Kult-Figuren aus „Stoa 169“ gestohlen: „Die Diebe sind fortan mit einem Fluch belegt“
Diebstahl in der Pollinger Säulenhalle „Stoa 169“: Von der Stele des afrikanischen Künstlers Georges Adéagbo wurden sieben Zwillingsfiguren entwendet. Stoa-Initiator Bernd Zimmer ist entsetzt, denn die Figuren sind heilig.
Zwischen 80 000 und 100 000 Menschen pilgern jährlich zur „Stoa 169“ an der Ammer bei Polling. So schätzen es jedenfalls die Betreiber um den Pollinger Maler Bernd Zimmer anhand mitgenommener Prospekte und verkaufter Broschüren – denn eine konkrete Erfassung gibt es nicht: Die 2020 eröffnete Künstlersäulenhalle mitten in der Natur ist frei und kostenlos zugänglich, alle Tage von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang.
Probleme in puncto Vandalismus gibt es trotzdem kaum. Zwar würden in manches Werk mal „Namen oder Herzchen reingekratzt“, berichtet Zimmer. Mitunter gebe es auch „Schäden durch Klettern“, das natürlich weder erlaubt noch ratsam ist. Aber das, so der Initiator, „sind kleine Kollateralschäden“, mit denen man bei so einem Projekt rechnen müsse und gerechnet habe.
Die Tat wurde vergangenen Sonntag festgestellt
Ganz anders verhält es sich mit der Tat, die vergangenen Sonntag in der „Stoa 169“ festgestellt wurde: Unbekannte haben zwischen 31. August und 7. September von der Säule des weltweit bekannten Künstlers George Adéagbo sieben Zwillingsfiguren entwendet, und das gezielt, so Zimmers Überzeugung. Die Figuren wurden im unteren Bereich der knapp vier Meter hohen Stele entfernt, „dort wo man mit den Händen noch hinkommt“. Die Schrauben sind zum Teil noch zu sehen. „Da muss man schon ziemlich popeln“, meint Bernd Zimmer – und ist spürbar entsetzt von dem Vorfall: „Dadurch ist ein ganzes Kunstwerk zerstört.“

Für den Gründer und Leiter der „Stoa 169“ steht zudem fest: „Der Entwender hat sich damit in Gefahr begeben.“ Denn die von der Säule „Le foret des dieux“ ( „Der Wald der Götter“) gestohlenen Figuren repräsentieren verstorbene Zwillingskinder, und sie sind heilig. „Für die Diebe kann diese Tat nach dem Glauben der Yoruba gefährliche Auswirkungen haben, fortan mit einem Fluch belegt werden oder gar zu schrecklichen Geschehnissen wie Unfällen oder Erkrankungen führen“, heißt es in einer Pressemitteilung der „Stoa 169“-Stiftung zu dem Kunstdiebstahl.
Die Säule verweist auf einen bedeutsamen Kult der Yoruba
Dem Volk der Yoruba gehören etwa 20 Millionen Menschen an, vorwiegend in Nigeria und Benin, erklärt die Stiftung zum Hintergrund von Adéagbos Kunstwerk. Wegen der großen Anzahl an Mehrlingsgeburten – eine von 23 Geburten unter Yoruba sei eine Zwillings- oder Drillingsgeburt, viermal häufiger als in Europa – nähmen Zwillinge in dieser Kultur eine besondere Rolle ein, da sie als Träger einer gemeinsamen Seele gelten. „Stirbt einer, fertigen die Eltern eine Ibeji-Figur, die den verstorbenen Zwilling symbolisiert und rituell gepflegt wird. Dadurch bleibt der Kontakt zur Seele des Verstorbenen bestehen und schützt den Überlebenden.“
Georges Adéagbo, der 1942 in Benin geboren wurde und auf der Biennale in Venedig 1999 als erster afrikanischer Künstler den Preis der Jury erhielt, bezieht sich mit seiner Pollinger Säule und den dort angebrachten Zwillingsfiguren auf diesen bedeutsamen Kult. „Ich möchte mit meiner Säule zum Ausdruck bringen, dass Kreativität und Frieden in reichem Maße fortbestehen werden, wenn wir das, was wir Menschen gemein haben, wertschätzen und gleichzeitig unterschiedliche Bräuche und Werte respektieren“, zitiert die Stoa-Stiftung den international erfolgreichen Konzeptkünstler.
Stoa169-Leiter Bernd Zimmer: „Das ist wie eine Grabschändung“
Die gestohlenen Figuren „repräsentieren menschliche Lebewesen“, fügt Bernd Zimmer hinzu, die Diebstahl sei deshalb „wie eine Grabschändung“. Und es spiele keine Rolle, ob die Sache mit den magischen Auswirkungen „Aberglaube ist oder nicht, was man davon glaubt oder nicht“, betont der Pollinger: „In der Vorstellung der Yoruba ist es so.“
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Diebstahl in der Stoa169: Die Polizei ermittelt
Die Verantwortlichen der „Stoa 169“ haben bereits Kontakt mit Adéagbos Umfeld aufgenommen, man bemühe sich um Ersatz der entwendeten Figuren. „Aber das ist hochkomplex“, berichtet Zimmer, „die kauft man nicht am Marktstand um die Ecke“. Der Diebstahl in Polling wurde bei der Polizeiinspektion Weilheim angezeigt. „Angaben zum Beuteschaden liegen bis dato noch nicht vor“, meldete diese in ihrem gestrigen Pressebericht – und bittet um Täterhinweise unter Telefon 0881/6400.
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