Für Zugunglücke, Blackout und Co.: Klinikum Starnberg schmiedet Katastrophenplan
Mit einem neuen Einsatzplan will das Klinikum Starnberg besser auf Not- und Katastrophenlagen vorbereitet sein. Dazu gehören auch sieben mobile Einheiten, um viele Verletzte auf einmal versorgen zu können – ohne, dass das Chaos ausbricht.
Starnberg - Das Szenario ist rein fiktiv, könnte sich aber trotzdem noch heute ereignen: Ein Linienbus kommt auf der B 2 bei Starnberg von der Fahrbahn ab, 30 Menschen werden teilweise schwer verletzt. Die meisten von ihnen liefert der Rettungsdienst im Starnberger Klinikum ab. Wegen des Alarmtyps MANV („Massenanfall von Verletzten“) wissen die Krankenhausmitarbeiter, was grob auf sie zukommt. Aber sie müssen auch wissen, was zu tun ist. Sofort. Ohne Vorab-Lagebesprechung. Wer wird alles informiert? Wer wird als erster behandelt? Welches Verbandsmaterial, welche medizinische Ausrüstung ist gefragt? Und so vieles mehr.
Ein Bus- oder Zugunglück, ein Bombenattentat, ein Cyberangriff, ein Blackout, ein Chemie-Unfall oder auch der Ausbruch eines Virus: „Die Wahrscheinlichkeit von Not- und Katastrophenlagen nimmt rapide zu, daher müssen wir auch vorbereitet sein“, sagt Dr. Peter Rupp, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme im Klinikum Starnberg. Innerhalb der vergangenen drei Monate hat er mit einer 14-köpfigen Projektgruppe den gesetzlich vorgeschriebenen Einsatzplan für Not- und Katastrophenlagen der Klinik weitgehend neu geschrieben. Offiziell heißt das Papier, das natürlich auch digital auf dem Klinik-Server liegt, Krankenhausalarm- und -einsatzplan (KAEP).
Rupp, der seit 2002 als Notfallmediziner und seit Februar 2023 im Klinikum arbeitet, sagt: „In Stresssituationen will ich die Dinge möglichst einfach haben.“ Deshalb ist das Herzstück des Plans die Checkliste. Besser gesagt: viele, viele Checklisten, ausgedruckt, einlaminiert und zum Abhaken. Auf Stationen, im OP oder in der Notaufnahme. Sie greifen wie bei einer Kettenreaktion schnell ineinander, wenn die Mitarbeiter das abarbeiten, was draufsteht.
Die Mitarbeiter müssen aber erst einmal da sein. Um im Katastrophen- oder Notfall mit einem Knopfdruck möglichst viele zu alarmieren, etabliert die Klinik gerade ein neues Tool. Je nach Lage schrillen die Smartphones von Pflegekräften, Ärzten und Co., die mit einem Klick „Ja“ oder „Nein“ antworten können. „Sie müssen keine Begründung angeben“, sagt Chefarzt Rupp. „Die Erfahrung zeigt, dass 30 bis 40 Prozent der Alarmierten kommen.“
Damit die Mediziner sofort handlungsfähig sind und schnell viele Verletzte versorgen können, haben die Starnberger Kliniken sieben sogenannte modulare Wagen angeschafft. Alleine die vier wichtigsten kosten laut Rupp rund 30 000 Euro. Die Material-Mobile mit Rollfüßen und Schubfächern beinhalten alles Mögliche für den Ernstfall: Infusionen, Schutzkleidung, Verbandsmaterial und vieles mehr. Drei Wagen richten sich nach dem Schweregrad der Verletzten oder Erkrankten – bei der Sichtung werden jene nach einem Algorithmus-basiertem Vorgehen als grün, gelb oder rot kategorisiert. Ein Wagen führt die speziellen Utensilien (Klemmbretter, Whiteboard oder Laboraufkleber) für das Triage-Verfahren. Weitere sind für Einsatzleitung, IT, Technik und Personalregistrierung vorgesehen.

„Ziel ist es immer, ein Chaos im Klinikum zu verhindern, daher haben wir unsere Abläufe in Notfällen so optimiert, dass wir eine große Menge an Verletzten innerhalb kurzer Zeit versorgen können“, sagt Rupp. Und das auch, wenn das Krankenhaus eigentlich ausgelastet ist. Bei größeren und kleineren Katastrophen soll die Klinik zehn Prozent seiner Bettenkapazität zusätzlich versorgen können – also rund 30 Patienten.
Das Klinikum setzt im Zuge des Einsatzplan-Updates auch auf einen Computer, der alle sechs Stunden sämtliche Patientendaten offline speichert. Funktioniert das Internet nicht mehr, steht dieses Wissen Ärzten und Pflegern trotzdem zur Verfügung. Sichergestellt sei außerdem, dass das Krankenhaus dank Notaggregaten eine Woche ohne Strom auskommen würde.
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Wie es der Zufall will, kam der neue KAEP im Szenario „Massenanfall von Verletzten“ zuletzt gleich zweimal zum Einsatz. Als Gymnasiasten im April mit einem Tierabwehrspray hantierten, standen auf einmal 17 Schüler vor der Tür. Und als die Förderschulen im Juni wegen eines Kohlenmonoxid-Austritts evakuiert wurden, waren es gleich 30 Personen – gute Tests unter relativ glimpflichen Umständen fürs Klinikum. „Das gesamte Team des Klinikums hat gezeigt, dass wir gut vorbereitet sind“, so Rupp.
Den Plan mit den einzelnen Szenarien stellten die Klinikverantwortlichen zuletzt Vertretern der Integrierten Leitstelle Fürstenfeldbruck, der Polizeiinspektion Starnberg, der Freiwilligen Feuerwehr Starnberg, der Unteren Katastrophenschutzbehörde, des Katastrophenschutzes und des Rettungsdienstes vor. Organisationen, mit denen das Klinikum im Ernstfall gut und vor allem schnell harmonieren muss.