„Beispielhaft, dass die Stadt vorangeht und nicht ausharrt“: Digitale Zwillinge von 119 Gebäuden für „Klima-Roadmap“
Die Stadt Penzberg hat alle ihre 119 Gebäude, vom Rathaus über die Stadthalle bis zu den städtischen Mietshäusern, digital erfassen lassen. Dabei kamen Drohne und Handscanner zum Einsatz. Entstanden sind millimetergenaue Zwillinge. Die Stadt will damit die Instandhaltung vereinfachen und gezielt den Energieverbrauch senken.
Eine Mitarbeiterin von Leica Geosystems, ein Hersteller von Präzisionsmessinstrumenten, geht mit einem Handscanner durch den Sitzungssaal des Rathauses. Auf dem Monitor ihres Tablets erscheint in Echtzeit ein 3-D-Abbild, das selbst kleinste Dinge zeigt, einen Kugelschreiber, eine Türklinke, einen Nagel. 420.000 Laserpunkte sende der Scanner pro Sekunde aus, um den Raum abzutasten, erklärt Jan Luginsland von Leica Geosystems bei der Vorführung. So werde eine hohe Genauigkeit erzielt. Es entsteht ein digitaler Zwilling des Raums.
Arbeit mit Drohne Handscannern
Mit Handscannern waren Fachleute in den vergangenen Wochen in allen städtischen Gebäuden unterwegs: in der Stadthalle, in der Sporthalle, in der Rathauspassage, in den städtischen Mietwohnungen, im Bauhof, im Bahnhofsgebäude, im Museum und selbst in der Aussegnungshalle des Friedhofs. Allein im Rathaus waren es über 100 Räume. Acht bis 15 Minuten benötige man für ein 80-Quadratmeter-Zimmer, hieß es. Parallel notierten die Fachleute auf einem Tabletcomputer den Zustand, zum Beispiel zu Heizung, Dämmung, Wänden und Keller. Zugleich wurden die städtischen Gebäude von außen gescannt: Eingänge, Fassaden, Fenster und Dach. Dies geschah mit speziellen Drohnen.
119 städtische Gebäude digital erfasst
Laut Bürgermeister Stefan Korpan (CSU) wurden auf diese Weise 119 städtische Gebäude mit 414 Wohnungen und 24 Gewerbeeinheiten erfasst. Insgesamt sei es eine Bruttogrundfläche von über 125.000 Quadratmetern gewesen, was umgerechnet etwa 17 Fußballfeldern entspricht. Auf Nachfrage sagte er, dass in die Digitalisierung des Gebäudebestands ein „mittlerer sechsstelliger Betrag unter 500.000 Euro“ investiert wurde. Penzberg sei hier die erste große Kommune, die das mache, so Korpan. In der Wohnungswirtschaft ist dies dagegen verbreiteter.
Stadt erhofft sich einen doppelten Nutzen
Die Stadt Penzberg hatte das Unternehmen Wowiconsult, einen Softwareentwickler und Dienstleister für die Wohnungswirtschaft, mit der Digitalisierung beauftragt, das wiederum auf die Technik von Leica Geosystems zurückgriff. Die Stadt erhofft sich einen doppelten Nutzen. Zum einen will sie das Gebäudemanagement vereinfachen, zum anderen die Energieeffizienz zielgenauer verbessern. Dass Letzteres viel Geld kosten kann, hatte Anfang 2023 in Penzberg eine Untersuchung für 59 städtische Wohnhäuser gezeigt: Demnach würde es 29 Millionen Euro kosten, sie auf Effizienzhaus-Standard zu heben.
Wartung, Unterhalt und Instandsetzung
Stadtbaumeister Justus Klement erklärte, dass es bei der Digitalisierung zunächst um eine Datengrundlage für die Wartung, den Unterhalt und die Instandsetzung der Gebäude geht. Erfasst wurden die Räume auch nach Kriterien wie Reinigungsflächen, Barrierefreiheit und Sicherheit. Durch eine Software können Fachfirmen automatisch an Wartungstermine erinnert werden. Bei fast 500 Wartungsverträgen, die die Stadt unterhält, sei das eine enorme Erleichterung, um den Überblick zu behalten und die Firmen zu koordinieren. Zugleich können die städtischen Hausmeister bei Störungen direkt über das Software-Programm benachrichtigt werden.
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Stadt: Ein Schritt zur Klimaneutralität
Zweitens erhofft sich die Stadt durch die Digitalisierung eine Grundlage zu erhalten, um ihre Gebäude gezielt energieeffizienter zu machen. Im Rathaus spricht man von einem „Schritt in Richtung Klimaneutralität“. Die Einhaltung der Klimaziele stelle Kommunen vor enorme Herausforderungen. Sie müssten den Energieverbrauch ihrer Gebäude senken, den CO₂-Ausstoß verringern und auf die steigenden Energiekosten reagieren, so die Stadt. Die Digitalisierung soll dafür eine Basis schaffen.
„Das bringt sehr viel“
„Das bringt sehr viel“, sagte Bürgermeister Korpan. So wisse man, bei welchen Gebäuden und wo man dort als erstes tätig werden müsse. Wowiconsult-Geschäftsführer Waldemar Müller erklärte, dass die Digitalisierung einen großen Schub bedeute. Beim Erfassen der Gebäude werden der Ist-Zustand der Energieverbräuche ermittelt und auf Basis der Daten dann die Auswirkungen bestimmter Maßnahmen berechnet. Mithilfe künstlicher Intelligenz soll sichtbar werden, ob sich beispielsweise der Austausch von Fenstern, eine alternative Heizungsart, das Dämmen oder der Einbau von Photovoltaik lohnt. Müller erklärte, dass die Anlagentechnik der größere Hebel sei. Ihm zufolge wird der Stadt noch eine entsprechende Software zur Verfügung gestellt, auf denen Mitarbeiter geschult werden, um mit ihr arbeiten zu können. Dies soll im Herbst geschehen.
Was die Stadt erhält, bezeichnete Müller als „Klima-Roadmap“, ein Programm mit Handlungsempfehlungen und Prioritätenliste, das Maßnahmen mit den geringsten Kosten, aber den höchsten Effekt für die CO₂-Reduzierung vorschlägt. Das könne eine Dämmung sein, aber auch eine Änderung der Anlagentechnik, eine Kombination mit Photovoltaik oder das Auswechseln der Fenster. Oliver Häcker, geschäftsführender Gesellschafter von Wowiconsult, sagte, Penzberg habe hier eine Vorreiterrolle. „Es ist beispielhaft, dass die Stadt proaktiv vorangeht und nicht ausharrt.“