Kiew oder Kyiv: Schreibweisen werden im Ukraine-Krieg zum Politikum
Die ukrainische Hauptstadt wird in Deutschland meistens „Kiew“ geschrieben. Der deutsche Botschafter in der Ukraine sieht das als Provokation. Denn die Schreibweise ist die russische.
Kiew - Erneut ist die Debatte um die Schreibweise der ukrainischen Hauptstadt entfacht. Der deutsche Botschafter in Kiew, Martin Jäger, wies erneut darauf hin, die von vielen deutschen Medien verwendete Schreibweise „Kiew“ in „Kyiv“ anzupassen. Grund, die Schreibweise „Kiew“ leitet sich von der russischen Sprache ab - nicht von der Ukrainischen. Vor allem in Europa ist die Schreibweise der vier Buchstaben weit verbreitet. Im englischsprachigen Raum hat sich „Kyiv“ durchgesetzt, abgeleitet vom Ukrainischen.
Auf dem Kurznachrichtendienst X nahm der Diplomat Jäger den Post eines ARD-Korrespondenten zum Anlass, erneut auf die Verwendung der ukrainischen, statt der russischen Schreibweise hinzuweisen. Dass immer noch „Kiew“ statt „Kyiv“ verwendet werde, ist laut Jäger „ignorant“, berichtet der Spiegel. Das Kyjiw-Kiew-Problem sei eine längst „überfällige Debatte“, erklärte der ukrainische Botschafter.
Debatte schon alt: Ukraine will sich endlich „entrussifizieren“
Und tatsächlich existiert die Debatte um die Schreibweise der Hauptstadt der Ukraine schon lange. Bereits vor Jahren startete die Ukraine eine Kampagne zur anderen Schreibung. Die Stadt wurde schon 1995 offiziell umbenannt, berichtet der Deutschlandfunk. Denn über 20 Jahre nach der Unabhängigkeit will das Land aus dem Schatten des großen Nachbarn Russland treten. Die Verwendung der russischen Schreibweise in vielen Berichterstattungen sehen manche Ukrainer als eine Anspielung auf die frühere Vorherrschaft Russlands, welche jetzt nach Ausbruch des Krieges einen neuen bitteren Beigeschmack erhält.
Deswegen startete das Land 2018 im englischen Sprachraum eine Kampagne #KyivNotKiev – seither haben fast alle großen englischsprachigen Medien ihre Schreibweise umgestellt. Die ehemalige Nähe zu Russland zeigt sich aber nicht nur in der Schreibweise der Hauptstadt. Auch im Straßenbild vieler ukrainischer Städte. Straßen und Plätze sind nach sowjetischen Generälen oder russischen Autoren benannt. Im Februar letzten Jahres wurden deswegen auf Initiative der Stadtverwaltung Kiew über 70 Straßen, Gassen und Plätze umbenannt. Ein Versuch, der Ukraine, sich auch auf kultureller Ebene von Russland zu lösen.
Ukraine keine Ausnahme: Medienschaffende können sich an Umbenennung gewöhnen
Nicht nur über die Schreibweise der ukrainischen Hauptstadt wird diskutiert. In den vergangenen Jahren wurden mehrere Länder umbenannt – und auch daran haben sich Medienschaffende gewöhnt. 2018 zum Beispiel wurde Swasiland zu
Eswatini. Auch hier war der Grund, die Unabhängigkeit des Landes zu symbolisieren. Der alte Name des Staates im südlichen Afrika ging nämlich noch auf die Kolonialzeit zurück, berichtet die Deutsche Welle. Ebenso änderte Sri Lanka seinen Namen, um sich von der Kolonialzeit zu lösen. Bis 1972 hieß der Inselstaat Ceylon.
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Auch für die Ukrainer würde die Akzeptanz der Schreibweise ihrer Landeshauptstadt ein Ausdruck ihrer Unabhängigkeit bedeuten. Und dafür ist nur eine andere Schreibweise der vier Buchstaben notwendig - keine Umbenennung des Landes.