„Bekomme sofort Gänsehaut“: Secondhand-Brautkleider im Geretsrieder Kleidermarkt – Oft traurige Geschichte

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Geretsried-Wolfratshausen
  4. Geretsried

Kommentare

Träume in Weiß: Verschiedene Brautkleider hat Patricia Zeisner im BRK-Kleidermarkt in Geretsried auf Lager. Die Marktleiterin plant für Herbst eine besondere Hochzeitsaktion. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Ein perfektes Hochzeitskleid für weniger als 1000 Euro erscheint unvorstellbar – es sei denn, man schaut im BRK-Kleidermarkt in Geretsried vorbei. Dort warten nicht nur bereits getragene, sondern auch noch nie getragene Brautkleider auf neue Besitzerinnen.

Geretsried – Am schönsten Tag des Lebens soll alles perfekt sein: der Blumenschmuck, die Hochzeitstorte, das Wetter – und ganz wichtig: Das perfekte Brautkleid muss her. Aber für den Traum in Weiß müssen Bräute bisweilen tief in die Tasche greifen. Eine Robe unter 1000 Euro zu finden, gleicht einem Ding der Unmöglichkeit. Außer, man sieht sich im BRK-Kleidermarkt in Geretsried nach einem Hochzeitskleid um. Für unsere Zeitung hat Leiterin Patricia Zeisner das Lager im Keller geöffnet.

„Bekomme sofort Gänsehaut“: Brautkleider aus zweiter Hand im Geretsrieder Kleidermarkt – Oft mit trauriger Geschichte

An einer Kleiderstange hängen die besonderen Stücke nebeneinander. Manche sind in durchsichtige Hüllen verpackt, manche hängen ohne da. Ein Kleid mit viel Tüll quillt zwischen zwei glatteren Modellen aus Satinstoff hervor. Strasssteine funkeln im Licht der Deckenlampe. An einem Modell mit Stickereien und Spitze hängt sogar noch das Preisschild. 1250 Euro steht da drauf. Wer das wohl hergebracht hat?

Nagelneu: Kleider, in denen noch niemand Ja gesagt hat, gibt es auch im Kleidermarkt.
Nagelneu: Kleider, in denen noch niemand Ja gesagt hat, gibt es auch im Kleidermarkt. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Aktuelle Nachrichten aus Geretsried lesen Sie hier.

Auch nagelneue Brautkleider hängen im Laden

Überraschenderweise findet man im Kleidermarkt auch Brautkleider, die noch niemand getragen hat. „Ja, ich habe auch nagelneue Kleider hier“, bestätigt Zeisner. „Bei den Besitzerinnen kam es gar nicht bis zur Hochzeit.“ Oft stecken gerade hinter diesen Kleidern Geschichten, die Zeisner traurig machen. „Eine Frau kam und hat mir ihr Kleid schweren Herzens übergeben. Ihr Mann war kurz vor der Hochzeit gestorben. Wenn ich daran zurückdenke, bekomme ich sofort Gänsehaut“, sagt sie. Andere Frauen wurden vor dem Altar sitzengelassen.

Wenn man es genau nimmt, sind die Geschichten hinter allen abgegebenen Kleidern traurig.

Brautkleider gibt es im Sortiment des Kleidermarkts schon immer. Früher, als es noch Modenschauen im Laden an der Adalbert-Stifter-Straße gegeben hat, war Brautmode sogar eine Rubrik bei der Show, erzählt Zeisner. Generell bringen ganz unterschiedliche Frauen ihre Brautkleider in den Markt. „Das ist quer durch“, meint die Leiterin. „Viele sind schon jahrelang verheiratet und trennen sich von ihrem Kleid, weil sie den Keller ausräumen und der Platz knapp wird, oder weil sie umziehen.“ Es gebe aber auch Scheidungsfälle, wie Zeisner es nennt. „Die sind dann eher froh, wenn das Kleid weg ist.“

Keine Frau gibt ihr Hochzeitskleid leichtfertig weg

Was ihr auffällt: Niemand gibt sein Kleid leichtfertig weg. „Jeder hat dabei eine besondere Gestik.“ Alle Roben sind ordentlich aufgehoben. „Wenn man es genau nimmt, sind die Geschichten hinter allen abgegebenen Kleidern traurig“, findet Zeisner. „Die Bräute geben einen Teil ihres Lebens ab. Das ist nie einfach. Weil es ist ja nicht nur irgendein Kleid.“ Und sie ist ein bisschen stolz darauf, dass die Frauen ihr dieses emotional behaftete Erinnerungsstück anvertrauen. Dass die Kleider gereinigt gebracht werden, ist kein Muss, aber sie sollten tragbar sein und „in einem Zustand, in dem man heiraten kann“. Geld gibt es übrigens keins, wenn man sich von seinem Brautkleid trennt. Alle bringen ihre Kleider völlig umsonst in den Kleidermarkt.

Pro Jahr, schätzt Zeisner, verkauft sie drei bis vier Brautkleider. „Unsere einzige Werbung ist das Schaufenster“, erklärt sie. Eines der Fenster steht ganz unter dem Motto Hochzeit. Neben Brautkleidern sind auch Anzüge für Herren darin ausgestellt, daneben liegen Accessoires wie Schuhe, oder ein weißes, mit Perlen besticktes Täschchen. Vor allem Bedürftige interessieren sich der Kleidermarkt-Leiterin zufolge für Hochzeitskleider aus zweiter Hand. Sie bekommen die ehemals um ein Vielfaches teureren Kleider dann für um die 400 Euro. „Und Kundenkarteninhaber bekommen nochmal 50 Prozent.“

Kleider passen meist nicht wie angegossen

Meist passen die Kleider aber nicht wie angegossen und müssten noch mal zum Schneider. Dafür gab es vor einigen Jahren bereits eine Aktionswoche gemeinsam mit einer Reinigung und einem Schneider, die die Kleider „hochzeitstauglich“ gemacht haben. Das plant Zeisner auch für diesen Herbst. Zusätzlich will sie eine Kooperation mit einem Blumenladen machen. „Bräute geben immer noch unfassbar viel Geld für ihre Kleider aus“, meint Zeisner. „Mein persönliches Anliegen ist es, die Nachhaltigkeit und das Umweltbewusstsein bei den Menschen zu stärken. Dafür steht der Laden ja grundsätzlich.“ Und da eine Braut an ihrem großen Tag einer alten Tradition zufolge neben etwas Blauem, etwas Neuem, etwas Altem und etwas Geliehenem ohnehin etwas Getragenes an ihrem Körper haben soll, wieso nicht gleich ein Brautkleid?

Unser Wolfratshausen-Geretsried-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.

Das älteste Modell, das im Kleidermarkt hängt, ist von 1971. Dass ein Kleid schon zweimal im Laden an der Johann-Sebastian-Bach-Straße über den Tresen gegangen ist, das wäre Zeisner noch nicht aufgefallen. „Aber das ist nicht unmöglich.“

Nur im Geretsrieder BRK-Kleidermakrt gibt es Brautkleider

Die künftigen Bräute kommen durchaus von weiter her, um in Geretsried nach ihrem Kleid zu stöbern. Laut Zeisner aus dem ganzen Landkreis. Und das hat einen Grund: Nur im Kleidermarkt in Geretsried gibt es Brautkleider, in den Märkten in Bad Tölz und Lenggries nicht, erklärt Zeisner. Sie freut sich immer, wenn eine Braut ihr perfektes Kleid gefunden hat. „Viele gestalten es um und besticken es mit Perlen.“ Nur wenn jemand kommt und ein Hochzeitskleid für Halloween kaufen will, stellt sie sich quer. „Das möchte ich nicht.“

Zurück zur Aktion, die im Herbst stattfinden soll. Zeisner hat einiges im Kopf: „In unserer umfangreichen Handarbeitsecke gibt es Pailletten, Bordüren und Rüschen. Man könnte die Kleider hier im Laden aufpimpen – sowohl Kleider aus dem Laden, als auch Kleider, die man zu Hause hat.“ Denn das Individuelle, das bekomme man nur hier.

Auch interessant

Kommentare