„Horden hungriger Menschen“ – Ansturm auf UN-Lebensmittel in Gaza fordert Tote
Durch Israels Blockade von Hilfsgütern herrscht in Gaza akute Verzweiflung. Der Ansturm auf ein UN-Lager endet für mindestens zwei Menschen tödlich.
Gaza – Die humanitäre Notlage im umkämpften Gazastreifen spitzt sich weiter zu. Bei einem tumultartigen Sturm auf ein großes Lagerhaus des Welternährungsprogramms (WFP) im Zentrum des abgeriegelten Küstengebiets kamen nach Angaben der UN-Organisation mindestens zwei Menschen ums Leben, viele weitere seien verletzt worden. „Horden hungriger Menschen“ seien in das Lagerhaus eingedrungen, um an „zur Verteilung bereitgestellte Lebensmittel“ zu gelangen, hieß es in einer Mitteilung auf X.
Augenzeugen berichteten, vor allem am Haupttor des Lagerhauses sei es zu großem Gedränge gekommen. Es gab laut dpa zudem Berichte darüber, dass einige Menschen Teile der Metallwände eingerissen hätten, um sich Zugang zum Lager zu verschaffen. Auf Videos in den sozialen Medien war zu sehen, wie zahlreiche Menschen unter lautem Geschrei das Lagerhaus stürmen und plündern.
Israel im Krieg – tausende Menschen stürmen Lebensmittellager in Gaza
Aufnahmen der afp zeigen laut einem Bericht von BBC tausende Menschen, die in das Al-Ghafari-Lagerhaus in Deir Al-Balah einbrechen und Mehlsäcke und Lebensmittelkartons stehlen, während Schüsse fallen. Es ist nicht sofort klar, woher die Schüsse kamen oder wer sie abgefeuert hat. Aus medizinischen Kreisen im Al-Aksa-Krankenhaus in Deir al-Balah hieß es, zwei Menschen seien erdrückt, zwei weitere durch Schüsse getötet worden.
Angesichts der monatelangen Blockade von Hilfsgütern durch Israel, die erst zuletzt etwas gelockert worden war, sind viele Menschen in dem Küstenstreifen in einer verzweifelten Lage - es fehlt an Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Medikamenten und vielen anderen Dingen des täglichen Bedarfs. Bereits in den vergangenen Tagen gab es Berichte über Plünderungen und einen Sturm auf ein neues Verteilzentrum, das von der umstrittenen Stiftung Gaza Humanitarian Foundation (GHF) betrieben wird.
Israel dementiert Tote: „Berichte, die anderes behaupten, stammen von der Hamas“
Das UN-Büro für Menschenrechte teilte mit, dass am Dienstag 47 Menschen verletzt worden seien, als Menschen einen der GHF-Verteilungsstandorte in der südlichen Stadt Rafah überrannten, einen Tag nachdem die Organisation dort ihre Arbeit aufgenommen hatte. Ein anderer hochrangiger UN-Beamter erklärte Journalisten der BBC am Mittwoch, verzweifelte Menschenmengen hätten die Ladung von UN-Hilfslastwagen geplündert.
Die Stiftung wies jedoch Berichte über Tote, massenhaft Verletzte und Chaos an den von ihr eingerichteten Verteilzentren in Gaza zurück. An keinem Standort der GHF habe es Todesfälle gegeben. „Berichte, die anderes behaupten, stammen von der Hamas und sind falsch“, hieß es.
Klaut die Hamas Hilfsgüter? UN-Vertreter sagen, Israel habe keine Beweise für die Vorwürfe
Israels Führung lässt die palästinensische Terrororganisation militärisch bekämpfen und wirft ihr vor, frühere Hilfslieferungen für eigene Zwecke abgezweigt und verkauft zu haben, um mit dem Geld Waffen und Kämpfer zu bezahlen. Das wird auch als Grund für die neue Verteilstrategie angeführt. UN-Vertreter sagen, Israel habe keine Beweise für die Vorwürfe vorgelegt.

An den zwei bisher eröffneten Verteilungszentren seien bislang 14.550 Lebensmittelpakete verteilt worden, teilte die GHF mit. Die Einsätze sollten heute weitergehen und auf vier geplante Standorte ausgeweitet werden. „In den kommenden Wochen ist der Aufbau weiterer Verteilungszentren in Gaza geplant“, hieß es.
UN und Israel machen sich gegenseitig Vorwürfe für humanitäres Drama in Gaza
Die Stiftung soll nach dem Willen der israelischen Regierung künftig für die Verteilung von Hilfsgütern zuständig sein. Hilfsorganisationen der UN und anderer internationaler Initiativen sollen so umgangen werden.
Das UN-Nothilfebüro übte scharfe Kritik daran und sprach von einem „militarisierten Verteilungssystem“, das die Menschen gefährde und ihren Bedürfnissen nicht gerecht werde. „Die israelischen Behörden haben die Fähigkeit unserer Teams untergraben, echte, auf Prinzipien beruhende humanitäre Hilfe zu leisten.“ Man beteilige sich nicht an Vorhaben, „die unsere Neutralität, Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit untergraben“. Hilfe dürfe „nicht als Waffe eingesetzt werden“. (lm/dpa)