Der dichtende Fußballer wird 90

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Weilheim
  4. Weilheim

Kommentare

Größter sportlicher Erfolg: Jürgen Bayer (4.v.r.) wurde mit der LMU-Mannschaft 1957 Deutscher Hochschulmeister. © Repro: Mahnkopf

Dichter, Richter, Fußballer, Vereinsfunktionär: Jürgen Bayer blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Jetzt feierte der langjährige Vorstand des TSV Weilheim seinen 90. Geburtstag – und begeisterte mit seinem ausgezeichneten Lyrikgedächtnis.

Traditionell besuchen die hiesigen Bürgermeister Weilheimer und Weilheimerinnen, wenn sie 90 Jahre oder älter werden und lassen sie hochleben. So klingelte auch Markus Loth kürzlich bei Jürgen Bayer in Marnbach, um ihm mit Blumen und Sekt im Namen der Stadt zu gratulieren. Doch schnell war er selbst und vor allem seine Stadt im Mittelpunkt, denn Bayer verlas eine Ehrung Weilheims, die er 2010 selbst geschrieben hatte. Vom „trauten Bild der Innenstadt“ war da die Rede, „und dann die Lage!“ Und schnell war klar: Bayer liebt Weilheim. Und er liebt – neben vielem anderen in seinem langen Leben – das Dichten.

Verwunderlich ist das nicht. „Als Kind hat mir mein Vater Eichendorff-Gedichte beim Spazierengehen beigebracht“, erzählt der 90-Jährige beim Geburtstagsplausch. Und zitiert aus dem Stegreif eines der Gedichte des berühmten Romantikers. Fortan hat Bayer auch selbst gedichtet und tut es heute noch. Im März 1945 war er als gerade einmal Neunjähriger mit seinem Gedicht „Heimweh“ sogar in der „Weilheimer Zeitung“. Freilich dem damaligen Nazi-Jargon entsprechend (wie er selbst zugibt), thematisierte er aber vor allem eines: den schmerzhaften Verlust seiner eigenen Heimat.

1935 in Breslau geboren, musste Bayer 1945 mit seiner Mutter und den vier Geschwistern fliehen. Ziel: Weilheim, wo der Vater, ein Oberstaatsanwalt, bereits zuvor ans Amtsgericht versetzt worden war. Nach zwei Monaten „Flucht über mehrere Stationen“ gelang es der Familie tatsächlich, in Weilheim ein gemeinsames, neues Leben zu beginnen.

Auf ein bewegtes Leben blickte Jürgen Bayer (r.) gemeinsam mit Bürgermeister Mar.kus Loth  zurück
Auf ein bewegtes Leben blickte Jürgen Bayer (r.) gemeinsam mit Bürgermeister Markus Loth zurück. © Mahnkopf

„Wir sind immer gut durchgekommen, und ich bin dieser Stadt dafür sehr dankbar“, sagt Bayer an Loth gerichtet. Seine Geschwister Marlies, Doris, Eckehard und Ulrich wuchsen auch mit Begeisterung für die neue Heimatstadt auf, Ulrich Bayer wurde später Stadtrat. Deshalb habe er auch das Loblied auf seine Stadt gedichtet, so Jürgen Bayer – und deshalb habe er sich auch sein halbes Leben lang für Weilheim engagiert.

Denn 1972 – er hatte in der Zwischenzeit Jura studiert und war jetzt Richter am Oberlandesgericht in München – übernahm er das Amt des ersten Vorsitzenden des TSV 1847 Weilheim. Er blieb es 36 Jahre lang. Bayer trieb die Erweiterung der Sportanlage an der Pollinger Straße und die Dependance am Zotzenmühlweg und einiges mehr voran. Außerdem war er vier Jahre lang Leiter der Fußballabteilung – wo wir bei der nächsten, vielleicht sogar wichtigsten, Leidenschaft des 90-Jährigen wären.

Über zwei Jahre im Bett gelegen

„Ich war vielleicht kein herausragender Jurist oder Dichter. Aber ich war ein sehr guter Fußballer“, sagt Bayer und grinst. 1947 trat er der TSV-Schülermannschaft bei, mit den „Weilheimer Buben“ war er viermal in Folge Torschützenkönig. Sein größter Erfolg: Zwei Mal Deutscher Hochschulmeister mit der Mannschaft der Ludwigs-Maximilian-Universität München, 1957 und 1958. Dann schlug das Schicksal zu: Eine schwere Rückenverletzung bei einem Spiel beendete abrupt seine sportliche Karriere. „Ich lag über zwei Jahre lang im Bett der May-Klinik am Tegernsee. Ganz gesund bin ich nie mehr geworden.“

Ohne diesen schlimmen Einschnitt wäre Bayer vielleicht Profifußballer geworden – so war Raum für das langjährige Ehrenamt. Und 1991 auch für eine späte Heirat des „ewigen Junggesellen“. Erst 2008 verabschiedete sich Bayer vom TSV – mit einem Eklat um seine Nachfolge. Heute fühlt er sich dem Traditionsverein trotzdem noch verbunden. Vor allem durch die Kameradschaft der Ehrenmitglieder. „Wir treffen uns ein Mal im Monat.“ Das aktuelle TSV-Projekt, der Bau einer eigenen Turnhalle, beobachtet er mit Interesse. Und weiß: „Ehrenamt ist schwieriger geworden. Damals waren die Ansprüche zum Beispiels ans Bauen einfach anders.“ Neu sind die Herausforderungen aber nicht: Schon im 19. Jahrhundert hätten die TSVler für ihr Stadion an der Pollinger Straße Spenden gesammelt. Wie man sieht, mit Erfolg.

Auch interessant

Kommentare