„Sehr naiv“: Mann (39) stellt Betrügern Bankkonten für kriminelle Geschäfte zur Verfügung

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Ein 39-Jähriger musste sich vor dem Weilheimer Amtsgericht wegen Geldwäsche verantworten. © Frank Rumpenhorst

Insgesamt 111 Fälle der Geldwäsche wurden einem 39-Jährigen vor dem Amtsgericht vorgeworfen. Nachdem zunächst ein ehemaliger Kollege im Zentrum der Verdächtigungen stand, erzählte der Beschuldigte später von seinem Kontakt mit einer ausländischen Firma, der er 100 000 Euro anvertraut hatte.

Weilheim/ Peißenberg – Allein für die ellenlange Anklageschrift hatte sich der Staatsanwalt wahrscheinlich einen separaten Ordner anlegen müssen. Sein Vortrag der einzelnen Anklagepunkte dauerte beinahe eine Viertelstunde. Insgesamt wurden dem 39-jährigen Beschuldigten darin 111 Fälle der Geldwäsche vorgeworfen.

Als sogenannter „Finanzagent“ soll der Mann vor etwa vier Jahren tätig gewesen sein und unbekannten Betrügern dabei mehr als ein halbes Dutzend Bankkonten für ihre kriminellen Geschäfte zur Verfügung gestellt haben. In Summe seien dabei 39 075 Euro auf den Depots des Angeklagten gelandet und anschließend weitertransferiert worden – mitunter auch ins Ausland.

Angeklagter will von Konten „keine Kenntnis“ haben

„Mein Mandant bestreitet, seine Konten wissentlich und willentlich Betrügern zur Verfügung gestellt zu haben“, lautete die Erklärung, die der 39-Jährige über seinen Verteidiger abgab.

So weit, so gut. Hiernach wurde es jedoch kompliziert: Zunächst hieß es vonseiten des Verteidigers noch, ein Kollege des Angeklagten habe, als sein Mandant noch als Armeesoldat bei Auslandseinsätzen gedient hatte, die Zugangsdaten zu dessen Bankkonten erhalten. Zwar sei der 39-Jährige zuletzt 2015 auf einem Auslandseinsatz gewesen, allerdings könne nicht ausgeschlossen werden, dass besagter Kollege auch noch zum Tatzeitpunkt Zugriff auf die Konten des Angeklagten gehabt hatte, ließ der Verteidiger bereits eine leise Vermutung durchklingen. Von vielen der Konten, die angeblich ihm gehören sollen, habe der Angeklagte nämlich „überhaupt keine Kenntnis“.

Widersprüchliche Polizeiaussage

„Bei der Polizei haben sie aber was ganz anderes gesagt“, entgegnete Richterin Stefanie Rainer skeptisch. Nach einigem Hin und Her schlug der Verteidiger vor, den Beschuldigten die Situation selbst erklären zu lassen.

Der gab daraufhin an, nach seinem Militärdienst auf der Suche nach Möglichkeiten zur Geldanlage gewesen und dabei auf eine Firmenanzeige gestoßen zu sein. Für das Unterzeichnen der Verträge habe er sich schließlich mit den Verantwortlichen getroffen. Diese hätten zwar nur Englisch und Französisch gesprochen, dennoch aber einen seriösen Eindruck erweckt.

Depots wurden gesprerrt

Einige Zeit später habe man ihm mitgeteilt, dass seine 100 000 Euro in Bitcoin angelegt worden waren. Um auf das Geld zugreifen zu können, hätte er ihnen jedoch seine Konten zur Verfügung stellen und mittels „Laufboten-Gesprächen“ weitere Kunden anwerben sollen, teilte der Angeklagte mit. Letzteres habe er strikt abgelehnt, versicherte der 39-Jährige. Nach mehrmaligem Nachfragen der Verfahrensbeteiligten klang jedoch langsam durch, dass er den Unbekannten gegenüber zumindest mit seinen Kontodaten herausgerückt hatte.

Schließlich sei dann eines seiner Depots gesperrt worden. „Ich habe total den Überblick verloren.“ „Im Nachhinein sehr naiv“, gestand er. „Egal, was ich auch unternommen habe: Ich habe keine Auskunft bekommen“, erzählte er von der Kontaktaufnahme mit den Kriminellen. Während der gesamten Prozedur war er von seinem ursprünglichen Wohnort in Peißenberg zunächst nach Schongau und letztlich nach Österreich gezogen, wo er noch heute lebt. Dort hatten ihm schließlich Probleme mit dem Online-Banking zu schaffen gemacht. Aus diesem Grund habe er auch nichts von den ominösen Bank-Bewegungen mitbekommen, so der 39-Jährige.

Angeklagter hatte „Überblick verloren“

„Er hat den Leuten Daten gegeben, von denen er gedacht hatte, dass sie sein Geld haben“, summierte der Verteidiger. Sein Ziel sei es schlichtweg gewesen, sein Geld zurückzubekommen. Merkwürdigerweise seien bei den geheimnisvollen Geldeingängen jedes Mal etwa 20 Prozent bei ihm „hängen geblieben“, bemerkte die Richterin. Als sowohl sie als auch der Staatsanwalt wissen wollten, ob dies mit den Strippenziehern vereinbart gewesen war, geriet der Angeklagte ins Straucheln. „Ich habe nichts vereinbart und wissentlich an nichts Kriminellem teilgenommen“, versicherte er. Bereits im Januar 2021 will er erfolglos versucht haben, dem Ganzen ein Ende zu bereiten.

„Was haben sie sich da eigentlich gedacht?“, fragte der Staatsanwalt stirnrunzelnd. Sollte ihm von den Betrügern Geld versprochen worden sein, sehe es für ihn düster aus: Möglicherweise „sechs Monate Mindeststrafe – pro Tat“, prognostizierte er. Dass er sich dort in illegale Geschäfte hinein manövriert hatte, sei „glasklar“.

Was damals wirklich geschehen war, konnte in der Hauptverhandlung letztlich nicht restlos aufgeklärt werden. Nur mit „Bauchschmerzen“ könne er dem Angeklagten strafmildernd ein naives Verhalten bescheinigen, teilte der Staatsanwalt mit. Da der Angeklagte den Einspruch, den er im Vorfeld gegen den Strafbefehl eingelegt hatte, schließlich zurücknahm, nahm die Verhandlung allerdings nach einer kurzen Pause ein abruptes Ende – ohne Urteil. Der 39-jährige Ex-Peißenberger akzeptierte den Strafbefehl.

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