sind, zu unterstützen. Das Gegenteil geschieht nun aber im Fall von Sane Sadibou.“ Auf das Schreiben hin kam es zu einem Gespräch zwischen Mayer und Schober, von dessen Inhalt zumindest so viel bekannt wurde: Sane Sadibou soll Zeit bekommen, sich Papiere zu organisieren. Auf der Liste der Abschiebungen sollte sein Fall erst einmal weit nach hinten wandern.

Diese Zeit nutzten die Unterstützer von Sane Sadibou. In stundenlangen Gesprächen mit einem senegalesischen Landsmann schaffte es der 45-Jährige, im Dickicht der (korrupten) Bürokratie seines Heimatlands zuständige Beamte zu identifizieren. Im senegalesischen Konsulat in Paris, wohin er von seinem Unterstützer Peter Heller begleitet wurde, klappte schließlich die Übergabe der nötigen Papiere. Damit hatte Sane Sadibou zum ersten Mal in seinem Leben einen Pass. Und die echte Chance, vor der Härtefallkommission zu bestehen.

Sane, der Teamspieler: mit seinen Kollegen Rolf Grams, Gragica Filipovic, Sead Muminovic und Martin Niedermaier (v. l.).
Sane, der Teamspieler: mit seinen Kollegen Rolf Grams, Gragica Filipovic, Sead Muminovic und Martin Niedermaier (v. l.). © Norbert Habschied

Diese Kommission ist laut Landrat Stefan Löwl der „Bypass“ beziehungsweise die einzige Möglichkeit für ausreisepflichtige Ausländer, nach Prüfung ihres Einzelfalls doch noch zu einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu kommen. In der Kommission sitzen Vertreter der Kirchen, der freien Wohlfahrtspflege sowie der kommunalen Spitzenverbände.

Der bayerische Innenminister, so erklärt es eine Ministeriumssprecherin auf Nachfrage der Heimatzeitung, ist zwar „nicht verpflichtet, einem Härtefallersuchen zu entsprechen“. Dennoch, sagt Landrat Löwl, „weiß ich von keinem einzigen Fall, dass Joachim Herrmann einer Entscheidung der Kommission nicht gefolgt ist.“

Ein unbefristetes Leben in Deutschland

Und auch bei Sane Sadibou sollte es so kommen. Ende Juli beschied die Härtefallkommission positiv über Sane Sadibous Aufenthalt. Und auch der Innenminister Joachim Herrmann hat laut einer Sprecherin „bereits entschieden, dem Ersuchen der Härtefallkommission zu entsprechen“. Der Ausländerbehörde im Dachauer Landratsamt werde daher „wie auch in vergleichbaren Fällen, angeordnet, auf der Grundlage von Paragraph 23a Aufenthaltsgesetz eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, die regelmäßig zunächst auf ein Jahr befristet wird. (...) Auch das Hineinwachsen in ein Daueraufenthaltsrecht nach Paragraph 26, Absatz 4 Aufenthaltsgesetz ist grundsätzlich möglich“.

Konkret bedeutet dies laut Landrat Löwl, dass Sane Sadibou, sofern er seine Arbeit behält und auch nicht kriminell wird, dauerhaft in Deutschland bleiben kann. „Im allerbesten Fall wird er eingebürgert.“

Sane Sadibou ist dankbar, dass sein neunjähriger juristischer Marathon nun endlich über die Ziellinie gegangen ist. „Bis zur Rente“ will er bei der Stadt Dachau arbeiten, die ihm – endlich – einen echten, unbefristeten Arbeitsvertrag gegeben hat. Mit seinem Gehalt kann er sich nun auch eine eigene kleine Wohnung leisten. Vielleicht, so sagt er, fährt er irgendwann auch mal in Urlaub – nach Italien, in das Land, von dem ihm sein italienischer Arbeitskollege immer so vorschwärmt. Und er würde gern im Oktober beim München-Marathon mitlaufen. Denn jetzt, sagt er erleichtert, „ist alles okay, mein Kopf ist frei“.

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