Ausland - Deutsche Grenzschützer nach Gaza?

Noch ist der Grenzübergang Rafah am Südrand des Gaza-Streifens für den regelmäßigen Verkehr geschlossen. Seit Mai 2024 ist er im Zuge des Krieges zwischen Israel und der militanten islamistischen Hamas weitgehend gesperrt.

Doch das soll sich bald ändern, möglicherweise schon Anfang Februar. Dann sollen über Rafah vor allem Hilfsgüter in den völlig zerstörten Gaza-Streifen gebracht werden. Aber auch Verletzte können dann den Gaza-Streifen verlassen. Möglich wird die Öffnung durch die Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas für eine Waffenruhe und die Befreiung der Geiseln als erste Schritte auf dem Weg zur Beendigung des Gaza-Krieges - und weil es eine EU-Mission zur Kontrolle des Grenzübergangs geben soll. Daran will sich auch Deutschland beteiligen.

Neben humanitärer Hilfe verfolge die EU-Mission zweierlei Ziele, sagt Hans-Jakob Schindler, Nahostexperte und Leiter der internationalen Organisation Counter Extremism Project, der DW: "Erstens, dass die Hilfsgüter, die reinkommen, nicht Dinge enthalten, die möglicherweise der Hamas erlauben, ihre fast vollständig zerstörte Terrorinfrastruktur wieder aufzubauen. Und zweitens zu verhindern, dass im Gegenzug extremistisch-terroristische Personen rein- und rausfiltrieren aus Gaza." Daran ist auch Ägypten interessiert, und daher unterstützt Ägypten die Mission der Europäer.

Für die EU und auch für Deutschland wäre das nicht neu. Schon vor zwanzig Jahren waren deutsche Beamte an der EU-Mission EUBAM (European Union Border Assistance Mission) beteiligt. Sie unterstützten die palästinensischen Behörden ab 2005 bei der Personen- und Warenkontrolle am Übergang Rafah. Israel hatte sich 2005 aus dem Gaza-Streifen zurückgezogen, die von der gemäßigten Fatah dominierte Palästinensische Autonomiebehörde übernahm damals die Kontrolle.

2007, zwei Jahre später, war Schluss mit EUBAM: Die islamistische Hamas hatte im Gaza-Streifen die Macht übernommen - für die EU eine Terrororganisation, mit der sie nicht zusammenarbeiten wollte.

Jetzt soll EUBAM wieder aufleben, wie die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas bereits angekündigt hat. Italien, Spanien und Frankreich äußerten bereits ihre Bereitschaft, Einsatzkräfte zum Schutz der Mission zu entsenden.

Deutschland prüft eine Beteiligung noch, aber nach den Worten eines Regierungssprechers geht es nicht um das Ob, sondern um Details, etwa um den Schutz der Beamtinnen und Beamten. Ein Unterschied zu damals wäre, dass die deutschen Kräfte diesmal wahrscheinlich bewaffnet sein sollen - zur Selbstverteidigung. Die Situation ist heute sehr viel unsicherer als 2005.

Mit der Entsendung deutscher Hilfskräfte zum Grenzübergang Rafah will die Bundesregierung einen Beitrag zur Umsetzung des Waffenruhe-Abkommens zwischen Israel und der Hamas leisten.

Die zentrale Frage bleibt aber bisher unbeantwortet: Wie wird der Gaza-Streifen in Zukunft verwaltet werden, wenn es nicht mehr die Hamas ist?

Diese Frage müsse vor allem der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beantworten, sagt Hans-Jakob Schindler. "Wenn es keine Antwort auf diese Frage gibt, wird es der Hamas relativ schnell gelingen, zumindest im Gaza-Streifen intern wieder die Macht zu übernehmen. Es gibt ausreichend Netzwerkstrukturen in Gaza, die es der Hamas erlauben, wenn ein Vakuum entsteht, die Israelis sich zurückziehen, aber niemand anders übernimmt, sofort wieder die Kontrolle auszuüben, weil die Hamas alle Gewaltmittel in Gaza in der Hand hat."

Die palästinensische Autonomiebehörde als Verwaltungsinstitution kommt aus israelischer Sicht derzeit nicht infrage. Aber wenn nicht sie, so Schindler, "dann müssten es internationale Truppen sein, und da könnte diese EU-Mission ein Teil davon sein".

Es geht dabei zunächst um die Versorgung der palästinensischen Bevölkerung, für die Rafah eine wichtige Rolle spielt. Immer wieder stauen sich die LKW-Kolonnen mit Hilfsgütern an der Grenze. Doch der gesamte Wiederaufbau des Gaza-Streifens hängt letztlich an der Frage, wer die Kontrolle ausübt, betont Schindler und nennt Beispiele:

"Internationale Banken könnten jederzeit von der EU oder den USA sanktioniert werden, wenn sie Gelder transferieren, die dann bei der Hamas enden. Und es ist auch klar: Wenn die Hamas wieder die Macht im Gaza-Streifen übernimmt, dann wird es auch immer wieder zu israelischen Militäroperationen kommen, um sicherzustellen, dass die Hamas nicht wieder so mächtig wird, dass sie Israel bedrohen kann. Wer investiert dann in den Aufbau irgendwelcher Infrastruktur, wenn die nächste Woche wieder weggebombt werden könnte?"

Zwar wird eine wiederbelebte EUBAM-Mission an der Grenze zu Ägypten nur eine geringe Rolle spielen können; anfangs geht es nur um eine zweistellige Zahl von Grenzschützern. Aber die EU und Deutschland wollen einen Beitrag leisten, damit sich die Lage insgesamt zwischen den Konfliktparteien stabilisiert.

Öffentlich geworben hat dafür besonders die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen. Sie sagte bei einem EU-Treffen, das Engagement der Europäer sei ein wichtiges Zeichen dafür, dass Europa Verantwortung in der Welt übernehme.

Von Christoph Hasselbach

Das Original zu diesem Beitrag "Deutsche Grenzschützer nach Gaza?" stammt von Deutsche Welle.