„Die letzte Normale meiner Familie“: Prominente Physiker am Wolfratshauser Gymnasium

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Vor vollem Haus brillierte das Ensemble des P-Seminars Deutsch (vorne v. li. die drei Physiker Möbius alias König Salomo (Ludovic von Pawelsz), Einstein (Anneli Mezger) und Newton (Gina Leicher). © kl

Das P-Seminar Deutsch des Gymnasiums St. Matthias brilliert mit der Aufführung von Dürrenmatts Drama „Die Physiker“.

Waldram – Als Patient im Bademantel begrüßte Spielleiter Andreas Gleixner in der voll besetzten Aula des Waldramer Gymnasiums St. Matthias (Alt-)Kollegen, Mitschüler, Freunde und Waldramer. Vor zwei Jahren hatte er die Idee, Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“ auf die Bühne zu bringen. „Ein „Abenteuer, und heute blicke ich glücklich und ein wenig stolz auf diese zwei Jahre zurück.“ Mithilfe von Hauswirtschaft und -technik zeigten er und seine Truppe vom P-Seminar Deutsch im Anschluss vom Bühnenbild über Kostüme bis zur perfekten Darstellung eine Leistung, die sich mehr als sehen lassen kann.

Gleixner führte zunächst in die Entstehungszeit des Stücks Anfang der 1960er- Jahre ein, die vom Kalten Krieg, dem aggressiven Wettrüsten, der Kuba-Krise und der Erinnerung an Hiroshima und Nagasaki geprägt war. Dürrenmatts Drama – der großen Schauspielerin Therese Giehse gewidmet, für die er die weibliche Hauptrolle des Frl. Dr. schuf – stellt die Frage nach der persönlichen Verantwortung des Wissenschaftlers.

Vor vollem Haus brillierte das Ensemble des P-Seminars Deutsch (vorne v. li. die drei Physiker Möbius alias König Salomo (Ludovic von Pawelsz), Einstein (Anneli Mezger) und Newton (Gina Leicher).
Vor vollem Haus brillierte das Ensemble des P-Seminars Deutsch (vorne v. li. die drei Physiker Möbius alias König Salomo (Ludovic von Pawelsz), Einstein (Anneli Mezger) und Newton (Gina Leicher). © kl

Zur Handlung: Die drei Physiker Möbius alias König Salomo (Ludovic von Pawelsz), Beutler, genannt Newton (Gina Leicher), und Ernesti, genannt Einstein (Anneli Mezger), haben sich ins Privatsanatorium „Les Cerisiers“ zurückgezogen, um die Welt vor ihren Forschungsergebnissen zu schützen. Alle drei bringen nach und nach ihre Krankenschwestern um, weil diese sich in sie verlieben oder ihr Ziel zu gefährden drohen. Kriminalinspektor Richard Voß (Daniel Eisgedt) und Polizist Blocher (sehr souverän: Leonie Klingel) ermitteln und müssen sich mit Irrenärztin Dr. Mathilde von Zahnd (brillant-cool: Luzie Frings) herumschlagen.

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Einer der Höhepunkte ist der Auftritt von Frau Missionar Lina Rose (Christina Singer), vormals Möbius, die vor der Abreise auf die Marianen mit ihrem „Neuen“ Missionar Oskar Rose (herrlich tollpatschig: Morten Lisy) und dem Sohn Wilfried Kaspar (Glikeria Kouti) Möbius besucht. Der Sohn will auch Physiker werden – was ihm Möbius untersagt: „Das darfst du nicht. Ich verbiete es dir. Ich hätte nie Physiker werden dürfen. Nie. Ich wäre jetzt nicht im Irrenhaus.“ Und als „seine“ Krankenschwester Monika (glaubwürdig ehrlich: Julia Wohlfarter) ihm ihre Liebe gesteht („Ich will Kinder mit Ihnen!“), erdrosselt Möbius sie.

Wahnsinn durch Mord beweisen: Die Physiker drehen in der Aula von St. Matthias durch

Im zweiten Akt outet sich Sir Isaac Newton und gibt die wahren Absichten seiner Mission preis: „Es galt, meinen Wahnsinn durch einen Mord endgültig zu beweisen.“ Newton ist aber in Wahrheit der Agent Kilton und Einstein in Wahrheit der Physiker Joseph Eisler, der Entdecker des Eisler-Effekts. Am Ende sind aber alle Irren betrogene Betrüger, nur das Irrenhaus gewährte ihnen Freiheit, sie sind wilde Tiere, die nicht auf die Menschheit losgelassen werden dürfen. Und alle drei trinken auf ihre Krankenschwestern – bis Frl. Dr. sich als eigentliches Monster outet: „Auch mir ist König Salomo erschienen, ich bin die letzte Normale meiner Familie.“ Schallendes Gelächter! „Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden.“

So entließ Möbius die Zuschauer in eine Welt von Fake News und Künstlicher Intelligenz, in das Jahr 2024, dem Jahr des 100. Todestags von Franz Kafka, mit den anstehenden Wahlen in den USA und in Thüringen. Das Publikum klatschte lange für eine grandiose Ensembleleistung. DIETER KLUG

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