(Nur) 3,9 Prozent Vorrangflächen für Windräder im Oberland möglich – Konzentration auf den Norden
Es ist ein weiterer kleiner Schritt Richtung Windkraftenergie in der Region: Einstimmig hat der Planungsausschuss der Region Oberland mögliche Flächen freigegeben, die sich für die dreiblättrigen Rotor-Türme eignen könnten. Fest steht: Der Alpenraum und Süden sind für Windräder tabu; eine mögliche Verteilung konzentriert sich auf den Norden.
Bad Tölz/Region – Im vergangenen Jahr pfiff der Wind häufig und ordentlich von der Küste bis in die Alpenregion hinein – laut dem Statistischen Bundesamt war 2023 ein „gutes Windjahr“. Die jüngst veröffentlichte Bilanz zur Stromversorgung ließ überregional aufhorchen: Im vergangenen Jahr hat die Windkraft die Kohleenergie als wichtigster Stromerzeuger in Deutschland abgelöst. Nahezu ein Drittel des in der Bundesrepublik erzeugten Stroms sei 2023 mit Windkraft gewonnen worden, so die Angaben der Wiesbadener Statistiker.
2023 speisten in Bayern insgesamt 1.150 Windräder das Netz. Das Staatsministerium für Wirtschaft und Energie will die im Bundesvergleich relativ geringe Anlagenzahl hierzulande ausbauen. Auf ihrer Homepage schreibt das Ministerium: „Raumverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit, kommunale Beteiligung und Bürgerakzeptanz werden in den nächsten Jahren die tatsächlich realisierbare Zahl von Windenergieanlagen bestimmen.“
Darüber weiß auch der Planungsausschuss Oberland zu berichten, der sich am Dienstag wieder getroffen hatte, um das weitere Vorgehen zur Fortschreibung der Windkraft zu beschließen. Die Versammlung im Tölzer Landratsamt wurde per Videokonferenz für die vier Mitglieds-Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Garmisch-Partenkirchen, Miesbach und Weilheim-Schongau übertragen.
Das Interesse war groß, über 100 Teilnehmer wählten sich ein, als der Tölzer Landrat und Planungsverbandsvorsitzende Josef Niedermaier die Sitzung eröffnete: „Wir alle in diesem Gremium haben den politischen Willen, das Thema Windkraft in unserer Region vorwärts zu bringen und nach Recht und Gesetz umzusetzen“, betonte er. Um dort, „wo Windkraft möglich ist, auch Windkraft zu ermöglichen“. Allerdings sei dieses Unterfangen, auch wenn der Wille da ist, „bei uns nicht einfach“.
Nicht einfach, weil laut Niedermaier, bevor der Startschuss zur Beteiligung für die betroffenen Städte und Gemeinden fällt, bereits „so viele gesetzliche Regelungen da sind, die geeignete Flächen einfach unmöglich machen“. Konkret handelt es sich dabei um Belange, die von der Bundeswehr über den Natur- und Artenschutz bis hin zur Denkmalpflege reichen. „Jammern hilft nix, wir gehen das jetzt mit Zuversicht an“, betonte er. Und Richtung Kritiker, die behaupten, der Planungsausschuss würde die Windkraft verhindern wollen, entgegnete der Verbandsvorsitzende: „Das ist nicht der Fall, wir gehen mit den Rahmenbedingungen um.“
Wie berichtet, hat sich der Planungsausschuss der Region 17 bereits im Oktober 2022 der Windkraft verschrieben. Im Anschluss wurden von den Experten entsprechende Flächen gesucht. Bekannt ist seitdem auch das festgelegte und geforderte Ziel von Bund und Ländern. Dieses rief die Regionsbeauftragte Cornelia Drexl den Teilnehmern noch einmal ins Gedächtnis. Bis Ende 2027 müssen 1,1 Prozent der Regionsfläche für den Bau von Windkraftanlagen zur Verfügung gestellt werden. In einem weiteren Schritt muss Bayern bis 2032 dann 1,8 Prozent der Landesfläche für Windenergiegebiete nachweisen können.
Der Planungsverband hatte im April 2023 dem Gremium die ersten Suchräume in der Region 17 vorgestellt: blaue Kleckse, versprengt verteilt auf die vier Landkreise. Es zeigte sich, viel Platz bot sich bereits bei der ersten Ermittlung nicht (wir berichteten). Brutto betrachtet umfasste die Kulisse damals knapp neun Prozent, auf der Windkraftanlagen nach Abzug rechtlicher Ausschlussgründe vorstellbar sind und sich aufgrund von Windgeschwindigkeit und Flächengröße eignen.
„Diese mussten wir anpassen und weiter reduzieren“, so Drexl. Stand heute: Nach Abzug aller unüberwindbaren Raumwiderstände beträgt die „konsolidierte Suchraumkulisse“ jetzt noch 3,9 Prozent. So mussten Änderungen aufgrund von Flugplätzen wie in Altenstadt (Kreis Weilheim-Schongau) vorgenommen werden, um eine Gefährdung der Flugzeuge auszuschließen. Ebenso angepasst wurde der Sicherheitsabstand (Immissionsschutz) zu Siedlungen. So beträgt die Pufferzone zu Wohngebieten mindestens 800 Meter. Weitere Kriterien betrafen Belange der Bundeswehr, des Deutschen Wetterdienstes, die Hangneigung, Denkmäler sowie den Natur- und Artenschutz.
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Für Letztere werden Flächen komplett ausgeschlossen oder eingeschränkt, um den Schutz von Fledermäusen und Vögeln zu gewährleisten, damit diese nicht durch die Rotorblätter sterben. Insbesondere handelt es sich dabei um Reviere mit hoher Populationsdichte und Nachwuchs, wie Jakob Hüppauff von der Regierung von Oberbayern erklärte. Tabu sind Standorte von „Arten mit einem schlechten Erhaltungszustand wie den Steinadler, Baumfalken oder die Rohrweihe“. Die sogenannten Dichtezentren kollisionsgefährdeter Vogelarten liegen hauptsächlich in den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen und Weilheim-Schongau.
Noch nicht gänzlich geklärt ist der Habitatschutz des Auer- und Birkhuhns. „Das Thema hatten wir nicht auf dem Schirm“, betonte Hüppauff weiter. Bis zur Bewertung der Datengrundlage durch das Bayerische Landesamt für Umwelt empfiehlt er in Abstimmung mit dem Ministerium, „diese Flächen nicht verfrüht aus dem Verfahren zu nehmen“. Denn würden auch diese Belange umgesetzt werden, „laufen wir in der Region in eine progressive Nord-Süd-Polarisierung rein“.
Ein Punkt, den Niedermaier allgemein kritisierte. Aufgrund von Erschließung, Topografie und Schutzgebieten ist die Suchraumkulisse der vier Landkreise aktuell in zwei Bereiche aufgeteilt. „Im Süden der Region kann so gut wie nix umgesetzt werden und der Norden trägt die ganze Last“, betonte er und ergänzte: „Das wird zu Diskussionen führen.“ Apropos Aufteilung: Prozentual gesehen ist der Anteil der möglichen Suchräume in der Region 17 folgendermaßen aufgeteilt: Weilheim-Schongau (5,21 Prozent), Miesbach (4,59), Bad Tölz-Wolfratshausen (4,85) und Garmisch-Partenkirchen mit 1,05 Prozent.
Trotz des zu erwartenden Konfliktpotenzials plädierte Drexl an den Planungsausschuss, mit der vorgeschlagenen Suchraumkulisse von 3,9 Prozent weiterzuarbeiten. „Wir hätten sonst überhaupt keinen Spielraum mehr, um in die kommunale Abstimmung zu gehen.“
Garmisch-Partenkirchens Bürgermeisterin Elisabeth Koch sagte mit Blick auf ihren Landkreis: „Diese Flächen sind nicht beplanbar“. Sie nannte den Begriff der „faktischen Unmöglichkeit“. Da wäre es eine Frage der Ehrlichkeit, „die Flächen gar nicht weiter anzuschauen.“ Drexl antworte: „Irgendwann müssen wir auf die 1,8 Prozent kommen und wir können die Flächen nicht nur im Norden verteilen.“ Niedermaier ergänzte: „Der Gesetzgeber hat diesen Weg vorgegeben und wenn wir das jetzt nicht schaffen, ist die Windkraft privilegiert.“ Heißt: „Dann muss jede Gemeinde selbst per Bauleitplanung die ganze Arbeit machen.“
In Bezug auf regionale Nachhaltigkeit erwähnte Murnaus Vize-Landrat Michael Rapp: „Wenn wir so wenige Gebiete für die Suchraumkulisse haben, wäre es angepasst, die Regierung massiv darauf aufmerksam zu machen, mehr die Wasserkraft in unserem Gebiet zu nutzen.“
„Wir sind uns alle einig, es gibt Regionen, da geht Wasserkraft und andere, da geht Windkraft besser“, warf Ingo Mehner ein. Der Tölzer Bürgermeister weiter: „Aber das ist nicht das, was das Wirtschaftsministerium uns bei den 1,8 Prozent vorgibt.“ Diese seien gleichmäßig auf ganz Bayern verteilt, erklärte er. Daher würde ihn vonseiten des Wirtschaftsministeriums interessieren, wie die geforderte Ausweisung von Windkraftenergie begründet sei. „Wir erzeugen Strom zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien und müssen trotzdem genauso suchen, wie andere, die das nicht oder weniger haben.“
Am Ende der Debatte meldete sich Miesbachs Landrat Olaf von Löwis und besänftigte („Leute, bleiben wir cool“) die Gemüter: „Bei dem Prozess geht es heute darum, dass wir eine Diskussionsgrundlage liefern, womit wir unseren guten Willen zeigen“, betonte er.
Der Planungsausschuss Region Oberland stimmte letztlich dafür, mit der Suchraumkuliss