Stimmzettel Landratsamts-Neubau Landsberg: Verwirrung vorprogrammiert?
Der Bürgerentscheid kommt – nach jetzigem Stand zusammen mit einem Ratsbegehren. Der vom Landratsamt dafür vorgeschlagene Stimmzettel mit Ratsbegehren, Bürgerbegehren und Stichfrage wurde im Kreistag mehrheitlich angenommen, sorgte aber für massive Verständnisfragen und Kritik.
Bericht und Kommentar.
Landkreis Landsberg - Der Bürgerentscheid kostet. Um den Kommunen die finanzielle Belastung abzunehmen, hatten Grüne, SPD, ÖDP und Die Partei beantragt, über die Frage der Bürgerinitiative „LRA-Neubau stoppen“ nochmals im Kreistag abzustimmen. Nach dem Kreisausschuss, der den beantragten Stopp mit 7 zu 6 abgelehnt hatte, sprach sich auch der Kreistag mit 30 zu 23 Stimmen gegen einen Stopp aus. Landrat Thomas Eichinger (CSU) hatte zuvor für Bürgerentscheid samt Ratsbegehren votiert: Mit knapp 10.000 Unterschriften sei das „gewünscht“. Man müsse nun auch den übrigen rund 90.000 Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, über den Landratsamtsneubau zu entscheiden. Termin für die Wahl ist der 23. Februar – vorausgesetzt, an diesem Tag findet die Bundestagswahl statt, von deren ‚Zulauf‘ Bürgerentscheid und Ratsbegehren profitieren sollen.
Stimmzettel zum Bau am Penzinger Feld: Eine, zwei oder drei Antworten
Kontroverse und lange Diskussionen gab es um den Stimmzettel mit Ratsbegehren (als Bürgerentscheid 1 bezeichnet), Bürgerbegehren (als Bürgerentscheid 2 bezeichnet) und Stichfrage. Letztere sei verpflichtend, betonte Maximilian Schuler vom Landratsamt.
Die Verwaltung genehmigte die beantragte Anpassung der Bürgerentscheids-Formulierung. Diese lautet nun: „Sind Sie dafür, den Neu- bzw. Erweiterungsbau, der als Lechkiesel bezeichnet wird, mit Baukosten von ca. 120 Mio. € am Penzinger Feld zu stoppen?“ Wähler können alle drei Fragen beantworten, müssen das aber nicht. Ungültig sei nur ein leerer Stimmzettel, so Schuler. Der Stimmzettel sei in dieser Form von der Rechtsaufsicht, der Regierung von Oberbayern, abgenickt.
Das Ratsbegehren, das mit 29 zu 25 Stimmen beschlossen wurde, lautet: „Sind Sie dafür, dass der Landkreis Landsberg am Lech ein zentrales Dienstleistungsgebäude am Penzinger Feld in Landsberg realisiert, um 13 angemietete Außenstellen mit jährlichen Mietkosten von ca. 1,2 Mio € zusammen zu fassen und die Zulassungsstelle dort unterzubringen?“ Mit der Zustimmung zum Ratsbegehren entfällt zeitgleich die Paritätsklausel, die dem Bürgerbegehren entsprechende Werbemöglichkeiten wie dem Landratsamt zugesichert hätte.
Die Stichfrage lautet: „Werden die bei Bürgerentscheid 1 und 2 zur Abstimmung gestellten Fragen in einer miteinander nicht zu vereinbarenden Weise jeweils mehrheitlich mit Ja oder jeweils mehrheitlich mit Nein beantwortet: Welche Entscheidung soll dann gelten?“ Als Antworten sind möglich: „Bürgerentscheid 1“, der mit „Realisierung Dienstleistungsgebäude“ erläutert wird. Und „Bürgerentscheid 2“, der mit „Planungsstopp Lechkiesel“ erläutert wird.
Renate Standfest (Grüne) kritisiere die sich stetig ändernden Bezeichnungen für den geplanten Neubau seitens des Landratsamtes als „kolossal verwirrend“. Ausgehend von der ursprünglich angedachten „Außenstelle Landratsamt Penzinger Feld“ sei man nun beim „Bürgeramt der Zukunft“ oder einem „zentralem Dienstleistungsgebäude“ gelandet, einer „Verlagerung des gesamten alten Landratsamtes“.
Abstimmung über Landratsamts-Neubau in Landsberg: Eindeutiges Votum für Neuplanung nicht möglich
Die Opposition äußerte vor allem Kritik am Ratsbegehren. Es verwirre die Wähler lediglich, der Bürgerentscheid allein hingegen verschaffe eine klare Antwort gegen oder für die aktuell geplante Version des Neubaus. Alexander Herrmann (SPD) kritisierte das Ratsbegehren auch wegen der Details zu Außenstellen, Mietkosten und Zulassungsstelle, die „keine neuen Argumente“ und somit unnötig seien. Eichinger nannte die Details hingegen „Erläuterungen“. Viele Bürger seien darüber nicht informiert.
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Felix Bredschneijder (SPD) wies darauf hin, dass die Ratsbegehren-Formulierung suggeriere, der Wähler könne über den Standort der Zulassungsstelle abstimmen – was der Wähler nicht kann. Bretschneijder konkretisierte zudem, dass der aktuelle Stimmzettel den Wählern nicht ermöglicht, lediglich gegen die aktuelle Planung des Landratsamtsneubaus am Penzinger Feld in Form des „Lechkiesels“ für rund 120 Millionen Euro zu stimmen. Denn jemand, der das bisher geplante Gebäude ablehne, müsse dem Bürgerentscheid zustimmen, aber auch ausdrücklich gegen das Ratsbegehren votieren: „Wenn der Wähler das konkrete Gebäude nicht will, muss er also generell gegen einen Neubau stimmen. Ist das so gewollt?“
Wer dem Bürgerentscheid zustimme, wende sich generell gegen einen Neubau, konstatierte Eichinger. Der Begriff „Lechkiesel“ sei keine offizielle Bezeichnung, ein neues Gebäude unter 120 Millionen Euro sei nicht machbar. Mit dem Ratsbegehren frage man den Bürger, ob er generell den Neubau eines Dienstleistungsgebäudes wolle. „Wie wir das tun, entscheidet der Kreistag.“
Eugen Bolz (CSU) hakte allerdings nach, ob der Landkreis die Möglichkeit für ein anderes Gebäude am Penzinger Feld habe. Schließlich muss die Stadt Landsberg das Baurecht erteilen. Der Stadtrat hatte aber für ein „attraktives Stadtentrée“ den Realisierungswettbewerb eingefordert – dessen Gewinner gerade der „Lechkiesel“ ist.
Kommentar: „Alles klar?“
Skuriles Kabarett kann erheitern – und zugleich zutiefst deprimieren. Einige wenige Kreisräte sind wohl der Überzeugung, der aktuelle Stimmzettel sei verständlich. Wie sich das mit der stundenlangen Diskussion um Verständnisfragen innerhalb des Gremiums vereinbaren lässt, sei diesen Kreisräten überlassen.
Dass der Kreistag die Planungen für den Neu-/Erweiterungs-/Dienstleistungs-/Bürgeramtsbau ändert, wie Eichinger das Ratsbegehren verstanden haben will, ist unwahrscheinlich. Schließlich hat das Gremium kurz zuvor gegen den Stopp der aktuellen Planung gestimmt. Das legt nahe, dass die Mehrheit des Kreistags diese aktuelle Planung fortsetzen möchte – für die bisher keine wirklich effektiven Einsparmöglichkeiten bekannt sind.
Dass die Abstimmung am 23. Februar so wie beschlossen stattfindet, ist nicht sicher. Mehrere Kreisräte sowie die Vertreter der Bürgerinitiative in den Zuhörerrängen äußerten rechtliche Bedenken. So könnte man aufgrund von Eichingers Aussage – der Bürgerentscheid spreche sich generell gegen einen Neubau am Penzinger Feld aus – sagen, der Ratsentscheid – der für einen Neubau am Penzinger Feld spricht – sei das Spiegelbild des Bürgerentscheids: die selbe Frage, nur andersherum formuliert. Damit gäbe es keine wirkliche Entscheidungsalternative. Und damit wäre das Ratsbegehren überflüssig, somit unzulässig. Dem müsse aber laut Reinhold vorhergehen, dass „eine irreführende Formulierung im Ratsbegehren die Erfolgsaussichten des Bürgerbegehrens schmälert“. Recht ist uneindeutig. Oder anders: zwei Juristen, drei Meinungen. Susanne Greiner
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