Wut auf Motorradfahrer als Motiv? Ermittlungen zu Öl-Attacke am Sylvenstein gehen weiter
Ob die Öl-Attacke auf der B307 als versuchtes Tötungsdelikt einzustufen ist, muss sich noch herausstellen. Die Polizei hat die Wachsamkeit auch auf anderen beliebten Motorradstrecken erhöht.
Lenggries - Der Vorfall blieb zwar ohne schwerwiegende Folgen. Doch beim Gedanken, was hätte passieren können, kann einem im Nachhinein mehr als mulmig werden. Was könnte das Motiv sein, aus dem Unbekannte am Dienstag an zwei Stellen in Kurvenbereichen zwischen Sylvensteindamm und Faller Brücke vorsätzlich Öl auf der Fahrbahn verteilten? Ärger über Motorradfahrer wäre als Motiv „naheliegend“, räumt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd in Rosenheim auf Nachfrage ein, ergänzt aber auch: „Bewiesen ist das noch nicht.“
Noch keine Erkenntnisse zu Täter und Motiv
Aktuell ermittle die Polizei offiziell wegen eines „gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr“. Das könnte sich ändern, wenn die Ermittlungen genauere Erkenntnisse zum Täter, dessen Vorgehensweise und Motivlage ergeben. „Sollte sich herausstellen, dass die Absicht bestand, einen Unfall herbeizuführen oder sogar eine Tötungsabsicht, könnte eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren drohen“, so der Polizeisprecher.
Von abgesicherten Erkenntnissen, die eine Einstufung des Lenggrieser Falls als versuchtes Tötungsdelikt rechtfertigen, sei man aktuell aber „weit entfernt“, so die Polizei. In der Tölzer Inspektion wurde eine Ermittlungsgruppe gegründet. Bis Donnerstagmittag gab es aber noch keine neuen Erkenntnisse, es war kein verwertbarer Zeugenhinweis eingegangen.
Erhöhte Wachsamkeit auch am Kesselberg
Die Polizeidienststellen, die für weitere beliebte Motorradstrecken zuständig sind, habe man sensibilisiert und zu erhöhter Wachsamkeit angehalten, so der Präsidiumssprecher. In Kochel am See, wo die Polizei die Kesselbergstrecke überwacht, hält man die Augen offen. „Wir fahren ohnehin intensiv Streife am Kesselberg“, erklärt ein Mitarbeiter der Dienstelle auf Anfrage. Zudem seien auch die Kochler Bürger „sehr wachsam“. In dem Moment, in dem irgendwo eine Ölspur auffällt, bekommen wir in der Regel sofort zwei bis drei Anrufe.“
Kopfschütteln hat die Meldung über den Vorfall in Lenggries in Motorradfahrer-Kreisen ausgelöst. „Man stellt sich die Frage, wie krank die Menschheit ist“, kommentiert Gábor Kóvacs von der Münchner Organisation „Blue Peers“, die sich um Unfallopfer kümmert, Fahrtrainings gibt und 2021 am Kesselberg eine große Bikerdemo gegen Fahrverbote organisierte. Gerate ein Motorrad in einer Kurve in einen Ölfilm, habe der verschmierte Reifen aufgrund seiner geringen Lauffläche zu wenig Grip, „und man rutscht weg, da kann man dann nichts mehr machen“, erläutert der passionierte Biker.
Sylvenstein ist ein „Krad-Hotspot“
Die Tat am Sylvenstein hält Kóvacs für „gesellschaftpolitisch erschreckend“. Bei Konfliktthemen seien verschiedene Interessensgruppen offenbar immer weniger kommunikationsfähig. Es mangle an Toleranz und es gebe „eine Tendenz zur Selbstjustiz“.
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Der mutmaßliche Öl-Anschlag fällt in eine Zeit, in der verstärkter Motorradverkehr im Sylvenstein-Bereich für Diskussionen und bei vielen Menschen für Ärger sorgt. Lars Werner, Verkehrsexperte der Tölzer Polizei, bestätigt, dass sich der Sylvenstein zu einem „Krad-Hotspot“ entwickelt habe. Vor allem die „Poserszene“ bereite dort Probleme. Es gebe einen „spürbaren Verlagerungseffekt“ des Motorradverkehrs, seit am Kesselberg eine tägliche Sperre von 15 bis 22 Uhr für bergauf fahrende Motorräder gelte.
Zuspitzung des Unfallgeschehens am Sylvenstein
Beim Unfallgeschehen spricht Werner von einer „Zuspitzung“ im Sylvensteingebiet. Von einem „Unfallhäufungspunkt“ könne man allerdings noch nicht sprechen. Laut Werner wurden die Kontrollen in dem Gebiet verstärkt, auch die „AG Krad“ der Polizei zeige Präsenz. Zudem laufen Gespräche, um zusammen mit Kollegen aus Österreich eine große Kontrollaktion durchzuführen.
Aus Sicht von Biker Gábor Kóvacs hat die Zunahme des Motorradverkehrs am Sylvenstein nicht zwangsläufig mit der Sperrung am Kesselberg zu tun, sondern allgemein mit den gestiegenen Zulassungszahlen für Motorräder. Kóvacs erklärt, dass der Sylvenstein attraktiv für die Gruppe der „Knieschleifer“ sei, also diejenigen Biker, denen es Spaß macht, sich so steil in eine Kurve zu legen, dass sie mit dem Knie fast den Boden berühren.
Beliebte Stelle für „Knieschleifer“
„Von Achensee kommend Richtung Sylvensteinsee gibt es eine Linkskurve, die viel Potenzial hat, um das zu üben“, sagt er. Und von den beidseitig vorhandenen Parkplätzen aus könne man gut zuschauen.
Das „Knieschleifen“ sehe spektakulär aus, allerdings müsse man dafür recht langsam fahren, versichert Kóvacs. Natürlich gelte es, sich dabei „an die Spielregeln zu halten“ und Rücksicht zu nehmen. Auf der anderen Seite wünscht sich der Münchner aber auch Toleranz gegenüber den jungen Bikern, die das Kurvenfahren als Hobby hätten. „Durch Konfrontation kommen wir nicht weiter.“ (ast)