Den Druck noch einmal erhöhen: Bauernprotest an der A95 bei Eschenlohe und Großweil
Die Bauern haben im Landkreis noch einmal Flagge gezeigt. An der Autobahn bei Eschenlohe kam es zu Stauungen.
Eschenlohe/Großweil – Der Protest zwischen Pendlern, Porsche und der Polizei beginnt in den kälteren Stunden des Tages. Klaus Solleder trägt einen Hut mit einigen Festzeichen. Übergezogen hat er sich einen warmen Pulli. Draußen hat’s nur ein paar Grad über Null. Sie sind gekommen aus Eschenlohe, aus Schöffau, aus Unterammergau und aus einigen weiteren Orten. 40 Bulldogs, noch mehr Landwirtinnen und Landwirte. Noch einmal wollen sie dem Landkreis eine Botschaft zeigen: „Die Leute sollen kapieren, dass sie den Landwirt brauchen.“ So sagt es Klaus Solleder aus Unterammergau, der Kreisobmann des Bauernverbands. Er steht an der Bundesstraße 2 nahe Eschenlohe und vor ihm türmt sich allmählich eine Autolawine auf. Im Viertelstundentakt öffnen und schließen die Landwirte die B 2 an zwei Stellen. Für Rettungskräfte bleibt stets ein Korridor offen. Darauf haben sie geachtet.
Die Blockade ist auch eine Botschaft nach Berlin: „Wenn wir wollen, können wir dieses Land, das ohnehin gerade am Taumeln ist, in wenigen Stunden lahm legen.“ Sie wollen das natürlich nicht, betont Solleder. Es ist viel eher eine Demonstration der Macht von Machtlosen – so fühlen sie sich zumindest, wenn es um ihre eigenen Belange geht und das sind nicht wenige. Warum die Landwirtschaft so geworden ist, wie sie heute ist, das ist eine hoch komplexe Sache. Ein verwirrtes Wollknäuel, zum Entwirren bräuchte es viel Zeit. Darum geht es auch gar nicht in Eschenlohe. Es geht auch nicht per se um den Agrardiesel und die Beihilfe, über die gestern im Bundestag debattiert wurde. Heute steht der Agrarhaushalt auf der Tagesordnung. Da galt es vonseiten der Landwirte, nochmals den Druck zu erhöhen.
Wer mit den Frauen und Männern vor Ort spricht, merkt, dass sie etwas Größeres drückt. Eine innere Unruhe gewissermaßen, eine Sorge um ihren Berufstand und ihr Land. „Wir brauchen eine Zukunftsperspektive“, sagt Solleder. Alleine in der Branche gebe es – in Bildsprache gesprochen – so viele Felder zu bestellen: Düngeverordnung, Tierschutzgesetzte, die Anbindehaltung, der Emissionsschutz beim Stallbau, das Tierarzneimittelgesetz, ganz oft klagen sie über „Bürokratie hoch drei“, so nennt’s der Obmann. Und dann sind da noch die gesellschaftlichen Themen, Rente, Migration, Fachkräftemangel, Steuern.
Solidarische Verkehrsteilnehmer
Wenn man davon spricht, dass es in einem Land zu brodeln beginnt, dann sind das hier die Blubberbläschen, die sichtbar werden. Männer und Frauen in Arbeitshosen eingerahmt von Autos, die zur Skipiste, in die Arbeit oder sonst wohin steuern. Wer sich mit den Bauern solidarisiert, der hupt, wer das bescheuert findet, kurbelt sein Fenster runter und schimpft. Christian Potempa und Alexander Fischer steigen sogar aus. Der eine aus seinem Porsche, der andere aus seinem Lastwagen. Zu sagen haben sie das gleiche, nur in anderen Worten. Sie finden das gut, was die Bauern auffahren. „Obwohl ich zum Skifahren will“, sagt Christian Potempa aus Utting. Alexander Fischer fährt Kühlmittel durch Bayern, gerne hätte er auch mitdemonstriert. Aber er und die Kollegen dürfen nicht. Verträge, die nicht gebrochen werden dürfen, erklärt er vor seinem Transporter. Solche Menschen haben die Landwirte der Region zuletzt viele getroffen. „Wir sind ja mittlerweile Berufs-Demonstranten“, sagt einer der Landwirte scherzend, wie sie so zusammen stehen.
Drüben in Großweil, wo die Kollegen still am Straßenrand protestieren mit Bulldogs und Transparenten, erzählen einige Junge, dass die letzten Wochen sozusagen ihre ersten im Widerstand waren. Dass sich das gut anfühlt, die anderen Landwirte auf der Straße zu sehen. So was hat’s ja länger nicht gegeben, Proteste in diesen Dimensionen. „Normal ist das nicht“, sagt Solleder. Eine Straße habe man noch nie gesperrt. Das zeigt schon, wie viel ihnen das bedeutet.
Die Bauern aus dem Landkreis sind stolz auf ihre kleinteilige Landwirtschaft, die ihre Viecher noch selbst austreibt. An die 70 Prozent gehen hauptberuflich einem anderen Job nach. Sie sind Idealisten und Hüter einer Tradition. Aber sie fürchten, dass die Stück für Stück zugrunde geht. Im Schraubstock zwischen Brüssel und Berlin, zwischen riesigen Industriebetrieben und immer neuen Vorschriften, Gesetzen, Auflagen. „Wir haben Angst um unsere nächste Generation“, sagt Solleder. Einiges hätten sie schon erreicht, betont er. Das Grüne Nummernschild bleibt.
Nur eine Sache. Noch mehr brauche es, nicht bloß bla bla, findet Solleder. Bewegen müssen sich jetzt alle. Die Ampel in Berlin, die Regierung in München. Nach 14 Uhr bewegt sich in Eschenlohe wieder alles. Die Landwirte rollen wieder nach Hause. Da gibt es auch noch genug zu tun.
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