Huthi-Angriffe im Roten Meer: Welche Rolle spielt China?

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Kaum ein anderes Land ist so auf sichere Handelsrouten angewiesen wie China. Dennoch beteiligt Peking sich nicht am Einsatz gegen die Huthi, die im Roten Meer Handelsschiffe angreifen. Was steckt dahinter?

Wer hierzulande einen neuen Fernseher „made in China“ kauft, kann sich ziemlich sicher sein, dass das Gerät durch den Suezkanal geschippert wurde. Rund 60 Prozent der chinesischen Exporte in Richtung Europa passieren den Kanal, der das Rote Meer mit dem Mittelmeer verbindet. Was passiert, wenn diese Route auf einmal nicht mehr zur Verfügung steht, konnte man im Frühjahr 2021 beobachten, als das Containerschiff „Ever Given“ den Suezkanal mehrere Tage lang blockierte: Hunderte Schiffe stauten sich an beiden Enden des Kanals, den Reedereien entstanden Schäden in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro.

Die gestrandete „Ever Given“ konnte seinerzeit schnell freigelegt werden; die aktuelle Krise, die den Warentransport durch den Suezkanal erschwert, dürfte sich hingegen nicht so leicht lösen lassen: Seit Beginn des Kriegs in Israel und Gaza greift die jemenitische Huthi-Miliz Dutzende Handelsschiffe an, die das Rote Meer in Richtung Suezkanal passieren. Erst am Mittwoch attackierten die Huthi die von einer US-Reederei betriebene „Genco Picardy“ mit Drohnen. Am Tag zuvor hatten sie einen Frachter unter griechischer Flagge mit Antischiffsraketen beschossen. Mit diesen Angriffen wollen die Huthi eigenen Angaben zufolge Druck auf Israel ausüben.

Angriffe der Huthi: „China setzt sich dafür ein, die Sicherheit der internationalen Seewege zu schützen“

Um die Attacken zu beenden, hat sich eine internationale Koalition zusammengefunden, angeführt von den USA und Großbritannien, die unter anderem Stellungen der Huthi im Jemen beschießen. China allerdings hält sich bislang auffallend zurück, trotz einer Einladung der USA, sich am Schutz der Handelswege zu beteiligen. „Die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Stabilität in der Region liegt im gemeinsamen Interesse der internationalen Gemeinschaft“, verkündete zwar Anfang Januar Chinas Außenamt. „China setzt sich dafür ein, die Sicherheit der internationalen Seewege zu schützen.“

Konkrete Schritte hat Peking allerdings nicht unternommen. Weder scheint China sich an der Mission der Amerikaner beteiligen zu wollen, noch gibt es Anzeichen dafür, dass Peking auf diplomatischem Wege Einfluss auf die Huthi nimmt. Chinas Staatsrederei Cosco – eine der fünf größten der Welt – durchfährt das Rote Meer laut verschiedenen Berichten allerdings nicht mehr und läuft auch keine israelischen Häfen mehr an.

Ein Propagandavideo der Huthi zeigt einen Angriff der jemenitischen Rebellen auf das Schiff „Galaxy Leader“ im vergangenen November.
Ein Propagandavideo der Huthi zeigt einen Angriff der jemenitischen Rebellen auf das Schiff „Galaxy Leader“ im vergangenen November. © AFP

Eigenen Angaben zufolge haben es die Huthi nur auf Schiffe abgesehen, die sie in Verbindung zu Israel sehen. Tatsächlich wurden bislang keine Angriffe auf chinesische Schiffe bekannt, lediglich ein unter der Flagge Hongkongs verkehrendes Schiff wurde Mitte Dezember knapp von einer Rakete der Huthi verfehlt; Berichten zufolge geben sich einzelne Schiffe mithilfe entsprechender Funksignale sogar als chinesisch aus, obwohl sie gar nicht aus China stammen – um sich vor Attacken zu schützen.

Alternativen zum Suezkanal sind teuer

Dennoch ist auch China von den Angriffen im Roten Meer betroffen. So wird der Handel zwischen der Volksrepublik und Europa nicht nur von chinesischen Reedereien abgewickelt, sondern auch von Unternehmen, die nun Ziel der Huthi sind. Außerdem steigen auch für China die Frachtraten, unter anderem, weil die Versicherungspreise explodiert sind. So zeigen Daten des Frachtbuchungsdienstes Freightos, dass die Raten auf der Route von China nach Europa alleine in der vergangenen Woche um 91 Prozent gestiegen sind. Zudem hat China in den vergangenen Jahren viele Milliarden US-Dollar in Infrastrukturprojekte entlang des Suezkanals gesteckt – Investitionen, die nun in Gefahr sind. Auch der Hafen von Piräus, an dem Cosco 67 Prozent hält, leidet unter der Krise.

Die Alternativen zum Suezkanal sind kostspielig. Die Route um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas bedeutet einen Umweg von mehr als 6000 Kilometern. Und der Transport über den Luft- oder Schienenweg ist nur bei den wenigsten Gütern eine Option. Man sollte also meinen, China würde alles dafür tun, um die Handelsrouten rund um den Suezkanal zu sichern. Zumal Peking in der Region längst präsent ist: Seit 2017 unterhält China seine einzig bekannte ausländische Militärbasis in Dschibuti, einem afrikanischen Kleinstaat am Roten Meer.

Im Konflikt mit Israel steht China auf der Seite der Palästinenser

Die Zurückhaltung der Regierung in Peking dürfte mehrere Gründe haben. So ist China ein wichtiger Handelspartner Irans, das wiederum den Huthi-Rebellen den Rücken stärkt. Rund ein Zehntel seines Rohöls bezieht China von den Mullahs, die Peking nicht verärgern will, indem es sich gegen die Huthi wendet. Und von denen es offenbar auch nicht verlangt, auf die Huthi einzuwirken. Auch hat sich Peking im Gaza-Krieg demonstrativ auf die Seite der Palästinenser gestellt. Paul Nantulya von der National Defense University in Washington glaubt, dass auch der Wettstreit zwischen China und den USA eine Rolle spielt. „Die Beteiligung an einer US-Militäroperation würde im politischen und militärischen Establishment Chinas als ‚Kapitulation vor den US-Interessen‘ und ‚Demütigung Chinas‘ angesehen werden“, sagte Nantulya der Hongkonger South China Morning Post.

Peking selbst verweist darauf, dass der Einsatz der USA und ihrer Verbündeten nicht nur den Jemen, sondern die gesamte Region destabilisieren könnte. China mischt sich traditionell nicht in Konflikte ein, die es als „innere Angelegenheiten“ eines anderen Landes betrachtet.

„China genießt die Vorteile von Stabilität und offenen Seewegen, ohne dafür zu bezahlen“

Die Asien-Expertin May-Britt Stumbaum vom CISS Munich der Universität der Bundeswehr hat noch eine weitere Erklärung, warum sich China bislang nicht im Roten Meer engagiert. „Ich glaube, China hält sich da raus, weil sie sehr wenig operationelle Erfahrung haben und die Gefahr sehr groß ist, dass sie sich blamieren“, sagte Stumbaum vor Kurzem im Interview mit der Frankfurter Rundschau. „Niemand soll wissen, wie stark das chinesische Militär wirklich ist. Aber das würde nicht mehr funktionieren, wenn China sich an Einsätzen beteiligt und seine Schwächen offen zeigt.“

Vorerst überlässt China es also anderen Staaten, seine eigenen Interessen in der Region zu verteidigen. Der chinesisch-amerikanische Politologe Minxin Pei drückt es in einem Kommentar für Bloomberg so aus: „Dank der globalen Sicherheitsverpflichtungen der USA kann China die Vorteile von Stabilität und offenen Seewegen genießen, ohne dafür zu bezahlen.“

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