Putin bietet angeblich Ukraine-Waffenstillstand an – Experten vermuten klares Kalkül

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Will Putin wirklich einen Waffenstillstand mit der Ukraine? Westliche Experten zweifeln – und ein russischer Oppositioneller ist empört.

Moskau/New York – Es klingt zunächst nach einer möglichen Wende im Ukraine-Krieg. Aus Diplomatenkreisen will die renommierte New York Times erfahren haben: Über Mittelsmänner soll Wladimir Putin einen Waffenstillstand angeboten haben. „Er ist wirklich bereit, bei den aktuellen Positionen stehenzubleiben“, sagte ein russischer Diplomat mit Blick auf Putin und den Frontverlauf in der Ukraine. Der nicht unerhebliche Nachsatz: „Er ist nicht bereit, auch nur einen Meter zurückzutreten.“

Öffentlich hatte der Kremlchef zuletzt betont, Russland halte an seinen Kriegszielen fest. Dazu gehört offiziell unter anderem die Demilitarisierung der Ukraine. Nicht nur deshalb wäre eine Waffenstillstands-Initiative eine Überraschung – zuletzt hatte sich Russlands Position in dem Angriffskrieg Experteneinschätzungen zufolge eher verbessert. Doch womöglich handelt es sich ohnehin eher um ein taktisches Manöver als um ein Interesse am Ende des Blutvergießens.

Waffenstillstands-Angebot von Putin: ISW sieht Taktik gegen West-Hilfe im Ukraine-Krieg

Zu diesem Schluss kam das US-amerikanische Institute for der Study of War (ISW) in einer aktuellen Einschätzung. „Der Zeitpunkt von Putins kolportiertem Interesse an einem Waffenstillstand passt eher zu Russlands Bemühungen, westliche Militärhilfe für die Ukraine zu verzögern und zu untergraben, als zu einem ernsthaften Interesse daran, den Krieg mit etwas anderem als einem vollständigen russischen Sieg zu beenden“, hieß es dort.

Wladimir Putin am Telefon – laut Kreml nicht im Gespräch mit den USA, sondern mit einer 13-jährigen Schülerin.
Wladimir Putin kurz vor Weihnachten am Telefon – laut Kreml nicht im Gespräch mit den USA, sondern mit einer 13-jährigen Schülerin. © IMAGO/Mikhail Klimentyev/Kremlin Pool

Ähnliche Bestrebungen habe man schon im Winter 2022/23 ausgemacht, schrieb das ISW in seinem täglichen Lagebericht vom Samstag (23. Dezember) zum Ukraine-Krieg weiter. Ziel sei es schon damals gewesen, den Fokus des Westens auf „hypothetische Verhandlungen“ zu lenken, statt die Material-Versorgung der Ukraine für ihre Sommer-Offensive sicherzustellen. Letztere hat tatsächlich nicht die erhofften Erfolge erbracht.

Will Putin einen Waffenstillstand mit der Ukraine? Masala äußert sich zurückhaltend

Der deutsche Militärexperte Carlo Masala äußerte sich am Samstag (23. Dezember) zunächst zurückhaltend. Es gebe „viele Hinweise darauf, dass das nicht so ernst gemeint ist“, schrieb er im Kurznachrichtendienst X (früher Twitter). Bedenkenswert sei die Erinnerung an frühere Waffenstillstandsangebote zu für Russland militärisch problematischen Zeitpunkten – und die Tatsache, dass Putin offenbar die USA anspreche. „Der Beitrag weist ausdrücklich darauf hin, dass niemand weiß, wie die Ukraine auf diesen Vorschlag reagiert“, schrieb Masala mit Blick auf den Bericht der New York Times.

Das Blatt wies auf mehrere Unwägbarkeiten und Fragezeichen in Zusammenhang mit der russischen Hinterzimmer-Initiative hin. So habe ein russischer Informant auch erklärt, Putin könne jederzeit seine Meinung ändern, sollten Russlands Besatzungstruppen an „Momentum gewinnen“. Aktuell scheint im Wesentlichen ein Patt vorzuliegen – das hatte auch der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj zuletzt eingeräumt. US-amerikanische Quellen warnten, es könne sich um einen altvertrauten Versuch des Kreml handeln, Verwirrung zu säen.

„Für Putin geht es um Russland gegen die USA und den Westen“, zitierte die Times einen russischen Offiziellen: „Putin kann es sich nicht leisten, nachzugeben“, habe dieser vor einiger Zeit nach einem Treffen mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärt.

Putin-Kritiker Kasparow empört: „Kann einen Waffenstillstand in zehn Minuten haben“

Der russische Oppositionelle Garri Kasparow bewertete die Berichte über ein Verhandlungsangebot indes frostig als „BS“, also „Bullshit“, der lediglich Wladimir Putins Unterstützern im Westen Argumente und gegebenenfalls Russland Zeit für Nachrüstung militärischen Materials liefere. „Putin kann einen Waffenstillstand in zehn Minuten haben, wann auch immer er das will“, schrieb Kasparow auf X. „Alles, was er tun muss, ist zur Hölle nochmal aus der Ukraine zu verschwinden.“ Auch aus der Ukraine waren erwartungsgemäß enorme Zweifel an Wladimir Putins mutmaßlichem Angebot zu vernehmen.

So warnte der bekannte ukrainische Kriegsreporter Illja Ponomarenko auf X vor einem „Deal mit dem Teufel“. „Ausgehend von dem Fakt, dass Putin weiterhin signalisiert, dass er ‚offen für einen Waffenstillstand‘ sei, ist der Schluss, dass die Dinge bei Weitem nicht so großartig sind, wie uns der Kreml glauben lassen will“, urteilte er – wohl auch mit Blick auf die Verluste des Landes. Russland brauche eine Pause in den Feindseligkeiten mit der Ukraine. Das bedeute: „Wir sind alle auf dem richtigen Weg und müssen unsere Anstrengungen in allen Bereichen verstärken.“ (fn)

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