„Ungenügend“: Habeck kassiert Ohrfeige vom Bundesrechnungshof für schlechte Strompolitik
Hohe Preise, schlechter Netzausbau, zu wenig neue Leistung: Der Rechnungshof stellt Mängel bei der Strompolitik der Ampel fest.
Berlin – Die Ampel-Koalition war als Fortschrittskoalition gestartet. Gerade im Bereich Energie und Klima wollten SPD, Grüne und FDP Deutschland in eine Vorreiterrolle bringen. Olaf Scholz bezeichnete sich gar als „Klimakanzler“. Diese Ambitionen konnte die Bundesregierung nach Ansicht eines Berichts des Bundesrechnungshofs jedoch bisher nicht erfüllen.
Das Urteil des Bundesrechnungshofs fällt vernichtend aus: Ein am Donnerstag, 7. März, veröffentlichter Sonderbericht verpasst der Regierung die Note „ungenügend“. Deutschland hinke bei der Energiewende hinterher. Die Maßnahmen „bergen gravierende Risiken für die energiepolitischen Ziele“, sagte Rechnungshofpräsident Kay Scheller. „Das Ziel einer sicheren Versorgung mit Strom kann so langfristig nicht gewährleistet werden.“
Teurer Strom, Gefährdung der Versorgung: Rechnungshof fordert Reaktion der Regierung bei der Energiewende
Die Liste mit Kritikpunkten des Rechnungshofes ist lang: Strom sei teuer, die Versorgung sei gefährdet und die Umwelteinwirkungen könnten nicht umfassend bewertet werden. Besonders der schleppende Ausbau der erneuerbaren Energien, der Stromnetze sowie der mangelnde Aufbau weiterer Erzeugungskapazitäten steht in der Kritik. „Die Bundesregierung muss umgehend reagieren“, heißt es darin. Andernfalls drohe die Energiewende zu scheitern. Damit schließt sich die deutsche Kontrollinstanz dem EU-Rechnungshof an, der ebenfalls bei den Klimazielen Mängel festgestellt hat.

Die Bundesnetzagentur hat laut Rechnungshof 2024 nur die Hälfte der vorgesehenen Leistung für Windenergien an Land per Ausschreibung vergeben können. „Das nicht vergebene Ausschreibungsvolumen von 6,46 GW entspricht der Leistung von vier bis sechs Braunkohle- oder Kernkraftwerken“, heißt es in dem Bericht. Um das Ziel zu erreichen, sei 2024 nun 16,46 Gigawatt nötig. Das sei unrealistisch.
Auch der Ausbau der Stromnetze sei erheblich hinter der Planung zurück: Laut Rechnungshof sieben Jahre und knapp 6000 Kilometer.
Rechnungshof fordert von Ampel-Regierung Ausbau „gesicherter, steuerbarer Kraftwerksleistung“
Rechnungshofchef Scheller erinnerte bei der Vorstellung des Berichts laut FAZ daran, dass das Energiewirtschaftsgesetz vorgebe, dass die Versorgung zugleich sicher, bezahlbar und umweltverträglich sein müsse. Der Rechnungshof fordert die Regierung auf, auch „Worst-Case-Szenarien“ zu berücksichtigen und – neben erneuerbaren Energien – auch den Ausbau „jederzeit gesicherter, steuerbarer Kraftwerksleistung sicherzustellen“.
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Auf der Liste der Kritikpunkte ebenfalls enthalten sind die hohen Strompreise. Sie gehörten zu den höchsten in der EU, erklärt der Rechnungshof. Das Wirtschaftsministerium berücksichtige die für den Stromausbau notwendigen Investitionskosten nicht bei seiner Darstellung der Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien, teilte der Rechnungshof weiter mit. „Die Bundesregierung muss die Systemkosten der Energiewende klar benennen. Darüber hinaus sollte sie endlich bestimmen, was sie unter einer bezahlbaren Stromversorgung versteht.“
Dass der Ausbau beschleunigt werden muss, sieht auch Robert Habecks Wirtschaftsministerium in einer Stellungnahme für den Bericht so. Maßnahmenpakete von 2022 wirkten jedoch erst zeitversetzt. Die Installation und Genehmigungen von Windenergieanlagen an Land hätten im Jahresvergleich aber bereits deutlich zugenommen.
Verband der Energie- und Wasserwirtschaft sieht keine „Versorgungslücke“ beim Strom
Unterstützung erhält Habecks Ministerium vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Bei aller berechtigten Kritik in einzelnen Punkten: Der Bundesrechnungshof schießt mit seiner Generalkritik über das Ziel hinaus“, erklärt der Verband. Die Bedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien hätten sich deutlich verbessert und auch beim Netzausbau gebe es erkennbare Fortschritte.
„Eine ‚Versorgungslücke‘ im Stromsystem, wie sie der Bundesrechnungshof befürchtet, sehen wir nicht“, heißt es in einer BDEW-Mitteilung. Die Bundesregierung müsse jedoch Tempo machen, um den Zubau wasserstofffähiger Gaskraftwerke zu ermöglichen. (ms mit Agenturen)