Im neuen Marienheim in Peiting ist Alltag eingekehrt

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Arbeiten mit den eigenen Händen, zum Beispiel an der Nähmaschine, ist eine Form der Therapie. Im Marienheim-Neubau gibt es drei Werkstätten für die Bewohner. © Hans-Helmut Herold

Vor gut drei Monaten sind 57 Bewohner des Peitinger Marienheims in das neue Gebäude gezogen, das die AWO am Bühlach gebaut hat. Inzwischen herrscht reger Alltag in der sozialtherapeutischen Einrichtung.

Peiting – Im Radio läuft Popmusik, die Nähmaschine rattert leise vor sich hin. Die vier Frauen, die in einem der Werkräume des Marienheim-Neubaus in Peiting sitzen, sind in ihre Textilarbeiten vertieft, als Jörg Reiprich die Tür öffnet. Der Leiter der sozialtherapeutischen Einrichtung führt durch das große Gebäude, das die AWO im Sommer feierlich eröffnet hat, und macht als erstes an den Werkräumen Halt. In den hellen Zimmern, die im Untergeschoss liegen, findet eine Art der Therapie statt: Die Marienheim-Bewohner üben sich in Konzentration, Geduld und Geschicklichkeit.

Manche Bewohner sitzen den ganzen Vormittag dort und werkeln an ihren Projekten aus Stoff und Holz, stellen Schmuck her, sortieren Briefmarken oder basteln die Ofenanzünder, die auch auf dem Bauernmarkt in Peiting verkauft werden. Andere schaffen es nur für eine Weile, sich zu konzentrieren. „Das ist sehr individuell“, sagt Reiprich. Zu etwas zwingen kann und will man dort niemanden.

Marienheim in Peiting versteht sich als „beschützende Einrichtung“

Das Marienheim versteht sich immerhin als „beschützende Einrichtung“: Die Klienten, wie die Bewohner dort heißen, sollen in ihrem täglichen Leben gefördert und unterstützt, aber nicht überfordert werden. Oft eine Gratwanderung.

57 Menschen mit psychischen Erkrankungen leben momentan hinter den neuen Mauern der Einrichtung. Sie haben einen Alltag zwischen Freiheit und Grenzsetzung, beschützt vor Gefahren des Lebens draußen – und immer auch vor den Auswirkungen ihrer eigenen Erkrankung. Viele Klienten leiden an einer Schizophrenie, sagt Reiprich. Andere haben Suchterkrankungen, manche sogar beides.

Jörg Reiprich leitet die sozialtherapeutische Einrichtung der AWO. Für ihn ist der Neubau ein Gewinn.
Jörg Reiprich leitet die sozialtherapeutische Einrichtung der AWO. Für ihn ist der Neubau ein Gewinn. © Hans-Helmut Herold

In dem neuen Gebäude kann das Marienheim jetzt auch Personengruppen aufnehmen, die die Einrichtung früher abweisen musste. Beispielsweise Erkrankte mit höherer Suizidalität oder Personen mit größerer Weglauftendenz. Der Bau ist nun auch für diese Personen ausgelegt, sodass man ihnen gerecht werden kann, sagt Reiprich. Gefängnisähnliches Einsperren sei schließlich nie eine Option gewesen.

Insgesamt bietet der Neubau Platz für 66 Menschen – genau wie das vorherige Gebäude im Peitinger Ortskern. Auch im neuen Haus sollen bald alle Plätze belegt sein, sagt Reiprich. Dafür brauche man aber noch mehr Personal: Die neue Leistungsvereinbarung, die das Marienheim eingegangen ist, schreibt insgesamt etwa 70 Mitarbeiter für 66 Klienten vor, „um die Qualität umzusetzen“. Aktuell sind es 60 Personen, die in der Einrichtung arbeiten. Diese Zahl umfasse das gesamte Team, nicht nur die Mitarbeiter in den Wohngruppen, wie der Einrichtungsleiter erklärt.

Umzug ging schnell über die Bühne: Binnen zweieinhalb Stunden waren Zimmer bezogen

Dank guter Vorbereitungen ist der Umzug schnell über die Bühne gegangen. Die Bewohner mussten nur noch ihr Handgepäck mitnehmen, als es am 14. Oktober in das neue Gebäude ging, und binnen zweieinhalb Stunden waren alle Zimmer bezogen. Die meisten haben sich offenbar schon gut eingelebt. Nur ein Klient hatte laut Reiprich in der ersten Woche Probleme mit der neuen Umgebung und wirkte zunächst etwas orientierungslos.

Insgesamt nimmt der Einrichtungsleiter aber deutliche Verbesserungen wahr. „Die Nächte sind seit dem Umzug viel ruhiger, weil die Klienten ruhiger sind“, sagt Reiprich. Vor allem, weil es in dem Neubau mehr Privatsphäre gibt.

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Im alten Haus haben sich die Bewohner ihre Zimmer teilweise zu zweit teilen müssen, jetzt hat jeder seinen eigenen Bereich mit Schlafzimmer und Bad. Die Einzelzimmer sind in Wohngruppen eingegliedert, die wie WGs funktionieren. Es gibt Gemeinschaftsküchen und Wohnzimmer, Platz zum Austausch und zum Rückzug. Die Wohngruppen, die es schon im alten Haus gab, konnten verkleinert werden. Anstatt drei, gibt es jetzt sechs.

Während die Wohngruppen 1 und 2 zwar in den Innenhof, nicht aber selbstständig aus ihren Wohngruppen können, haben die anderen vier Wohngruppen mehr Freiräume. „Dort wohnen Klienten, die mehr Absprache- und Steuerungsfähigkeit haben, weil sie sich schon nachhaltig psychisch stabilisieren konnten“, erklärt Jörg Reiprich. Ihnen steht 24 Stunden am Tag der terrassenähnliche Laubenhof zur Verfügung, und bei „Ausgang“ dürfen sie auch vom Gelände. Zum Beispiel, um einkaufen zu gehen.

Die Heimatzeitungen im Landkreis Weilheim-Schongau sind unter „merkur_wm_sog“ auf Instagram vertreten.

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