Putins „Dolch“ scheitert erneut: Angriff auf F-16-Kampfjets wohl nächster Flop für Hyperschall-Rakete

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Erneut fehlgeschlagener Angriff: Ein Mikoyan MiG-31 Abfangjäger der russischen Luftwaffe, bestückt mit einer Hyperschall-Luft-Boden-Rakete vom Typ „Kinschal“. Drei solcher Maschinen waren jetzt im Angriff auf Starokostjantyniw – dort vermuten die Russen westliche F-16-Kampfjets. © Pavel Golovkin/dpa

Russland attackiert in der Ukraine erneut einen Flugplatz, auf dem F-16-Kampfjets vermutet werden. Wieder sind Kinschal-Raketen geflogen. Wieder ohne Ergebnis.

Starokostjantyniw – „Die Russen haben den ernsthaften Verdacht, dass die F-16 in Starokostjantyniw stationiert sind“, sagt Waleri Romanenko. Den Leiter des Ukrainischen Staatlichen Luftfahrtmuseum zitiert die ukrainische Nachrichtenagentur Unian zu aktuellen Angriffen der Luftwaffe Wladimir Putins auf verschiedene Flughäfen. Wahrscheinlich hat Russland erneut gezielt Jagd auf die Start- und Landebahnen der bis zu 75 Millionen Dollar teuren westlichen F-16-Kampfjets gemacht – zum Teil mit Kinschal („Dolch“)-Raketen. Allerdings scheint die Effektivität der Raketen weiterhin fragwürdig zu sein. Russland hatte schon mehrfach Angriffe gestartet.

Offenbar hatte der Aggressor aktuell mehrere Einrichtungen gleichzeitig und mit verschiedenen Waffen angegriffen. Die ukrainische Luftwaffe hat gemeldet, deren funktechnischen Truppen hätten mehr als 80 Luftziele entdeckt und verfolgt, wie Unian berichtet. Demach griffen gegen 08:20 Uhr am Montag (07. Oktober) drei MiG-31K-Flugzeugen aus dem Luftraum der Region Tambow (Abflugflugplatz Savasleika) mit drei aeroballistischen Raketen Kh-47M2 Kinschal das Gebiet des Flugplatzes Starokostjantyniw in der Region Chmelnizki an.

Russland nimmt Flugplatz der Ukraine ins Visier: Kinschal-Angriff soll F-16-Kampfjets gegolten haben

Weiterhin meldete die Luftwaffe, laut Unian, dass Russland in der Nacht des 7. Oktober gleichzeitig mit einer ballistischen Rakete vom Typ Iskander-M angegriffen habe, mit X-59-Raketen, sowie mehreren Drohnen. In der Frontregion Charkiw seien mehrere Treffer durch feindliche Angriffsdrohnen registriert worden, ebenso ein Treffer der Kinschal. Einer der drei „Dolche“ traf wohl tatsächlich die Region des Flugplatzes Starokostjantyniw, zwei der Raketen seien abgeschossen worden. Darüber hinaus seien 37 russische Drohnen in verschiedenen Regionen der Ukraine verloren gegangen, wahrscheinlich als Folge aktiver Gegenmaßnahmen zur Elektronischen Kriegsführung, erläuterte Unian.

„Die angeblich nicht nachweisbare russische Präzisionswaffe ,Kinschal‘ ist vor allem eine Propagandawaffe. Denn eine Rakete, die mit angeblich zehnfacher Schallgeschwindigkeit fliegt und auch mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden kann, soll zunächst Angst verbreiten.“

Waleri Romanenko sei aus zwei Gründen sicher, dass der Kinschal-Angriff den F-16-Kampfjets gegolten habe, wie er gegenüber der Nachrichtenagentur Unian äußerte: „Erstens, wegen der 7. Taktische Luftfahrtbrigade mit Su-24-Flugzeugen, die Storm Shadow-Marschflugkörper tragen. Darüber hinaus fanden internationale Übungen in der Ukraine gemeinsam mit der US-Luftwaffe auf zwei Flugplätzen statt. Einer ist Mirgorod. Und der zweite ist Starokostjantyniw“, wie er sagt. Das seien durchweg bekannte Informationen. Ihm zufolge müssen die Russen aber wohl mehr dahinter vermuten.

Möglicherweise hätte sie auch angestachelt, dass die Niederlande jetzt öffentlich gemacht hatten, dass die ersten in die Ukraine gelieferten F-16 von ihnen stammten und die nächsten der insgesamt 24 zugesagten Maschinen zügig folgen würden. Dies wurde erstmals offiziell vom Verteidigungsminister des Landes, Ruben Brekelmans, auf X  bestätigt, wie Unian berichtet. Allerdings ist Starokostjantyniw seit Monaten begehrtes Ziel russischer Aggression. Vermutlich war der Flugplatz Mitte Juli zuletzt angegriffen worden – seit mehr als einem Jahr liegt die dortige Luftwaffenbasis unter Feuer.

Basen von F-16-Kampfjets im Fokus: Putins Luftwaffe soll auf „Glückstreffer“ hoffen

Auf einen „Glückstreffer“ würden sie hoffen, sagt Oleksandr Musienko. Der Wissenschaftler des Kiewer Zentrums für militärisch-rechtliche Studien erklärte laut der Kyiv Post, dass Putins Truppen darauf spekulierten, Piloten zu töten oder geparkte Maschinen zu zerstören – wie das der Ukraine jüngst mit Putins Prestigebomber Su-57 auf dem in Russland gelegenen Flugplatz Achtubinsk
gelungen war. Da den ukrainischen Piloten jedoch normalerweise genügend Vorwarnzeit bliebe, um die Flugzeuge vor einem Raketeneinschlag zu evakuieren oder in Deckung zu bringen, bestehe das Hauptziel der russischen Angriffe auf Starokostjantyniw darin, die Infrastruktur des Luftwaffenstützpunkts zu zerstören, schreibt das Portal.

Aufgrund des aktuellen Starts der MiG-31K – vermutlich aus dem Luftraum der Region Tambow – sei in der gesamten Ukraine Luftangriffsalarm ausgelöst worden, wie Unian schreibt. Explosionen seien bis nach Kiew hineinzuhören gewesen. Wie der Bürgermeister der Hauptstadt, Vitali Klitschko, später berichtete, seien im Solomensky-Bezirk Fragmente feindlicher Raketen niedergegangen – und zwar an mehreren Stellen im freien Raum, so Unian. In anderen Städten sollen ebenfalls Fragmente von Raketen niedergegangen sein – offensichtlich die Reste der abgeschossenen Kinschal-Raketen.

Putins Hyperschall-Flop: Nimbus der Wunderwaffe inzwischen arg angekratzt

Die Waffe gilt als die schlagkräftigste der russischen Luftwaffe und soll Distanzen von bis zu 2.000 Kilometern überbrücken können. Sie sollte Russlands technologischen Vorsprung gegenüber dem Westen beweisen – allerdings war der Ukraine keine zwölf Wochen nach Kriegsausbruch im Februar 2022 ein erster Abschuss gelungen.

Jetzt, eineinhalb Jahre nach diesem ersten Treffer gegen eine Kinschal ist der Nimbus der „Wunderwaffe“ arg angekratzt, wenn nicht sogar vollends dahin – was zuletzt das US-Magazin Newsweek berichtet hatte. Die von Putin viel gepriesene Hyperschallrakete Ch-47M2 Kinschal scheint in der Ukraine ihren Erwartungen hinterherzuhinken, während Moskau sein Langstrecken-Bombardement gegen Kiew und andere Großstädte fortsetzt.

Russische Streitkräfte haben während ihrer zweijährigen Invasion des Nachbarlandes regelmäßig Kinschal eingesetzt, die Putin 2018 als eine der „unbesiegbaren“ Waffen Moskaus bezeichnete, um landesweit ukrainische Städte und Infrastrukturziele zu vernichten. Hyperschallraketen erreichen eine Geschwindigkeit von mindestens fünffacher Schallgeschwindigkeit, fliegen niedrig und sind wendig; daher gelten sie als schwer zu bekämpfendes Ziel für Luftabwehrsysteme.

Theoretisch kann Russlands „Wunderwaffe“ immer noch abgefangen werden

Inzwischen sei Russlands „Wunderwaffe“ größtenteils entzaubert, schreiben auch Lyle Goldstein und Nathan Waechter über eine chinesische Studie zur Waffe: „Der größte Teil ihrer ballistischen Flugbahn wird in 50 Kilometern Höhe an der Schnittstelle zwischen Stratosphäre und Mesosphäre abgeschnürt. Theoretisch kann sie daher noch immer von den derzeit im Einsatz befindlichen modernen Raketenabwehrsystemen abgefangen werden.“

Die chinesische Studie kommt zu dem Schluss, dass neben der Konstruktion auch die Präzision hinter den russischen Erwartungen und der Propaganda zurückbleibt, wie die Autoren des US-amerikanischen Thinktanks RAND zusammenfassen. Sicher hätten luftgestützte Startplattformen ihre Vorteile in der flexiblen Gestaltung des Angriffs und der Nutzung des Überraschungseffekts, bodengestützte Systeme sollen aber präziser schießen können. Luftgestützte Hyperschallraketen seien „auf Satellitennavigationssysteme angewiesen, die dem Raketencomputer kontinuierlich genaue Koordinaten liefern, damit das Leitsystem Kursabweichungen in Echtzeit korrigieren kann“, wie Goldstein und Waechter wiedergeben.

Putins „Dolch“: Kinschal-Rakete soll im Ukraine-Krieg vornehmlich Angst verbreiten

Die chinesische Studie ist insofern erwähnenswert, als China das Duell zwischen Hyperschallraketen und Patriot-Luftabwehrsystemen akribisch beobachtet. Die Führung erhofft sich daraus Schlüsse, wie ihre eigenen Hyperschallraketen im Gefecht abschnitten, da Taiwan seine wichtigsten Ziele mit Patriot-Batterien abschirmt, darunter auch die wichtigsten Radar- und Kommandozentralen.

Russland soll aber mit der Elektronik Schwierigkeiten haben und außerdem über zu wenige Satelliten im Orbit verfügen. Diese Mängel führten dazu, dass die „Genauigkeit unbefriedigend ist“, so die Analysten. Wie verschiedene Medien berichtet haben, scheint Russland die F-16-Standorte weder genau lokalisiert, noch den Flugplatz Starokostjantyniw neutralisiert zu haben. Zwischenzeitlich hatte Russland wohl auch versucht, die Kinschal-Sprengköpfe mit Streumunition auszustatten, um die Landebahnen zu perforieren.

Die F-16 soll sehr empfindlich sein gegenüber der Bodenbeschaffenheit ihrer Rollbahn. Selbst ohne direkte Treffer an den Maschinen könnten also die Hyperschallwaffen alle Bemühungen der Verteidiger auf Erringung der Lufthoheit zunichtemachen. Tatsächlich hat aber auch der jüngste Angriff wohl kaum gezeitigt, was sich Putins Luftstreitmacht davon versprochen hatte.

Der Autor Stefan Troendle hat Putins „Wunderwaffe“ im Südwestrundfunk rundheraus zerpflückt: „Die angeblich nicht nachweisbare russische Präzisionswaffe ,Kinschal‘ ist vor allem eine Propagandawaffe. Denn eine Rakete, die mit angeblich zehnfacher Schallgeschwindigkeit fliegt und auch mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden kann, soll zunächst Angst verbreiten.“

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