„Es muss weitergehen mit der Maro“

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Große Freude machen den Bewohnern der Demenz-Wohngruppen gemeinsame Aktivitäten – wie beispielsweise das Basteln von Drachen. © Vlasta Beck

Die Bewohner der insgesamt zwölf Maro-Projekte bangen – denn die soziale Wohngenossenschaft ist insolvent (wir berichteten). Doch es gibt noch einen Hoffnungsschimmer – denn aktuell wird ein Insolvenzplan erarbeitet. Das macht auch den insgesamt sechs Demenz-WGs neuen Mut – zwei davon sind in Weilheim. Wir haben mit den Betroffenen gesprochen.

Die Mutter von Roswitha Bühl fühlt sich sehr wohl in ihrem Zimmer mit Bad, eingerichtet mit ihren eigenen Möbeln. Seit Februar 2021 wohnt die 87-Jährige in der Maro-Demenz-WG in Dietramszell. Vorher war sie in drei verschiedenen Pflegeheimen untergebracht und ist jetzt endlich da angekommen, wo sie ihr Leben möglichst selbstbestimmt führen kann. Sie genießt, dass sie aufstehen und frühstücken kann, wann sie will. Und auch das gemeinsame Kochen und Mittagessen in der geräumigen Wohnküche ihrer Demenz-Wohngemeinschaft macht der 87-Jährigen Freude.

Wenn Roswitha Bühl in die WG kommt und ihre Mutter besucht, bringt sie oft ihre Gitarre mit. „Ich besuche dann nicht nur meine Mutter, sondern alle Bewohnerinnen und Bewohner. Alle, die gerne singen, sind dabei.“ Das macht es menschlich und familiär. In einigen Wohngemeinschaften gibt es auch Tiere: So grasen in Dietramszell Schafe am Hang des Außengeländes und in Weilheim sind zwei Katzen zugelaufen, zur Freude der Bewohnerinnen und Bewohner.

Erstes Bauprojekt war die Demenz-WG „Josef“

Die Demenz-WGs sind ein Kernstück der Maro. Mit ihnen hat auch die Geschichte der der sozialen Wohngenossenschaft begonnen: Der Maro-Gründer Martin Okrslar hatte im eigenen Umfeld einen Fall von Demenzerkrankung und er war auf der Suche nach einer anderen Form der Betreuung, einer Alternative für das Wohnen in einem Alten- oder Pflegeheim. Gemeinsam mit Inge Schmidt-Winkler rief er 2012 die Maro-Genossenschaft ins Leben. Das erste Bauprojekt war die Demenz-WG „Josef“, die 2015 in Weilheim zusammen mit dem ersten Mehrgenerationenhaus der Maro eröffnet wurde. 2016 folgte die WG „Maria“.

Von Beginn an dabei ist Vlasta Beck, die damals die Leitung der Fachstelle für Pflegende Angehörige der Alzheimer-Gesellschaft Pfaffenwinkel-Werdenfels innehatte. Martin Okrslar konnte die Fachfrau für die Demenz-WGs gewinnen. Sie ist bis heute mit einer Halbtagsstelle in der verbliebenden Rumpfbelegschaft der Maro tätig und mittlerweile Geschäftsführerin der Alzheimer-Gesellschaft.

Das Maro-Konzept sieht vor, dass die an Demenz erkrankten Menschen in den Wohngemeinschaften wohnen und gepflegt werden, rund um die Uhr und je nach Schwere der Erkrankung entsprechend intensiv. Das übernimmt ein Pflegedienst, der alle Bewohner einer WG betreut, in der Regel sind es neun bis zehn Personen. „Weniger ist einfach nicht wirtschaftlich und wenn es mehr sind, kann die Pflege und Betreuung nicht in dieser hohen Qualität erfolgen. Das bedeutet auch, dass die Erkrankten mindestens Pflegegrad 3 haben sollten“, sagt Vlasta Beck. Der Personalschlüssel ist sehr gut, mit je drei Pflegern in der Früh- und Spätschicht und einem Pfleger in der Nachschicht. Diese intensive Betreuung verhindert auch, dass die Bewohner weglaufen – denn geschlossenen Räume gibt es nicht.

Ein wichtiger Pfeiler sind die Angehörigengremien

Die Pflegedienste sind gerne in den Demenz-Wohngemeinschaften, denn sie arbeiten unter angenehmen Bedingungen. Sie haben die Möglichkeit, gute Arbeit zu machen und können sich intensiv auf die Menschen einlassen. Die Arbeit ist weniger stressig als in einem Heim oder bei der ambulanten Pflege.

Ein wichtiger Pfeiler der Maro-Demenz-WGs sind die Angehörigengremien. Sie übernehmen die Rolle eines Trägers. Je ein Angehöriger eines Bewohners wirkt dabei mit – so wie Ulrike Piesch. Seit Juni 2021 haben zuerst ihre Schwiegermutter, dann ihre Schwägerin und ihr Schwiegervater in der WG in Unterhaching gelebt. „Ich bin sehr dankbar über diese Möglichkeit, meine Angehörigen sind in der Nähe untergebracht, ich kann weiter für sie sorgen und ihnen helfen, ohne selbst auszubrennen. Es ist eine gute Zwischenform, denn ich habe die Verantwortung, ohne selbst zuhause pflegen zu müssen.“

Piesch ist die Sprecherin des Gremiums, zu dessen Aufgaben die Erstellung eines Leitbilds für den Pflegedienst und die Entscheidung, wer auf freigewordene Plätze nachrückt, gehören. „In Pflegeheimen müssen sich die Bewohnerinnen und Bewohner und ihre Angehörigen mit dem zurechtfinden, was die Leitung für gut und richtig hält. In den Demenz-WGs sind es die Angehörigen, die das Hausrecht haben und Entscheidungen treffen über Beschäftigungsformen, Pflegedienst oder das Essen.“ Um diese Entscheidungen zu treffen, besprechen sich die Gremien auch nach Inbetriebnahme der WG einmal im Monat. Vlasta Beck moderiert die Gruppe und macht die Angehörigen vertraut mit ihren weiteren Aufgaben, wie Mithilfe bei der Gartenarbeit und der Hausbewirtschaftung. Auch in den Mehrgenerationenhäusern der Maro bewirtschaften die Mieter die Häuser selbst.

Der Kontakt zwischen den Häusern ist gut: „In Weilheim gibt es spontane Begegnungen zwischen Demenzkranken und Menschen in den Mehrgenerationenhäusern über den Zaun hinweg. Die weitere Nachbarschaft ist engagiert, die Akzeptanz der Einrichtungen ist groß im Ort“, freut sich Vlasta Beck.

Wo sollen die Demenzkranken Menschen denn hin? Man kann niemanden auf die Straße setzen.

Ursprünglich war eine weitere Demenz-WG in Landsham geplant. „Zudem sollte in Rosenheim eine WG für demenzkranke Menschen sowie für Menschen mit geistiger Behinderung entstehen, ein Novum und Herzensprojekt der Maro“, berichtet Vlasta Beck. Während beim ersten WG-Projekt in Weilheim noch viel Überzeugungsarbeit in der Kommune nötig gewesen sei, seien die Bürgermeister heute sehr froh, dass die Maro diese Aufgabe übernimmt und eine wohnortnahe Betreuung ermöglicht. „Die Gemeinden sind jetzt voll dabei und fragen aktiv nach, ob wir für sie ein Wohnprojekt mit Mehrgenerationenwohnen und Wohnraum für an Demenz erkrankte Menschen schaffen können.“

Denn der Bedarf ist riesig: „Auf einen freien Platz kommen zehn Anfragen. Da gibt es auch Tränen, wenn es dann nicht klappt“, berichtet Regina W. Vlasta Beck führt einen Interessentenpool in den bestehenden WGs. Es wird ein Steckbrief des Bewerbers angefertigt. Die Entscheidung, wer aufgenommen wird, trifft das Gremium. Für die Angehörigen sind die Kosten für die Pflege ähnlich wie in einem Heim – hinzu kommen Miete und Nebenkosten sowie ein Beitrag für die Haushaltskasse. „Die Mietkosten können bei Bedarf mit EOF-Förderung gefördert werden, zudem gibt es beim Bezirk Förderhilfen für die Pflege. An der Finanzierung scheitert es nicht“, sagt Vlasta Beck.

Plätze werden nachgefragt

Das Konzept der Demenz-Wohngemeinschaften ist zukunftweisend, die beispielhafte Wohnform für demenzkranke Menschen wird oft als „Leuchtturmprojekt“ bezeichnet. Die Wohngruppen sind übersichtlich für die Bewohner, die Pflegekräfte haben genügend Zeit, um gut auf deren Bedürfnisse einzugehen – und die Angehörigen können immer noch für ihre Lieben Verantwortung übernehmen, ohne sich in der alltäglichen Pflege zu überlasten. „Es ist für alle Beteiligten ein positives Gesamtkonzept und wir sind sehr dankbar für das Engagement und die wertvolle Erfahrung, die die Maro hier von Anfang an eingebracht hat“, sagt Ulrike Piesch als Sprecherin der Angehörigen.

„Die Plätze in unseren Demenz-Wohngemeinschaften werden immer mehr nachgefragt“, sagt Vlasta Beck – und das macht sie zuversichtlich. „Es gibt so vieles, was wir in der Maro richtig gemacht haben, daher muss es auch weitergehen. Schließlich gibt es keine Alternative, denn wo sollen die demenzkranken Menschen hin? Man kann niemanden auf die Straße setzen“, so Vlasta Beck.

So geht‘s mit der Maro jetzt weiter

Demnächst muss die Maro den Insolvenzplan bei Gericht einreichen. Dann müssen die notwendigen 5 Millionen Euro auf dem Treuhandkonto eingezahlt sein und dem Gericht nachgewiesen werden. Stimmen dann die Gläubiger dem Plan aufgrund der Besserstellung (im Vergleich zur Zwangsabwicklung) zu und das Gericht besiegelt alles, dann ist es tatsächlich geschafft. Dann wäre die Maro die erste Genossenschaft, die sich durch einen Insolvenzplan rettet und in eine Fortführung starten darf.

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