Weidel kämpft um Familienpolitik - „Vater, Mutter, Kinder“: AfD-Basis schießt mit Antrag gegen eigene Kanzlerkandidatin
Der AfD-Parteitag in Riesa soll zur großen Bühne für Alice Weidel werden. Am 11. und 12. Januar treffen sich die Delegierten der in Teilen rechtsextremen Partei, um ihre Kanzlerkandidatin zu feiern und das Programm für die Bundestagswahl zu verabschieden. Doch wie so oft bei der AfD wird das nicht ohne kleine Scharmützel vonstattengehen. Eine Spitze in der Programmdebatte wird sich dabei ganz konkret gegen Weidel selbst richten.
In einem Punkt passt die Kanzlerkandidatin nämlich nicht so recht zur Ideologie der AfD. Die lesbische Weidel lebt in einer eingetragenen Partnerschaft mit einer aus Sri Lanka stammenden Frau. In der Partei fremdeln damit einige – mal mehr, mal weniger offen ist das Thema.
Wahlprogramm fällt hinter Grundsatzprogramm zurück
Entsprechend heikel ist die Familienpolitik der AfD. Eigentlich – so steht es auch im Grundsatzprogramm – orientiert sie sich an einem „Bekenntnis zur traditionellen Familie“. Damit gemeint ist: „In der Familie sorgen Mutter und Vater in dauerhafter gemeinsamer Verantwortung für ihre Kinder.“ Alternative Modelle mit zum Beispiel Mutter und Mutter, wie Weidel und ihre Partnerin es für zwei Söhne sind, sind nicht erwünscht.
In dem Programmentwurf für die Bundestagswahl 2025 war so eine klare Positionierung aber plötzlich nicht mehr zu finden. Eine Definition von Familie findet sich gar nicht mehr. Aufschlussreicher ist dafür gleich in mehrerlei Hinsicht, was die AfD-Basis an dem Leitantrag des Bundesvorstandes ändern will.
Zwei Anträge wollen Familie mit „Vater, Mutter, Kindern“
Einer von zwei entsprechenden Anträgen kommt vom zuständigen Bundesfachausschuss. Er will die bisherige Formulierung „Die Familie ist die Keimzelle unserer Gesellschaft“ erweitern. So soll es dann in Anlehnung an das Grundsatzprogramm heißen: „Die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern, ist die Keimzelle unserer Gesellschaft.“
Schon das allein kann man als Spitze gegen Weidel verstehen. Noch deutlicher wird das aber in der Begründung des Änderungsantrags: Dort heißt es, dass die vorgeschlagene Neuformulierung bereits im ursprünglichen Entwurf gestanden habe – die Programmkommission habe ihn dann aber gestrichen. Das könnte man so deuten, dass die Fachpolitiker die schärfere Formulierung wollten, aber von der eher der Kanzlerkandidatin nahestehenden Programmkommission ausgebremst wurden.
„Linksideologische Umdefinition lehnen wir ab“
In der Begründung eines zweiten Antrags, der auf eine sehr ähnliche Formulierung abzielt, wird die Haltung der AfD-Basis deutlich: „Jegliche linksideologische Umdefinition lehnen wir entschieden ab.“ Dann wird auf das SPD-Programm verwiesen, in dem eine besonders weite Familien-Definition steht. Den Begriff wollen die Sozialdemokraten für alles verwenden, „wo Menschen aufeinander achtgeben und füreinander einstehen wollen“. Der Antrag konstatiert schließlich: „Die SPD mag völlig woke umfallen, aber die AfD bleibt auf Kurs.“
Die AfD-Basis wird nun abwägen müssen, ob sie die klarere Formulierung durchsetzen wollen – und damit das Risiko eingehen, dass Weidel im Wahlkampf immer wieder auf den Widerspruch zwischen Programm und eigener Familienplanung angesprochen wird. Das könnte aber auch schon allein die Debatte und Abstimmung auf dem Parteitag bewirken. Möglich ist deshalb auch, dass die Delegierten in Riesa für eine Nichtbefassung der beiden Anträge stimmen und damit eine klare Richtungsentscheidung aufschieben.
Basis will Wehrpflicht gegen Chrupallas-Willen zum Thema machen
In einem anderen umstrittenen Punkt könnte AfD-Chefin Weidel aber mit Unterstützung der Basis das Programm zu ihren Gunsten umgestalten. Im Entwurf fand sich am Ende nämlich keine Forderung nach der Wiedereinsetzung der Wehrpflicht wieder. Weidels Co-Chef Chrupalla hatte das unter anderem damit begründet, dass es sich dabei um kein „Gewinnerthema“ handle. Die Wehrpflicht, so die Angst, könnte als Kriegstreiberei empfunden werden, was vor allem in den ostdeutschen Bundesländern der Wahlkampfstrategie zuwiderläuft, Angst vor einer Ausweitung des Kriegs in der Ukraine zu schüren.
Anders als der aus dem Osten stammende Chrupalla will die westdeutsche Weidel das Thema aber im Programm unterbringen. Weil das bei einer Befragung offenbar auch die Mehrheit der Basis so gesehen hat, beantragt die Programmkommission nun die Aufnahme der Wehrpflicht in den Text.
Wird rechtsextreme AfD-Jugend fortbestehen?
Neben Programmdebatten steht auf dem Parteitag auch eine Richtungsentscheidung für die Parteistruktur an. Die bisher unabhängige Jugendorganisation Junge Alternative soll nach dem Willen des Bundesvorstandes durch eine „Patriotische Jugend“ ersetzt werden, die enger von der Mutterpartei kontrolliert wird.
Doch der Vorstand der existierenden Jugendorganisation stemmt sich dagegen und will die eigene Organisation mit einem Gegenantrag retten – obwohl diese vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird. Weidel wird also gleich an mehreren Stellen Feuer löschen müssen. Erst dann kann sie sich in Ruhe für ihre Kanzlerkandidatur feiern lassen.