Veranstaltung zum Thema Wildverbiss: Maulkorb für Bayerns Jäger-Chef
„Wir dümpeln so dahin“: Das war die zentrale Aussage zum Thema Wildverbiss von Christine Achhammer, Referatsleiterin Forst beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, bei der Dienstbesprechung der Jagdvorsteher in Oberhausen. Einige Grundbesitzer haben Ideen, wie das zu ändern wäre, und ein prominenter Jäger biss sich auf die Zunge – zwangsweise.
Oberhausen - Eine Veranstaltung, bei der alle Jagdvorsteher (Vertreter der Grundbesitzer) zusammenkommen und Informationen von der Unteren Jagdbehörde über die Entwicklung des Waldes und der Jagd erhalten, gibt es außer in Weilheim-Schongau nur noch in zwei weiteren Landkreisen Bayerns. Das sagt zumindest Ernst Weidenbusch, Vorsitzender des Bayerischen Jagdverbands. Er wollte sich die besondere Veranstaltung im Oberhausener Stroblwirt auf Einladung des Weilheimer Jagdverbands-Chefs Florian Pfütze einmal live anschauen – und musste sich seine Teilnahme erkämpfen, wie er sagte: „Ich sollte nicht kommen dürfen, erst Landrätin Andrea Jochner-Weiß hat es mir erlaubt – wenn ich mich nicht zu Wort melde“, so Weidenbusch. So saß er bei den diversen Wortmeldungen und Stellungnahmen mitunter kopfschüttelnd am Tisch. Denn die Jägerschaft kam nicht immer gut weg.

Das Forstliche Gutachten zur Waldverjüngung beleuchtet alle drei Jahre die Situation der nachwachsenden Bäume. Bei der Inventur wurden im vergangenen Jahr durch die Förster allein im Landkreis Weilheim-Schongau auf 402 Stichpunkt-Flächen in den 215 Jagdrevieren 35 360 junge Bäumchen angeschaut und bewertet. Was auffällt: Die Zahl der unverbissenen Bäume ist im Vergleich zur vorherigen Inventur 2021 bei allen Baumarten deutlich schlechter gewesen. Und während bayernweit 51 Prozent der Hegegemeinschaften (Zusammenschluss mehrerer Jagdreviere) eine günstige oder tragbare Verbisssituation aufweisen, sind es im Landkreis nur 33 Prozent.
Fichtenanteil bleibt auf hohem Niveau
Und auch der Waldumbau in den angesichts des Klimawandels dringend benötigten Mischwald stagniert: Waren 1991 noch 61,8 Prozent aller aufgenommenen Bäumchen Fichten, sank dieser Anteil zugunsten von Laubbäumen bis 2009 auf 51,0 Prozent – und auf dem Niveau stehen wir immer noch. „Die Fichte wächst einfach immer wie verrückt nach“, sagt Achhammer. Das lässt sich von anderen wichtigen Baumarten nicht behaupten: So wurden bei den Stichproben nur zwei Prozent Tannen entdeckt, bei der Kiefer waren es 0,2 und bei der Eiche 0,6 Prozent.
Spannend ist die detaillierte Auswertung der revierweisen Aussagen. Denn nur weil in einer Hegegemeinschaft der Verbiss zu hoch ist, heißt es nicht, dass das flächendeckend der Fall sein muss. So haben in der HG Peißenberg immerhin zwei Reviere sogar eine günstige Verbisssituation und zehn weitere eine günstige, doch die verbleibenden acht mit zu hohem Verbiss reichen aus, um der ganzen HG einen zu hohen Verbiss zu attestieren. Völlig durcheinander geht es in Bernbeuren zu: Von den 13 Revieren der Hegegemeinschaft hat eines eine günstige Verbisssituation, fünf eine tragbare, in vier Revieren ist die Situation zu hoch und in drei sogar deutlich zu hoch. Gesamt reicht es zu einer insgesamt tragbaren Situation.
Körperlicher Nachweise lässt Abschussquote sinken
Bernbeurens Jagdvorsteher Hermann Kleber meldete sich auch mit einem ausführlichen Statement zu Wort und schilderte den langen Weg zum Positiven, vom anfänglichen regelmäßigen Streit mit den Jägern zur teilweisen Übernahme der Reviere in Eigenbewirtschaftung und der Einführung des körperlichen Nachweises. Das bedeutet: Der Jäger muss ein erlegtes Reh nicht nur auf einem Zettel ankreuzen, sondern das frisch erlegte Tier bei einem Mitglied der Jagdgenossenschaft vorzeigen. „Auf einmal hatten Jäger, die vorher den Abschussplan zu 110 Prozent erfüllt hatten, nur noch 70 bis 80 Prozent“, sagt Kleber. „Es hat zwölf Jahre gedauert, aber jetzt sind unsere Reviere im grünen Bereich.“ Und dabei sei ihm wichtig, dass nicht Wald vor Wild gelte, wie es im Gesetz stehe, „sondern Wald mit Wild“.
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Als sich auch andere Jagdvorsteher zu Wort meldeten und von ihren guten Erfahrungen mit dem körperlichen Nachweis berichteten und einer forderte, ihn überall einzuführen („So wie bisher können wir nicht weitermachen!“), sah sich Helmut Stork, Leiter der Unteren Jagdbehörde am Landratsamt, genötigt zu betonen, dass man das als Amt nicht anordnen können. „Sonst müssten wir es auch kontrollieren, und dafür können wir keine Mitarbeiter abstellen. Das ist Sache zwischen den Vertragsparteien vor Ort.“
Weidenbusch: Einseitige Veranstaltung
Das wollte Wolfgang Scholz, Jagdvorsteher aus Sachsenried und BBV-Kreisobmann, so nicht stehen lassen „Die Jagdbehörde gibt ja auch Regeln zur Rehwildfütterung vor, die kann sie auch nicht kontrollieren“, sagte Scholz, der ebenfalls berichtete, dass bei ihnen nach der Einführung des körperlichen Nachweises die Abschussquote plötzlich auf 54 Prozent gefallen war. „Aber danach ging es aufwärts.“
Jäger-Präsident Weidenbusch hielt sich übrigens an die Vorgabe und schwieg, machte aber auf Anfrage keinen Hehl aus der seiner Meinung nach völlig parteiischen Veranstaltung: „Es ist schon schwer, wenn ich zu so etwas nur eine Seite einlade.“ Er werde sich mit der Landrätin austauschen, kündigte er an.
Jäger-Chef wehrt sich
„Was mache ich, wenn mein Jäger sagt, dass er wegen des Wolfs seinen Reh-Abschuss nicht zustande bringt?, fragte Huglfings Jagdvorsteher. Das könne man pauschal nicht sagen, weil man nicht wisse, wo ein Wolf unterwegs sei, antwortete Helmut Stork vom Landratsamt. Weilheims Jagdverbands-Chef Florian Pfütze verwahrte sich gegen Vorwürfe, dass Jäger Wölfe schießen würden, wie es kürzlich in einem Gespräch bei Landrätin Andrea Jochner-Weiß angeklungen war (wir berichteten). „Das ist eine Straftat“, betonte Pfütze.
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