Tödliche Katastrophe im Gazastreifen: Scharfe Kritik an Israel – „absolut inakzeptabel“

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Der Tod von zahlreichen Menschen in Gaza bei chaotischen Szenen sorgt international für Entsetzen und scharfe Kritik. Der News-Ticker zum Krieg in Israel.

Gaza/Tel-Aviv – Während die genauen Umstände der tödlichen Katastrophe bei der Ankunft eines Hilfsgüterkonvois im Gazastreifen weiter unklar sind, sieht sich Israel mit massiven Vorwürfen konfrontiert. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich in der Nacht zum Freitag auf der Plattform X (vormals Twitter) empört über die Bilder, „die uns aus Gaza erreichen, wo Zivilisten von israelischen Soldaten ins Visier genommen wurden“.

„Ich bin entsetzt über die Nachrichten über ein weiteres Blutbad unter Zivilisten in Gaza, die verzweifelt humanitäre Hilfe brauchen“, schrieb der EU-Außenbeauftragte Borrell auf X. „Diese Todesfälle sind absolut inakzeptabel.“

Der palästinensische UN-Botschafter Riad Mansur warf Israel die vorsätzliche Tötung von Palästinensern vor. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari wies die Vorwürfe aber zurück: „Es gab keinen Angriff des israelischen Militärs auf den Hilfskonvoi.“ Der Weltsicherheitsrat in New York konnte sich bei einem Treffen zunächst auf keine gemeinsame Stellungnahme verständigen. 

Widersprüchliche Angaben zu Tod zahlreicher Menschen im Gazastreifen

Der von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen zufolge sollen bei dem Vorfall mehr als hundert Menschen getötet und mehrere Hunderte verletzt worden sein. Laut dem palästinensischen UN-Botschafter Mansur hatten sich Tausende Menschen bei der Ankunft der Hilfsgüter im Norden Gazas versammelt. „Und dann begann die israelische Armee plötzlich, auf sie zu schießen, und den uns vorliegenden Informationen zufolge haben Dutzende von ihnen Kugeln im Kopf. Es ist nicht so, als würde man in den Himmel schießen, um Menschen zurückzuhalten, wenn Verwirrung und Chaos herrschten. Es wurde absichtlich gezielt und getötet“, sagte Mansur am Donnerstag in New York. Seine Behauptungen ließen sich zunächst ebenso wenig unabhängig überprüfen wie die widersprüchlichen Angaben von israelischer Seite. 

In diesem von der israelischen Armee veröffentlichten Videograb umzingeln Palästinenser im nördlichen Gazastreifen Hilfsgütertransporter einer ersten größeren Lieferung seit einem Monat. Die Armee teilte mit, zahlreiche Anwohner hätten sich um die Lastwagen gedrängt, um diese zu plündern – dabei soll es zu Chaos und Gedränge gekommen sein.
In diesem von der israelischen Armee veröffentlichten Videograb umzingeln Palästinenser im nördlichen Gazastreifen Hilfsgütertransporter einer ersten größeren Lieferung seit einem Monat. Die Armee teilte mit, zahlreiche Anwohner hätten sich um die Lastwagen gedrängt, um diese zu plündern – dabei soll es zu Chaos und Gedränge gekommen sein. © dpa/Israel Defense Forces/AP

Das israelische Militär stellte den Vorgang nämlich völlig anders dar. Die Armee habe am Morgen einen Lastwagenkonvoi mit humanitären Hilfsgütern koordiniert, der Bewohner im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens erreichen sollte, sagte Armeesprecher Hagari. Bei der Ankunft seien zahlreiche Menschen auf die Lastwagen gestürmt und es sei zu chaotischem Gedränge gekommen. „Einige fingen an, andere gewaltsam zu schubsen und zu Tode zu trampeln und plünderten die humanitären Hilfsgüter“, sagte der Armeesprecher. 

Ein anderer Sprecher des israelischen Militärs, Peter Lerner, sagte dem Fernsehsender CNN, nach ersten Erkenntnissen habe sich kurze Zeit darauf eine Gruppe von Menschen israelischen Soldaten genähert. Das Militär habe daraufhin Warnschüsse in die Luft abgegeben. Die Gruppe habe sich den Soldaten jedoch weiter genähert und eine Bedrohung dargestellt, woraufhin die Soldaten das Feuer eröffnet hätten. Laut israelischen Medienberichten sollen sie auf die Beine gezielt haben. Eine Handvoll Menschen sei bei dem Vorfall verletzt worden, sagte Lerner. Der Vorgang werde untersucht. Auch Hagari betonte: „Wir haben weder auf Hilfesuchende noch auf den humanitären Konvoi geschossen, weder am Boden noch aus der Luft.“

Katastrophe in Gaza könnte Geisel-Deal zwischen Israel und Hamas beeinflussen

Die US-Regierung steht mit der israelischen Regierung wegen des Vorfalls in Kontakt und verlangt Antworten. Es sei das Verständnis der USA, dass eine Untersuchung im Gange sei, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Donnerstag (Ortszeit). „Wir werden diese Untersuchung genau verfolgen und auf Antworten drängen.“ Man habe keine gesicherten Erkenntnisse über die Geschehnisse, so Miller. Die „Tragödie“ könne die Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas komplizierter machen.

Das Geschehen zeige, warum eine schnelle Einigung auf eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln in den Händen der islamistischen Hamas notwendig sei, betonte der Sprecher des US-Außenministeriums. Die USA würden sich „sehr dafür einsetzen, eine Einigung zu erzielen“.

Auch die israelische Regierung bemüht sich nach den Worten von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu unermüdlich, die Geiseln freizubekommen. Es sei allerdings zu früh, um zu wissen, ob eine Einigung über die Freilassung der Entführten und eine Feuerpause im Gaza-Krieg zustande kommen wird, sagte Netanjahu am Donnerstagabend. Eine seiner zentralen Forderungen sei, eine Liste mit den Namen aller Geiseln zu bekommen, die im Rahmen eines Deals freigelassen würden. Diese habe er bisher nicht erhalten. Ein Durchbruch in den Verhandlungen und ein Abkommen in den kommenden Tagen seien daher zunächst ungewiss, sagte er. Die Armee werde den Krieg gegen die Hamas bis zum Sieg fortführen. 

Krieg in Israel: Bundesregierung stockt humanitäre Hilfe auf 

Angesichts des Leids der Menschen in Gaza stockt die Bundesregierung unterdessen die humanitäre Hilfe um weitere 20 Millionen Euro auf. Das kündigte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Berlin an. Diese Summe reiche aber bei Weitem nicht aus. Die Zahl der Lastwagen, die lebensrettende Nahrungsmittel, Medikamente und andere Hilfsgüter nach Gaza bringen, sei in den vergangenen Wochen stark zurückgegangen. „Das ist nicht akzeptabel. Die israelische Regierung muss umgehend sicheren und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe ermöglichen“, forderte die Ministerin. UN-Generalsekretär Guterres sagte: „Die verzweifelten Zivilisten in Gaza brauchen dringend Hilfe, auch die im belagerten Norden, wo die Vereinten Nationen seit mehr als einer Woche keine Hilfe leisten konnten.“ (red mit Agenturen)

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