Psychogramm der "Horror-Haus"-Eltern: "Sie müssen den Kindern Schaden zufügen"
Sie sind noch im Grundschulalter. Trotzdem mussten sie Furchtbares durchmachen. Wie spanische und deutsche Medien berichten, lebten drei Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren in einem vermüllten Haus in Oviedo, Spanien - seit Dezember 2021.
Das Gebäude verlassen durften sie den Berichten zufolge nicht. Dafür sorgten die Eltern, ein 53-jähriger Deutscher und seine 48-jährige, deutsch-amerikanische Ehefrau. Ende April wurde das Paar festgenommen und die Kinder kamen aus dem "Horror-Haus" frei.
Den Eltern könnten nun harte Strafen drohen. Genauer gesagt: 25 Jahre und vier Monate Haft. Das fordert die Staatsanwaltschaft der spanischen autonomen Region Asturien zumindest, wie in einer Mitteilung auf der Plattform X zu lesen ist.
Kinder mussten in Gitterbetten schlafen
Die Begründung: Der Mann und seine Frau hätten sich wiederholter psychischer Gewalt und Freiheitsberaubung schuldig gemacht. In regionalen Medienberichten war von Gitterbetten zu lesen, in denen die Kinder schlafen mussten.
Sie seien von ihren Eltern gezwungen worden, Windeln und Mundnasenmasken zu tragen und völlig von der Außenwelt abgeschottet gewesen. Nicht einmal in den Garten des Hauses hätten sie gedurft.
Die "Corporación de Radio y Televisión Española" (RTVE) berichtete darüber hinaus von entsetzlichen hygienischen Verhältnisse im "Horror-Haus". Die Kinder hätten dort umgeben von Medikamenten, Vaseline, Fäkalien und Ratten gelebt.
"Niemand verließ das zweistöckige Einfamilienhaus"
"Sie besuchten keine Schule, erhielten keine medizinische Versorgung und litten bei ihrer Ankunft unter schweren körperlichen und seelischen Entwicklungsstörungen", schreibt auch die spanische Anklagebehörde.
Dass die 8- und 10-Jährigen das "Horror-Haus" verlassen konnten, verdanken sie einer aufmerksamen Nachbarin. Sie alarmierte die Behörden, nachdem sie monatelang Stimmen und Schreie hinter den Fenstern gehört hatte.
Nach der Meldung begann die Polizei, das Anwesen zu observieren. Die Sorgen der Nachbarin schienen sich zu bestätigen. In den Berichten zum "Horror-Haus" heißt es unter anderem: "Niemand verließ das zweistöckige Einfamilienhaus. Nur der Mann zeigte sich gelegentlich, um Supermarktlieferungen entgegenzunehmen."
Wie konnte es so weit kommen?
Allerdings seien die Essenskartons zu groß für eine Person gewesen. Und im Obergeschoss nahmen die Beamten Bewegungen wahr. "Da wussten wir: Dort sind noch andere Personen."
Schließlich wurde eine Durchsuchung des Hauses veranlasst. Der 58-jährige Deutsche öffnete die Tür und räumte ein, dass sich Minderjährige im Haus befänden. Ein Polizist sagte der Zeitung "La Nueva Espana", dass die Eltern ihre Kinder aufforderten, Masken aufzusetzen. "Sie waren sehr verängstigt und umringten ihre Mutter", so der Beamte.
Die 8- und 10-Jährigen sind jetzt zwar raus aus dem "Horror-Haus" und den Eltern drohen lange Haftstrafen, außerdem wohl ein Kontakt- und Kommunikationsverbot sowie Entschädigungszahlungen.
Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom: "Sie müssen ihren Kindern Schaden zufügen"
Unklar bleibt aber, wie der Philosophieprofessor und seine Frau ihrem Nachwuchs überhaupt so etwas antun konnten. Die Psychologin Ana Villarrubia versuchte in der Sendung „Mañaneros“ im spanischen Fernsehen, mögliche Motive zu skizzieren.
"Es gibt nur sehr wenige plausible Diagnosen", so die Expertin. Möglich wäre ihr zufolge eine Psychose. Für wahrscheinlicher hielt Villarrubia aber das sogenannte Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom. Dabei führen physisch gesunde Personen bei einem anderen Menschen, häufig den eigenen Kindern, Krankheiten herbei oder täuschen sie vor.
"Diese Eltern [...] müssen ihren Kindern Schaden zufügen, um weiterhin die Rolle der Betreuer und Kontrollpersonen spielen zu können", sagte Villarrubia. Die These macht vor dem Hintergrund bisheriger Erkenntnisse durchaus Sinn.
Eltern sollen Kinder aus "unbegründeter Angst vor Ansteckung" eingesperrt haben
Denn: Die spanische Zeitung "El Espanol" meldete, dass der 53-jährige Deutsche und seine Frau ihren Kindern Medikamente auf THC-Basis verabreichten. Der Vater soll das in einer Aussage eingeräumt haben. Und in mehreren Berichten ist zu lesen, dass die Mutter die Ermittler vor den "kranken Kindern" warnte.
Die Staatsanwaltschaft geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die Eltern ihre Kinder "aus unbegründeter Angst vor einer Ansteckung" einsperrten. Wann die mündliche Verhandlung in dem kommenden Strafprozess beginnen könnte, stand zunächst nicht fest.
mit Material der dpa