CSU-Landwirt: „Die Ampel ist nicht alleine schuld“
CSU-Landwirt im Interview zu Bauernprotesten: „Die Ampel ist nicht alleine schuld“
Die Bauernproteste halten das Land in Atem: Landwirt Martin Lechner sitzt für die CSU im Kreistag. Im Interview spricht er über die Wut der Bauern, über Subventionen und die AfD.
Grafing – Martin Lechner (68) ist Landwirt. Er bewirtschaftet seit 1975 in Straußdorf (Grafing) den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie. Zudem war er Geschäftsführer des Maschinenringes Ebersberg/München-Ost, Vorstand der Süddeutschen Truthahn AG und ist seit 2004 Vorstand der ECOLOHE AG, deren Gesellschaften vorwiegend im Bereich Erneuerbare Energien tätig waren. 2017 wurde das operative Geschäft an die BayWa übergeben. Seit 1978 ist Lechner im Kreistag. Er ist Mitglied im CSU-Kreisvorstand und Kreisvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (ELF).
Sie sind ein politischer Mensch und Sie sind Landwirt: Wie groß ist Ihr Verständnis für die protestierenden Bauern?
Mein Verständnis für den Protest der Landwirte ist sehr groß. Ich war bei der Demonstration am 8. Januar in München auch dabei, allerdings nur als Fußgänger.

Ist die Ampel allein an der Misere der Landwirte schuld? Die Union hat doch jahrzehntelang die Landwirtschaftspolitik maßgeblich gestaltet.
Nein, die Ampel ist nicht alleine schuld. Es rumort ja schon länger bei den Landwirten. Die kurzfristigen Beschlüsse der Ampel-Regierung im Dezember waren jetzt einfach zu viel und werden als sehr, sehr ungerecht empfunden.
In der Landwirtschaft werden Unsummen an Subventionen gezahlt. Was entgegen Sie, wenn jemand sagt: Ein System, das Subventionen braucht, ist krank?
Die Bauern möchten am liebsten keinerlei Subventionen. Sie möchten stattdessen vom Verkauf ihrer Waren leben können. Das ist aber nicht möglich. Werden bei uns die Lebensmittelpreise auf das Niveau angehoben dass für die Bauern mit unseren Strukturen und politischen Vorgaben notwendig wäre, liefert sofort das ganze Europäische Ausland zu uns. Und zwar innerhalb von Wochen! Es werden keine Unsummen an Subventionen bezahlt. Es gibt viele Bereiche in unserer Wirtschaft, die aus verschiedenen Gründen staatliche Hilfen erhalten. Nehmen Sie nur die Subventionen für den Ausstieg aus der Kohle oder auch der Atomindustrie usw. Bei der Landwirtschaft verfolgt die deutsche Politik mehrere Ziele, zum einen möchte man die kleinteilige Landwirtschaft erhalten, man möchte für die Verbraucher Lebensmittel in immer ausreichender Menge mit bester Qualität, sowie höchsten Tierschutz- und Umweltstandards zu günstigsten Preisen. Das kann über Marktpreise nicht erreicht werden.
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Also führt an einer Subventionierung der Landwirtschaft für Sie kein Weg vorbei?
Die deutschen Bauern stehen im Wettbewerb mit den Landwirten in der EU: Unsere Nachbarn in der EU können in der Regel wesentlich billiger produzieren wie wir. Fragen Sie mal einen Landwirt in Polen, Rumänien, Italien oder Frankreich, wie denn die Besatzdichten bei Puten, Hühnern, Schweinen oder Rindern bei ihm sind. Der schaut Sie mit großen Augen an und versteht gar nicht, wovon Sie sprechen. Oder ein Artenschutzgesetz „Rettet die Bienen“, Düngeverordnung, Rote Gebiete, Gülleausbringung mit Schleppschlauch. So etwas kennt dort kein Mensch.
Wenn die Politik Subventionen streicht, muss sie Bedingungen für Gewinnerwirtschaftung schaffen. Wie kann das gelingen?
Das ginge nur so, dass die Mehrkosten jeder politische Maßnahme Deutschlands, die über dem europäischen Niveau liegt, betriebswirtschaftlich berechnet und direkt ausgeglichen werden müsste. Sonst schießt man die deutschen Bauern aus dem Markt.
Die Ansprüche der Kunden werden immer größer (Tierwohl, Bio usw), die Bereitschaft, für Lebensmittel mehr Geld auszugeben, fehlt. Eine Krux?
Ja, das ist das größte Problem. Im letzten halben Jahr mit der hohen Inflation und den gestiegenen Lebensmittelpreisen leiden überwiegend die Biobetriebe und die regionalen Selbstvermarkter darunter. Wenn das Geld knapp ist, spart der deutsche Verbraucher als erstes bei den Lebensmitteln. Er geht nicht mehr zu seinem Selbstvermarkter-Hof, sondern zum Discounter. Noch ein Beispiel: Wir haben ca. 20 Prozent Wähler, die die Grünen oder ÖDP wählen. Das oberste Credo dieser Parteien ist die Umstellung auf biologische Lebensmittel. Jetzt frage ich Sie: Warum dümpelt dann der Biomarkt bei zwölf Prozent?
Die Bauern sind unfassbar wütend auf die Ampel. Befürchten Sie, dass viele von ihnen zur AfD abwandern?
Das wäre natürlich die Katastrophe! Ich glaube aber nicht, dass ein Bauer, der sich das Wahlprogramm der AfD anschaut, diese Partei wählen kann: Die AfD will die Streichung aller Subventionen und will aus der EU raus! Die AfD ist die Partei der einfachen Lösungen und Schlagworte. Einfache Lösungen gibt es in der Demokratie nicht. Das System der AfD hat sich nicht bewährt, siehe 1933 bis 1945!
Was könnte die bayerische Staatsregierung, unabhängig von Bund oder EU, in Ihren Augen tun, dass es den Landwirten besser geht?
Vor wichtigen Entscheidungen die Gedanken mit Praktikern diskutieren, Bürokratie abbauen, keine Alleingänge wie das Artenschutzgesetz, den Zusammenschluss von Erzeugergemeinschaften fördern, um die Marktmacht zu erhöhen, die Selbstvermarktung massiv fördern.
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