„Kosten Steuerzahler täglich 200.000 Euro“ - Regierung feierte neue Erdgas-Terminals, heute sind es nur noch „Milliardengräber“
Es war einer der wenigen Glücksmomente der Ampel-Regierung. Im Dezember 2022, nur zehn Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, reisten Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und der damalige Finanzminister Christian Lindner (FDP) gemeinsam nach Wilhelmshaven. Der Grund: Die Einweihung des ersten LNG-Terminals.
Mit gelben Schutzwesten, dick eingepackt gegen die Kälte, feierten die drei Männer, dass im „Deutschlandtempo“ der Bau des schwimmenden Importterminals mit dem Spezialschiff „Höegh Esperanza“ gelungen war.
„Es ist ein guter Tag für unser Land, ein gutes Zeichen auch an die ganze Welt“, sagte Scholz. Ein historischer Tag.
Ziemlich genau zwei Jahre später ist es in Wilhelmshaven deutlich ruhiger geworden. Die „Höegh Esperanza“ liegt weiter im einzigen Tiefseehafen Deutschlands, doch mit dem Jahreswechsel wird sie den Betrieb erst einmal einstellen, für vier Monate, heißt es vom Betreiber, der bundeseigenen Deutschen Energy Trading GmbH (DET).
Der Grund: Die Kapazitäten bis April wurden nicht vermarktet. Und auch die Zukunft ist ungewiss.
- Nur zu 64 Prozent ist das LNG-Terminal in Wilhelmshaven nur ausgelastet
Die deutschen LNG-Terminals stecken in der Krise, seit Deutschlands Energieversorgung nicht mehr in der Krise steckt. Denn das Flüssigerdgas ist teurer als Pipeline-Gas und die Ausfälle aus Russland werden inzwischen zum größten Teil aus Norwegen ersetzt.
"Es ist jetzt an der Zeit, dass die Bundesregierung überprüft, welche der sechs schwimmenden LNG-Terminals Deutschland noch benötigt" Constantin Zerger, Leiter Energie und Umweltschutz bei der Deutschen Umwelthilfe
Entsprechend gering sind die schwimmenden Terminals ausgelastet. Nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) war Wilhelmshaven seit Jahresbeginn bis Mitte Dezember nur zu 64 Prozent ausgelastet.
Ähnlich ist die Lage in Brunsbüttel (68 Prozent), deutlich schlechter bei den beiden Anlagen auf Rügen (zehn Prozent). Und das, obwohl sich in Stade und Wilhelmshaven der Bau von zwei weiteren schwimmenden Anlagen verzögert hat.
LNG-Terminals kosten rund 200.000 Euro – pro Tag und Schiff
„Es ist jetzt an der Zeit, dass die Bundesregierung überprüft, welche der sechs schwimmenden LNG-Terminals Deutschland noch benötigt“, sagt Constantin Zerger, Leiter Energie und Umweltschutz und LNG-Experte bei der DUH.
Dass die Bundesregierung weiter mit festen, noch größeren Anlagen plant, hält er für eine Fehlentscheidung. Sie würden „definitiv nicht gebraucht und müssen abgeblasen werden“.
"Die Terminals sind kurz- und mittelfristig für die Resilienz der deutschen und europäischen Gasversorgung essenziell" Eine Sprecherin der Bundeswirtschaftsministeriums
Zerger hält die vielen LNG-Terminals für „Milliardengräber. Der Betrieb eines einzigen LNG-Terminalschiffs kostet den Steuerzahler schätzungsweise jeden Tag mehr als 200.000 Euro und belastet das Klima erheblich“, sagte er dem Tagesspiegel.
Im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz von Vizekanzler Habeck sieht man das ganz anders. „Die Terminals sind kurz- und mittelfristig für die Resilienz der deutschen und europäischen Gasversorgung essenziell“, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Sie betont, dass man sich nicht auf das Gas aus Norwegen verlassen könne: „Wenn es eine Havarie oder einen Anschlag gibt, könnte die Gefahr einer Gasmangellage gegeben sein“, schreibt sie.
"Um gefährliche Abhängigkeiten und klimaschädliche Anreize zu reduzieren, müssen wir ernsthaft über den Rückbau dieser Überkapazitäten diskutieren" Die Grünen-Abgeordnete Lisa Badum findet, es gebe zu viele LNG-Terminals.
Doch selbst in Habecks Partei wächst die Kritik an den Terminals. „Um gefährliche Abhängigkeiten und klimaschädliche Anreize zu reduzieren, müssen wir ernsthaft über den Rückbau dieser Überkapazitäten diskutieren“, sagt Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, dem Tagesspiegel.
Das sieht ihr früherer liberaler Koalitionspartner ganz anders. „Es wäre kurzsichtig, sie jetzt infrage zu stellen“, sagt FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler über die LNG-Terminals. „Läuft die Wirtschaft erst mal wieder auf Hochtouren, steigt auch der Energiebedarf und die LNG-Kapazitäten werden dann dringend gebraucht“, ist er sich sicher. Zudem würde Erdgas eine Schlüsselrolle spielen, „um auch in Dunkelflauten eine stabile und bezahlbare Energieversorgung sicherzustellen“.
Auch in der Union will man nichts von einem Rückbau der LNG-Terminals wissen: „Mich wundert es, wenn immer wieder von Überkapazitäten bei unserer Gasversorgung gesprochen wird. Es wird dabei komplett übersehen, dass Gaspipelines und auch LNG-Terminals Sabotageaktionen zum Opfer fallen können“, sagt der CDU-Energieexperte Mark Helfrich.
Im Wirtschaftsministerium betont man jedoch, dass man die schwimmenden Terminals weiter vermarkten werde, wenn die landseitigen Terminal-Projekte abgeschlossen sind. „Es wird kein Nebeneinander von schwimmenden und festen Terminals geben“, sagt eine Sprecherin.
Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe überzeugt diese Argumentation schon lange nicht mehr. Er wirft dem Haus von Habeck vor, den Klimaschutz, für den das Ministerium auch verantwortlich ist, zu vernachlässigen. „Ich würde mir wünschen, dass die deutsche Regierung mit der gleichen Vorsicht, wie sie fossile Infrastruktur plant, auch den Klimaschutz vorantreibt.“
Von Felix Hackenbruch