Scholz bremst im Ampel-Streit um Steuern – Habeck erhält FDP-Schelte per Brief

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Unternehmen sollen entlastet werden, finden Scholz und Lindner, doch über das „Wie“ gibt es Zoff. Jetzt schaltet sich Scholz ein - und Habeck erhält einen Brief der FDP.

Berlin – Zwischen den Koalitionspartnern Grünen und FDP knirscht es heftig: Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) haben unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gestärkt und Unternehmen entlastet werden könnten. 

Ein Machtwort des Kanzlers blieb bisher aus, Scholz reagierte gewohnt zurückhaltend in der Debatte. Das Wachstumschancengesetz sei ein „sehr gutes Projekt“, sagte Olaf Scholz am Montag (5. Februar). Scholz sagte, er hoffe, dass dieses sehr konkrete und praktische Projekt, „das die Investitionsfähigkeit von Unternehmen erleichtern soll, auch mit der Zustimmung der Länder etwas werden wird.“ Darauf solle man sich jetzt konzentrieren. Zu dem Gesetz läuft gerade ein Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner auf der Regierungsbank.
Nachdenklich im Bundestag: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner auf der Regierungsbank. © IMAGO

Habeck und Linder im Streit über Ideen zur Wirtschaftspolitik

Scholz spielt damit wohl auf neue Gedankenspiele von Habeck an. Der hatte ein Sondervermögen ins Spiel gebracht, um strukturelle Probleme zu lösen. Sondervermögen – das Wort dürfte für Finanzminister Lindner mittlerweile ein Reizwort sein. Ist es der Ampel-Koalition in den letzten Wochen doch um die Ohren geflogen und verstößt gegen Lindners Prinzip, keine neuen Schulden zu machen.

Lindner lehnte ein Sondervermögen so auch direkt ab – es bedeute neue Schulden. Habecks Idee sei „in jeder Hinsicht überraschend“ gewesen, urteilte der FDP-Chef recht giftig gegenüber der Welt am Sonntag. „Der Wirtschaftsminister sagt damit ja, dass er mit der bestehenden Wirtschaftspolitik der Bundesregierung unzufrieden ist und er etwas komplett anderes für nötig hält.“ 

Lindner will Abschaffung des Solidaritätszuschlags für Unternehmen

Lindner kam dagegen mit einem anderen Vorschlag zur Entlastung der Wirtschaft: die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für Unternehmen. Dies wiederum lehnten die Vorsitzenden der Koalitionspartner SPD und Grünen postwendend ab. SPD-Chefin Saskia Esken sagte am Montag, sie halte den Plan nicht für finanzierbar. Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang ist dagegen.

Im ARD-„Bericht aus Berlin“ am Sonntagabend (4. Februar) untermauerte Lindner aber seine Position. Wenn der Wirtschafts- und der Finanzminister meinten, es müsse sich etwas an der Wirtschaftspolitik ändern, „dann muss das jetzt konkrete Konsequenzen für die Bundesregierung und für die Koalition haben“, betonte er.

Wenn man wirklich etwas an den Steuern machen wolle, dann wäre der einfachste und schnellste Weg, den Solidaritätszuschlag für Unternehmen zu streichen. Das hätte auch den Vorteil, dass Länder und Gemeinden nicht belastet würden. Man müsse dann aber über die Gegenfinanzierung in der Koalition sprechen. Habeck jedoch ist skeptisch. Den Soli ganz zu streichen, würde das Haushaltsloch vergrößern, sagte der Vizekanzler in der ARD-Sendung „Caren Miosga“.

Steuerzahler-Bund und Wirtschaftsvertreter schlagen sich bei Soli auf Lindners Seite

Rückenwind bekommt Lindner vom Bund der Steuerzahler, der sogar noch weiter gehen will als Lindner: „Der Soli sollte komplett und für alle fallen!“, sagte Steuerzahlerbund-Präsident Reiner Holznagel zu den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Dienstag (6. Februar).

Es gehe dabei vor allem um „Vertrauensschutz“, so Holznagel. „Die Menschen haben sich darauf verlassen, dass der Soli mit dem Auslaufen der besonderen finanziellen Hilfen für die fünf neuen Bundesländer ebenso wegfällt.“ Die Ampel-Regierung solle „mit der Soli-Abschaffung sofort beginnen“. Auch viele kleine und mittlere Betriebe würden davon profitieren.

Der Soli wurde 1991 - ein Jahr nach der deutschen Einheit – eingeführt und sollte den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Ländern mitfinanzieren. Seit 2021 müssen Zusatzabgabe von 5,5 Prozent auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer nur noch Spitzenverdiener und Körperschaften zahlen. 2023 erbrachte der Soli dem Bund Einnahmen von rund zwölf Milliarden Euro. 

Auch der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, begrüßte den Soli-Vorstoß von Lindner. „Überfällig ist die Abschaffung des Rest-Solis, der im Grund eine verkappte Unternehmenssteuer ist“, sagte Hüther der Rheinischen Post. Deutschland sei schon lange ein Hochsteuerland.

Habeck befürchtet nur „homöopathische Entlastungen“ wegen Streit mit Bundesländern

Das Wachstumschancengesetz der Regierung hat die Hürde im Bundesrat bislang nicht genommen. In den Ländern gibt es Bedenken. Habeck sprach bei „Caren Miosga“ von einem Entlastungsvolumen von acht Milliarden Euro und der Gefahr, dass es wegen des Streits mit den Ländern nur „homöopathische“ Entlastungen geben werde. Zu seinem Vorstoß im Bundestag zu einem neuen Sondervermögen sagte der Vizekanzler: „Das ist eine Einladung“, um über die Entlastung der Wirtschaft zu reden.

Union fordert Handeln der Ampel - „Eindruck des Dauerstreits“ verstärke sich

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte die Regierung zum Handeln auf: „Es braucht echte Entlastungen für die Wirtschaft durch geringere Unternehmenssteuern, wettbewerbsfähige Energiepreise und weniger Bürokratie“, sagte Dobrindt am Montag.

Die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), Gitta Connemann, sagte Welt-TV: „Einmal mehr verstärkt sich der Eindruck des Dauerstreits in der Ampel. Der Wirtschaftsminister spricht nicht mit dem Finanzminister, der Kanzler ist eh verschwunden.“ Die CDU-Bundestagsabgeordnete warnte: „Den Unternehmen steht das Wasser bis zum Hals – die Unternehmen haben keine weiteren zwei Jahre mehr.“

Buschmann mahnt in Brief an Habeck schnellere Bürokratieentlastung an

FDP-Justizminister Marco Buschmann brachte unterdessen in einem Brief an Habeck ein weiteres Wirtschafts-Streitthema zur Sprache: Der FDP-Politiker erkundigte sich darin, wann und wie Habeck die im Koalitionsvertrag vereinbarte Absicht, Vergabeverfahren künftig schneller und mit weniger Bürokratieaufwand durchführen zu können, in die Tat umsetzen will.

In dem am Montag (5. Februar) verfassten Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, schreibt Buschmann: Er begrüße die dazu im November vorgelegten Eckpunkte des Wirtschaftsministeriums, wolle nun aber nachfragen, ob das Wirtschaftsministerium inzwischen konkrete Regelungen dazu erarbeitet habe „und welcher Zeitplan für das Gesetzgebungsverfahren vorgesehen ist“.

Buschmann mit Kritik an Habeck – Handschriftlicher Appell zur Bürokratie

Zudem hoffe er, dass die Beiträge von Habecks Ministerium zum Abbau unnötiger bürokratischer Hürden „noch ausgebaut werden können“, insbesondere mit Blick auf Entlastungen. Handschriftlich fügte der Bundesjustizminister seinem Brief noch einen Appell an: „Wir müssen beim Bürokratieabbau noch schneller vorankommen!“ Denn die Konjunktur müsse dringend wieder Fahrt aufnehmen.

Andauernden Streit gibt es nicht nur in der Ampel-Koalition im Bund – auch in Bayern scheint es zunehmend dicke Luft zwischen Markus Söders Koalition aus CSU und Freie Wähler zu geben. Insbesondere Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger steht in der Kritik. Nach Informationen des Münchner Merkur steht Aiwanger auch vor dem Rauswurf aus dem Senat der Max-Planck-Gesellschaft, weil er sich über fünf Jahre hinweg bei keiner einzigen Sitzung dort blicken ließ(Stephanie Munk/dpa)

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