„Werde die Toten nie vergessen“: Auschwitz hat sie überlebt - und trägt die Erinnerung am Körper
Autorin Dr. Eva Umlauf hat den Holocaust überlebt. Im Badehaus berichtet sie über ihre berührende Familiengeschichte.
Waldram – Ein erstaunliches Bild bot sich den Besuchern am Sonntagabend im ausverkauften Badehaus: Auf dem Podium saß eine 81-jährige, modisch gekleidete Frau, und erzählte keineswegs verbittert über ihre Kindheit, die sie zum Teil unter schlimmsten Bedingungen in einem slowakischen Arbeitslager und später im Nazi-KZ Auschwitz-Birkenau verbracht hatte. Zwischen dezenter Musik der Beermann-Brüder und einigen Filmausschnitten stellte sich die Holocaust-Überlebende Dr. Eva Umlauf den mitunter unbequemen Fragen der Badehaus-Vorsitzenden Dr. Sybille Krafft.
Sie hat Auschwitz überlebt - trägt die Erinnerung aber an ihrem Körper
„Wir haben selten so viele frühzeitige Voranmeldungen bekommen“, sagte Krafft. Das dürfte vor allem an einem Bestseller gelegen haben, den die Psychotherapeutin Umlauf gemeinsam mit der Historikerin Stefanie Oswalt nach ihrem Herzinfarkt vor zehn Jahren geschrieben hat. Allein der ungewöhnlich lange Titel „Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen“ hatte damals zu kontroversen Diskussionen mit ihrem Verlag geführt. Der hätte lieber die Verwendung kurzer Schlagworte wie „Auschwitz“ oder „Holocaust“ auf dem Cover gelesen. „Auch diesen Kampf habe ich gewonnen“, meinte Umlauf lächelnd.
„Werden die Toten nie vergessen“: Bundesverdienstkreuz für Eva Umlauf
Kurz bevor ihr im Frühjahr 2023 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen wurde, hatte sich die gebürtige Slowakin erneut rechtfertigen müssen. Eine Journalistin fragte sie mehrmals, ob sie diese Auszeichnung überhaupt annehmen wolle? „Natürlich wollte ich, Beate Uhse hat das Verdienstkreuz ja auch bekommen“, verriet sie den schmunzelnden Badehaus-Besuchern. Von der Jüdin, der im Täterstaat Deutschland so viel Leid widerfahren war, hätte manch einer vielleicht eine andere Reaktion erwartet.

Erinnerungen nach 1945: Autorin hat Auschwitz und Arbeitslager überlebt
Umlauf räumte ein, dass ihre Kindheitserinnerungen erst nach der Befreiung des Vernichtungslagers in Auschwitz am 27. Januar 1945 einsetzten. Damals hatte sie mit ihrer hochschwangeren Mutter noch einige Monate in einem Lazarett der Roten Armee bleiben müssen. Ihr Vater war einige Monate zuvor auf einem Todesmarsch gestorben. „Wir waren beide nicht transportfähig“, erklärte Umlauf. Bei ihr selbst stellte ein Arzt eine Vielzahl von Krankheiten wie Tuberkulose und Lungenentzündung fest. „Der Doktor sagte zu meiner Mutter: ,Vergessen Sie das Kind, es wird nicht überleben‘“, erzählte die 81-Jährige.
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Doch Eva Umlauf erholte sich, verbrachte ihre spätere Kindheit und Jugend in der damaligen Tschechoslowakei, studierte Medizin und ließ sich 1967 schließlich mit ihrem ersten und mittlerweile verstorbenen Mann in München nieder. Dort arbeitet die Mutter von drei Kindern bis heute als Fachärztin für psychotherapeutische Medizin.
Badehaus Waldram: Eva Umlauf liest aus ihrem Buch über den Holocaust
Aus ihrem von 2014 bis 2016 entstandenen Buch las Umlauf im Badehaus einige Textpassagen vor. Ihr Leben verdankt sie wahrscheinlich einer kaputten Lokomotive, die im Spätherbst 1944 Juden aus dem slowakischen Arbeitslager Nováky nach Auschwitz transportieren sollte. Die drei Tage, an denen der Zug auf der Strecke stand und repariert werden musste, retteten den Insassen das Leben. Denn am 1. November begannen die Nazis mit der Sprengung der Gaskammern, um Beweise für den Massenmord an rund 1,1 Millionen Menschen zu vernichten.
Tattoo aus dem KZ: Eva Umlauf hat ihre blaue Gefangenen-Nummer auf dem Unterarm
Ihre blaue Gefangenen-Nummer „A26959“, die dem kleinen Mädchen damals auf den Unterarm tätowiert wurde, trägt Umlauf heute noch. „Sie gehört zu mir wie jedes Muttermal, jede Falte, jede Narbe: Sie ist mit mir gewachsen und mein ganz persönliches Mahnmal“, sagte die 81-Jährige. Wenn sie heute zu Untersuchungen geht und Ärzte die Tätowierung bemerken, wunderte sich Umlauf oft über deren Unwissenheit. „Manche fragten mich sogar, was ich da auf meinen Armen hingeschmiert hätte?“, zeigte sich die Zeitzeugin erstaunt. Meist verzichtet sie auf die Aufklärung der taktlosen Mediziner. „Ich habe dann manchmal einfach gesagt, dass das meine Telefonnummer ist“, spottete sie.
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Auf die abschließende Frage von Dr. Sybille Krafft, wann die Traumata enden, zeigte sich Umlauf ratlos. „Vergessen werden wir die Toten nie, aber es ist kein tägliches Programm.“ Dem derzeitigen Wiedererstarken rechtsextremistischer Tendenzen setzt Eva Umlauf ihre zahlreichen Vorträge an Schulen und Gedenkstätten entgegen.