7 Millionen Deutsche betroffen - Zwangsstörungen (OCD): Ursachen, Symptome & Diagnostik

Zwangsstörungen, auch als obsessive-compulsive disorder (OCD) bekannt, sind psychische Erkrankungen, die das tägliche Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen können. Wiederkehrende, unerwünschte Gedanken und immer wiederkehrende Verhaltensweisen sind kennzeichnend. Diese Handlungsmuster werden als Reaktion auf die angst- und stressauslösenden Gedanken (Obsessionen) ausgeführt und sollen diese mildern (Zwänge). Viele Menschen mit Zwangsstörungen erleben einen starken inneren Drang, bestimmte Dinge zu denken oder zu tun, obwohl sie sich der Unsinnigkeit ihrer Handlungen bewusst sind.

Was ist eine Zwangsstörung?

Eine Zwangsstörung ist eine ernsthafte psychische Erkrankung, bei der Betroffene unter andauernden Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen leiden. Zwangsgedanken sind aufdringliche und unerwünschte Gedanken, Bilder oder Impulse, die intensive Angst oder Unbehagen auslösen. Zwangshandlungen sind wiederholte Verhaltensweisen oder mentale Akte, die eine Person aufgrund dieser Zwangsgedanken ausführt, um die Angst zu lindern oder ein befürchtetes Ereignis zu verhindern.

Symptome von Zwangsstörungen

Die Symptome von Zwangsstörungen können variieren, aber die meisten Menschen mit OCD erleben sowohl Zwangsgedanken als auch Zwangshandlungen.

Zwangsgedanken (Obsessionen)

Zwangsgedanken sind wiederkehrende und unerwünschte Gedanken, die intensive Angst oder Unbehagen verursachen. Zu den häufigsten Zwangsgedanken gehören:

  • Angst vor Kontamination (z. B. durch Schmutz oder Keime)
  • Zweifel und übermäßiges Nachprüfen (z. B. ob Türen verschlossen oder Elektrogeräte ausgeschaltet sind)
  • Aggressive oder schreckliche Gedanken über sich selbst oder andere
  • Unangemessene sexuelle Gedanken
  • Intensive Notwendigkeit nach Symmetrie oder Ordnung

Zwangshandlungen (Komplexe Rituale)

Zwangshandlungen sind wiederholte Verhaltensweisen oder mentale Akte, die eine Person in Reaktion auf Zwangsgedanken ausführt. Diese Handlungen sind oft zeitaufwändig und beeinträchtigen den Alltag erheblich. Häufige Zwangshandlungen sind:

  • Exzessives Händewaschen oder Reinigen
  • Wiederholtes Kontrollieren (z. B. ob die Tür verriegelt ist)
  • Zählen, Sortieren oder bestimmte Rituale durchführen
  • Gegenstände in einer bestimmten Reihenfolge oder Symmetrie anordnen

Symptome bei Wasch- und Kontrollzwängen

Waschzwänge sind sehr häufig und beinhalten oft das Bedürfnis nach intensiver Reinigung, um eine gefühlte Kontamination zu vermeiden. Kontrollzwänge umfassen das wiederholte Überprüfen von Dingen wie Schlössern, Geräten oder Schreibarbeiten, um Sicherheit zu gewährleisten.

Ursachen von Zwangsstörungen

Die genauen Ursachen von Zwangsstörungen sind noch nicht vollständig verstanden, aber es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischen, neurobiologischen, umweltbedingten und psychologischen Faktoren eine Rolle spielt.

Vererbung und genetische Faktoren

Es gibt Hinweise darauf, dass Zwangsstörungen in Familien gehäuft auftreten können, was auf eine genetische Veranlagung hindeutet. Menschen mit Verwandten ersten Grades, die an Zwangsstörungen leiden, haben ein erhöhtes Risiko, selbst an OCD zu erkranken.

Neurobiologische Faktoren

Studien zeigen, dass bei Menschen mit Zwangsstörungen bestimmte Hirnregionen, insbesondere der präfrontale Cortex und die Basalganglien, überaktiv sind. Es wird angenommen, dass Ungleichgewichte im Serotoninsystem eine Rolle spielen.

Erziehungsstile und prägende Ereignisse

Bestimmte Erziehungsmethoden und frühkindliche Erfahrungen können das Risiko für die Entwicklung einer Zwangsstörung erhöhen. Dazu gehören übermäßige Strenge, kritische Bewertung von Fehlern und mangelnde Anerkennung von Erfolgen. Traumatische Ereignisse wie Missbrauch oder der Tod eines Elternteils können ebenfalls zur Entwicklung von Zwangsstörungen beitragen.

Psychologische und Persönlichkeitsfaktoren

Menschen, die dazu neigen, perfektionistisch zu sein, übermäßige Verantwortung zu übernehmen oder hohe persönliche Standards zu haben, sind möglicherweise anfälliger für Zwangsstörungen. Außerdem können hohe Ängstlichkeit und geringes Selbstwertgefühl die Entwicklung von Zwangssymptomen begünstigen.

Diagnose und Klassifizierung von Zwangsstörungen

Zwangsstörungen werden in der Regel durch eine gründliche klinische Beurteilung diagnostiziert. Ärzte und Therapeuten verwenden Fragebögen und standardisierte Interviews, um die Symptome zu bewerten und andere psychische Erkrankungen auszuschließen.

Klassifizierung und Begleiterkrankungen

Zwangsstörungen werden oft nach ihren vorherrschenden Symptomen klassifiziert. Zu den häufigsten Formen gehören:

  • Vorwiegend Zwangsgedanken
  • Vorwiegend Zwangshandlungen
  • Gemischte Zwangsgedanken und Zwangshandlungen

Es ist wichtig zu beachten, dass Zwangsstörungen häufig zusammen mit anderen psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen auftreten.

Behandlung von Zwangsstörungen

Die Behandlung von Zwangsstörungen umfasst in der Regel eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie (CBT) und medikamentöser Therapie.

Kognitive Verhaltenstherapie (CBT)

Die kognitive Verhaltenstherapie, insbesondere die Expositions- und Reaktionsverhinderungstherapie (ERP), ist eine der wirksamsten Behandlungen für Zwangsstörungen. Bei der ERP werden Betroffene schrittweise mit angstverursachenden Situationen konfrontiert und ermutigt, ihre Zwangshandlungen zu unterlassen. Dies hilft ihnen, ihre Ängste zu überwinden und ihre Symptome zu reduzieren.

Medikamentöse Therapie

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) wie Fluoxetin, Sertralin und Paroxetin sind die am häufigsten verschriebenen Medikamente zur Behandlung von Zwangsstörungen. Diese Medikamente helfen, die Serotoninlevel im Gehirn zu regulieren und die Symptome zu lindern. In einigen Fällen kann auch das trizyklische Antidepressivum Clomipramin wirksam sein.

Unterstützung im Alltag

Das Leben mit einer Zwangsstörung kann eine Herausforderung sein, aber es gibt viele Ressourcen und Gemeinschaftsunterstützung, die helfen können. Selbsthilfegruppen bieten eine wertvolle Gelegenheit zum Austausch von Erfahrungen und zur emotionalen Unterstützung. Familienmitglieder und Freunde können ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, indem sie Verständnis zeigen und Betroffene ermutigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Prognose und Verlauf von Zwangsstörungen

Die Prognose für Menschen mit Zwangsstörungen variiert. Mit einer angemessenen Behandlung können viele Menschen eine deutliche Verbesserung ihrer Symptome und ihrer Lebensqualität erfahren. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass OCD oft eine chronische Erkrankung ist, die eine langfristige Behandlung erfordert. Eine frühzeitige und kontinuierliche Therapie ist entscheidend, um Rückfälle zu minimieren und die besten Ergebnisse zu erzielen.

Fazit

Zwangsstörungen sind ernste psychische Erkrankungen, die erheblichen Stress und Unbehagen verursachen können. Es gibt jedoch wirksame Behandlungen, die helfen können, die Symptome zu lindern und das tägliche Leben zu verbessern. Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, an OCD leidet, zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und sich Unterstützung aus Ihrem sozialen Umfeld zu suchen. Mit der richtigen Behandlung und Unterstützung kann das Leben mit einer Zwangsstörung bewältigbar werden.

Über Dr. med. univ. Matyas Galffy

Dr. med. univ. Matyas Galffy ist Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin sowie Personzentrierter Psychotherapeut. Er studierte Humanmedizin und Klinische Neurowissenschaften an der Medizinischen Universität Innsbruck und absolvierte dort seine Facharztausbildung mit Schwerpunkt Psychosomatik. Neben einer Spezialisierung in fachspezifischer psychosomatischer Medizin hält der unter anderem Diplome in Palliativmedizin und spezieller Schmerztherapie. Zuletzt war er als ärztlicher Leiter der Spezialsprechstunde für Angst- und Zwangsstörungen an der Universitätsklinik Innsbruck tätig. Seither ist er als niedergelassener Arzt in Tirol und Niederösterreich tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Angststörungen, Schmerzstörungen und Psychotraumatologie.

Wichtiger Hinweis: Dies sind nur allgemeine Informationen und nicht zur Selbstdiagnose oder Selbsttherapie gedacht. Bei Verdacht auf eine Zwangsstörung oder Verschlimmerung der Beschwerden suchen Sie bitte eine Ärztin oder einen Arzt auf.